Wir bloggen Berlin – Blog News Bezirke

Monatsarchiv für Juli 2007

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Berliner Gazette wird acht

Die Berliner Gazette feiert heute ihr achtjähriges Bestehen. Grund genug, um den Machern des Online-Feuilletons einige Fragen zu stellen. Hier die Antworten eines Interviews, das ich per Mail mit Susanne Lederle, Magdalena Taube und Krystian Woznicki geführt habe.

Acht Jahre Berliner Gazette. Was war die ursprüngliche Idee – wo steht ihr heute?

BG: Wir wollten ohne großen Masterplan ein publizistisches Projekt im Internet aufziehen. Allein die Logik des Internets als Netzwerk sollte dabei richtungsweisend sein. Alles sollte sich unter dieser Losung organisch entwickeln. Jetzt haben wir das Schlamassel: Die Berliner Gazette ist ein Netzwerk aus Menschen und Themen, das keine Grenzen kennt.

Ihr nennt euch “digitales Mini-Feuilleton”, unterscheidet euch in eurer Homepage aber nur unwesentlich von anderen Berliner Blogs und benutzt außerdem die populäre Blogger-Plattform WordPress. Warum haltet ihr an dem Begriff Feuilleton fest?

BG: Was in Deinen Augen unwesentlich ist, macht das Wesen der Berliner Gazette aus. Das Ganze hat etwas mit Anspruch zu tun. Und mit der Überzeugung, dass das Internet die Offline-Wirklichkeit nicht einfach nur 1:1 spiegelt, sondern, dass dort etwas passiert, das einer eigenen Logik folgt und zwischen den Ebenen folglich hin – und herübersetzt werden muss. Da wir vor den Blogs da waren, haben wir unsere Ziele und Absichten unabhängig davon artikuliert. Und die lauten nun mal: Eine Brücke zu schlagen, zwischen Old-School-Kulturjournalismus und den neuen Möglichkeiten des Internet. Im Zuge dessen sollte und soll die Idee vom Feuilleton neu formuliert werden. Dabei ist das Logbuch (unser redaktionell betreuter Kollektiv-Blog) nur ein Feature von vielen, wie auch die Blogs bei Tageszeitungen eines von vielen Angeboten sind. Andere wichtige Bestandteile wären die Veranstaltungsdatenbank, der Newsletter und natürlich das essayistische Themen-Dossier im Protokoll-Format. Sehr wichtig sind aber auch die Kulturveranstaltungen, die wir seit acht Jahren regelmäßig durchführen. Hierbei zeigt sich noch mal auf ganz andere Weise: Es geht uns immer wieder darum, Kontext-übergreifende Brücken zu schlagen – bei unseren Veranstaltungen zwischen digitaler und realer Ebene. Herkömmliche Blogs scheinen da wesentlich selbstbezogener zu sein, sowohl technisch, sozial, als auch inhaltlich. ‘Berliner Gazette wird acht’ weiterlesen

Künstlerischer Abend [Vernissage]

Ich war zu einer Vernissage eingeladen, zu einem künstlerischen Abend in Prenzlauer Berg. Die Schuhe hatte ich schon geputzt für die Werkschau von Nancy Görlach, den Termin habe ich aber dann doch über Thomas Bernhards “Holzfällen” auf dem Sofa versäumt. Bernhard beschreibt in seinem Buch einen künstlerischen Abend bei den Auerbergern, einem Wiener Musiker-Paar, das durch und durch künstlerische Wiener Freunde einlädt, zu Ehren eines Burgschauspielers, der bis nach Mitternacht nicht auftritt.

Die Vernissage von Nancy Görlach im Mathes und Lautz – ihre erste künstlerische Bilderschau übrigens – wäre sicherlich anders gewesen. Unprätentiöser, ehrlicher. Die Ausstellung ist noch bis zum 30. September zu sehen.

Görlach ist erst 28 und ich mag Künstler, besonders junge. Sie hat das Malen erst vor einigen Jahren für sich entdeckt, nach Stationen beim Theater als Schauspielerin und Regie-Assistentin. Dass Görlach schließlich zum Pinsel griff, war eher Zufall: Aus Langeweile. “Die wenigsten Leute können mit Langeweile umgehen.” Kaum jemand, der Langeweile als Zustand ertragen kann, und sogar zu schätzen weiß. Langeweile kann Potentiale freisetzen, Produktivität erzeugen, sagt sie. In einer Gesellschaft, in der Reizüberflutung ständig zunimmt, wird Langeweile zur Herausforderung.

Mit welchem Ergebnis? Nancy Görlach produziert Kunst, die sich nicht einordnen lässt – vor allem farbige und abstrakte Bilder. Mal malt sie figurativ, mal fühlt man sich an die Action Paintings des amerikanischen Künstlers Jackson Pollock erinnert.

