
“Ja es gibt uns noch”, lacht eine junge Frau mit Nickelbrille und freut sich, eine ihrer Broschüren loszuwerden. “Zeit sich zu wehren”, lautet der Titel, Herausgeber ist die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ). Etliche linke Gruppierungen haben sich in Friedrichshain zu einem Gedenkzug für die 1919 von Freikorps ermordeten Sozialistenführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zusammengeschlossen, darunter viele Autonome.
Der Schulterschluss mit den Alt-Kadern gelingt – auch wenn diese sich die Frontkämpfer für den Sozialismus wohl gern anders vorgestellt hätten. Ob es noch “echte Arbeiter” unter den Demonstranten gibt, solche, die in den kämpferischen Liedern aus grauen Vorzeiten besungen werden? Die Rentner fallen wohl nicht mehr in diese Kategorie, auch die linken Studenten können wohl mehrheitlich allenfalls “geistige Arbeit” für sich reklamieren.
Ein Alibi-Arbeiter hat sich doch gefunden, angereist aus Duisburg, ein Auszubildender im Bergbau. Er berichtet über die Bedingungen unter Tage. Wäre er als “Kumpel” aus Schacht XY vorgestellt worden – die wenigsten Anwesenden hätten wahrscheinlich begriffen, dass sie es mit einem “Helden der Arbeit” zu tun haben.
Kampf für eine gerechtere Gesellschaftsordnung
Ein paar hundert Meter weiter werden Umfragen zitiert, die Hoffnung machen. “Die junge Generation interessiert sich für soziale Gerechtigkeit, die Gesellschaft ist zutiefst verunsichert, wie sie damit umgehen soll”, heißt es. Mehrere ungenannte – aber bürgerliche – Meinungsforschungsinstitute sollen herausgefunden haben, dass ein Großteil der Jugendlichen die bestehende Gesellschaftsordnung offenbar ungerecht findet. “Sie haben Interesse an der Revolution” – ein frommer Wunsch wohl, aber geeignet, um die Stimmung unter den Teilnehmenden weiter zu heben. “Viva la Revolución” skandieren Jüngere.

Vor dem Lichtenberger Friedhof ist die Revolution zu einem Volksfest geworden – mit Schwenkbraten und Thüringer Würstchen und allem, was dazu gehört. Die früheren DDR-Bürger haben ihre roten Nelken bereits mehrheitlich auf den Gräbern von Rosa Luxenburg, Karl Liebknecht und Ernst Thälmann abgelegt – wie jedes Jahr.
Ein Novum gab es doch: Die Polizei hat die Demonstration von Anfang an gefilmt. Angeblich nicht, um potentiell militante Linke zu erfassen, sondern zu deren Schutz. “Sollten Rechtsextremisten die Veranstaltung stören, können wir den Zwischenfall hinterher besser rekonstruieren.”
Nur soviel dazu: Gestoßen hat sich daran niemand, Schäuble 2.0 war kein Thema…
Fotos: Anne Grieger (1), Henning Onken (2)
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