“Ich wünsche mir eine kritische Auseinandersetzung mit meiner Kunst, keine vorschnelle Einordnung in Schubladen”, so Görlach. Als junge Künstlerin ihre Bilder endlich der Öffentlichkeit zu präsentieren – dazu gehörte einiger Mut. “Man gibt ein Stück von seinem Innersten preis.” Dabei seien die Bilder als “erste Gehversuche” interpretiert, sie stehe noch am Anfang. Wir dürfen gespannt sein.

Nancy Görlach, “EigenSinnLich”, Mathes & Lautz, Kollwitzstraße 87. Noch bis zum 30.09.2007.

Die Pest

Mit den Ratten ist es in dieser Stadt so ein bisschen wie mit Stars und Sternchens: Jeder weiß, sie sind unter uns – näher, als man tatsächlich glaubt. Aber solange man ihnen nicht begegnet, ist das Thema nicht weiter interessant.

Heute hatte ich eine sehr unschöne Begegnung mit einer Ratte. Im Görlitzer Park. Das Vieh war der Prototyp der neuen Ratte: fett, behäbig und lahm. Fast hätte ich es überfahren – dabei dachte ich immer, die Tiere seien flink. Deutschland verfettet, seine Ratten auch. Eine Frau, die mir – ebenfalls auf dem Fahrrad – entgegenkam, lachte nur amüsiert über den Vorfall und rief mir zu, dies passiere ihr ständig. Absurd.

bansky_foto-mell242.jpg

Auf der anderen Seite des Parks, auf der Landwehrkanal-Seite, beschwerte sich der Bäcker, ein beleibter Mann von Ende 30. Die Laufkundschaft bliebe angesichts des schlechten Wetters aus, die Leute wollten sein Bio-Brot nicht. “Dabei geht es uns doch gut in Berlin, keiner muss verhungern.” Ich verabschiedete mich freundlich und wünschte ihm – wie in Berlin üblich – einen schönen Tag. Über die fette Ratte verlor ich kein Wort.

Der Zwischenfall mit der Ratte ließ mir aber keine Ruhe. Zu Hause befragte ich Google und erzielte 1.610.000 Treffer für die Suchanfrage “Ratte Berlin”.

Die städtischen Gesundheitsämter informieren auf ihren Websites ausführlich zum Thema Schädlingsbekämpfung: Darüber, dass keine Speisereste die Toilette heruntergespült werden dürfen, um das Ratten-Problem einzudämmen. Dass grippeähnliche Krankheiten übertragen werden können, durch Ratten-Urin in stehenden Gewässern. Ja iiiehh!

Weitere Ergebnisse: Promovierte Biologen leben in der Hauptstadt von der Schädlingsbekämpfung und bieten “Schädlingsmanagement” an, die neue Wohnung des Zeit-Autors Jochen Reinecke war anfangs rattenverseucht.

Die Berliner Subkultur scheint keine Probleme mit den Tieren zu haben, die Nager sollen ja durchaus intelligent zu sein: So nennt sich eine Obdachlosen-Theatergruppe – also C-Stars dieser Stadt – Die Ratten. Gegründet 1992 nach einer erfolgreichen Inszenierung von Albert Camus’ Die Pest, spielt das Ensemble heute Eugène Ionesco, also immer noch absurdes Theater.

Foto: mell242
Künstler: Bansky

Des Kindes Gewicht

Im letzten Jahr haben viele meiner Freunde und Bekannte ein Kind bekommen. Für die Eltern ein bedeutendes und beglückendes Ereignis, über das ich mich jedes Mal gefreut habe. Finn, Luna, Tom Linus, Michał, Wout, – schön, dass sie da sind!

Nur eines hat mich gewundert: Keine einzige Geburtsmitteilung kam aus ohne die Erwähnung des Gewichts und der Größe des Neugeborenen. Als ob ein Schriftsteller ein neues Buch veröffentlicht und stolz verkündet, wie viele Seiten es hat. Oder ein Sänger, der die Länge des Albums hervorhebt. Meines Erachtens rein rechnerische Daten, die nicht den Kern der Sache ausmachen. Oder ist es vielleicht ein mir unbekannter Wettbewerb, in dem es darum geht, das größte/kleinste, dünnste/dickste Kind in die Welt zu setzen?

Nein, es ist lediglich eine Konvention, bei der man auf messbare Zahlen zurückgreift. Vielleicht weil das Glück unermesslich ist oder weil Worte unzulänglich sind, um das Wunder der Geburt zu beschreiben. Dazu kommt, dass noch nicht über Heldentaten des Babys berichtet werden kann. Das Kind ist noch nicht in der Lage, knackige Statements abzugeben, aber auch die Eltern äußern sich kaum zu ihren gegenwärtigen Empfindungen und Zukunftsplänen. Schade eigentlich. Würde mich mehr interessieren als des Kindes Gewicht.

E-Mail aus Warschau #2: Polen-Tourist

On 7/10/07, K. <k@polen-kritisch.pl> wrote:

Hej,
das Schweigen brachte mich auf eine nette Idee, dass du schon unterwegs bist. Wenn ihr aber noch in Berlin steckt, dann einige Tipps:

Zalew szczecinski – ein kuenstlicher See in der Naehe von Szczecin (Stettin) aber noch naeher zu Swinoujscie (Swinemünde), an der oestlichen Seite des Sees, an der Kueste, gibt es einen Naturpark – das sind rechtlich geschuetzte Gebiete, man darf da nur auf den Campings zelten, dafuer soll es da aber besonders schoen und gruen sein.

In der Naehe von Stettin gibt es auch einen kleinen See (Dabie).

Sehr schoen soll es in dem Naturpark “Ujscie Warty” (Muendung Warthau) am naechsten zu Slubice (Frankfurt/Oder).

Wenn ihr ein bisschen laenger fahren wollt, gibt es auch Drawienski Naturpark. Dort soll es wirklich schoen sein, und seine Flaeche ist groesser – dh. mehr Ausflugsmoeglichkeiten. Er befindet sich so ca. 100 km von Stettin. Dort kann man auch Paddeln auf dem Fluss Drawa (nicht mit Drwa zu verwechseln, wo du mit S. warst ;) )

Falls ihr mehr Lust auf Gebirge habt, muesst ihr wie gesagt weiter fahren. Dann sag nur Bescheid und ich schicke weitere Infos.

Anne mach’s gut! Und falls ihr eine Entscheidung trefft, lass mich die Zugverbindungen suchen usw. Kein Problem.

Beste Gruesse!

Kasia

Automaten mit Seele

Fotoautomat - Serie - Foto: Henning Onken

Es rappelt und blitzt in der Box an der Warschauer Straße. Zwei Paar Turnschuh schauen unter dem Vorhang hervor und drinnen wird gekichert. Ein kurzer Spaß – wenig später treten zwei Teenagerinnen in die Nacht heraus, werfen sich ihre Jacken über und warten. Vier Minuten braucht ein Fotoautomat, um zu entwickeln, zu trocknen und die Aufnahmen auszuspucken. Neugierige Hände ziehen den schmalen Streifen mit vier Schwarz-Weiß-Fotos hervor und als die beiden Teenies ihre Köpfe glückselig zusammenstecken, wirkt es, als hätten sie hier in dieser tristen Baulücke eine Disko entdeckt. Das war’s, sie ziehen von dannen und die kleine Klickmaschine ist wieder betriebsbereit.

Merkwürdig, es gibt so viele Kameras wie nie zuvor in Deutschland, und gerade Mädels in diesem Alter haben ihre Lieben längst auf dem Foto-Handy: Anna und ich auf dem Abi-Ball, mein blöder Bruder und die Eltern auf Langeoog, alles schon da und alles digital. Und dennoch hocken sie hier kichernd hinter dem Vorhang und werfen Euros in einen alten Automaten, den ein sibirischer Immigrant 1925 in New York erfunden hat.

“Schreck lass nach, bin ich das, so verstockt?”

Diese Kiste ist anders, sie lässt uns allein. Wir ziehen den Vorhang zu und in dem kleinen Raum ist kein Fotograf. Der die Regieanweisungen gibt und befiehlt, den Kopf mehr nach rechts oder links zu drehen und dazu noch nervös herumzappelt. Die Situation im Automaten ist anders, wir behalten die Kontrolle. In diesem kleinen Raum sind wir mutig. Wie oft wir uns unbewusst gegenseitig kontrollieren und zensieren, wird manchmal deutlich, wenn wir uns zufällig in einer Fensterscheibe spiegeln: Schreck lass nach, bin das ich, so verstockt?

Und noch etwas: Digital ist besser, aber manchmal auch langweilig. Wir können 100 Aufnahmen von einer Situation machen, mit keiner zufrieden sein und sie doch alle behalten. Die alten analogen Fotoautomaten geben uns nur vier. Sie lassen sich scannen oder noch einmal abfotografieren – aber sie bleiben doch Unikate.

Schwarz-Weiß-Fotoautomaten in Berlin:

- Kastanienallee, Prenzlauer Berg (gegenüber vom Prater)
- Marienburgerstraße, Prenzlauer Berg (vor Kaisers)
- Bar 25 (am Ostbahnhof), Friedrichshain
- Warschauer Straße 60, Friedrichshain (Baulücke zwischen Kopernikus- und Revaler Straße)
- Oranienburgerstraße, Ecke Große Hamburger Straße, Mitte
- Rosenthaler Platz, Mitte
- Zossener Strasse (vor Kaisers), Kreuzberg

Neue Kommentare

  • Thomas Feirer: echt coole Bilder …
  • Anonymous: achso hier meine email adresse zero88-denis@web.de
  • Anonymous: echt bei dir geht das noch? zu silvester wollen paar leute und ich schön gemütlich auf ein dach feiern ist...
  • Aileen: Ich hab mal ne frage: wo genau ist der Markt und hat der auch sonntags auf? lg
  • Ilse Fuehrhoff: Es gibt in Berlin tatsächlich noch sehr viele, eigentlich ungeahnt viele Hausfassaden oder auch...

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