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Archiv für das 'Lichtenberg'-tag

Oasen in der Großstadt: Die Futter-Insel

Futterinsel

Stinkendes Öl ist zum Wegrennen; die erste Assoziation beim Anblick  dieser Frittier-Hölle im Weißenseer Weg in Lichtenberg. Tatsächlich sprintet der Mann auf dem Bild, um eine Tram zu erwischen – die Pommesbuden-Betreiber haben nüscht mit der Flucht zu tun. Wahrscheinlich sind die Anwohner insgeheim ganz froh, dass  in der Nachbarschaft Pommes Frites verkauft werden, die anders schmecken, als bei jeder x-beliebigen Fast Food-Kette. Dass der kleine Imbiss keinen hippen Namen trägt wie viele Frittenbuden in In-Kiezen, Bio-Pommes verkauft und im Erdgeschoss ihres Plattenbaus eröffnet hat. Dann würde es nämlich wirklich stinken. Teures Öl hin oder her.

Fotostrecke: Fassaden der Hauptstadt

“Junge Menschen haben Interesse an der Revolution”

Foto: Anne Grieger

“Ja es gibt uns noch”, lacht eine junge Frau mit Nickelbrille und freut sich, eine ihrer Broschüren loszuwerden. “Zeit sich zu wehren”, lautet der Titel, Herausgeber ist die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ). Etliche linke Gruppierungen haben sich in Friedrichshain zu einem Gedenkzug für die 1919 von Freikorps ermordeten Sozialistenführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zusammengeschlossen, darunter viele Autonome.

Der Schulterschluss mit den Alt-Kadern gelingt – auch wenn diese sich die Frontkämpfer für den Sozialismus wohl gern anders vorgestellt hätten. Ob es noch “echte Arbeiter” unter den Demonstranten gibt, solche, die in den kämpferischen Liedern aus grauen Vorzeiten besungen werden? Die Rentner fallen wohl nicht mehr in diese Kategorie, auch die linken Studenten können wohl mehrheitlich allenfalls “geistige Arbeit” für sich reklamieren.

Ein Alibi-Arbeiter hat sich doch gefunden, angereist aus Duisburg, ein Auszubildender im Bergbau. Er berichtet über die Bedingungen unter Tage. Wäre er als “Kumpel” aus Schacht XY vorgestellt worden – die wenigsten Anwesenden hätten wahrscheinlich begriffen, dass sie es mit einem “Helden der Arbeit” zu tun haben.

Kampf für eine gerechtere Gesellschaftsordnung

Ein paar hundert Meter weiter werden Umfragen zitiert, die Hoffnung machen. “Die junge Generation interessiert sich für soziale Gerechtigkeit, die Gesellschaft ist zutiefst verunsichert, wie sie damit umgehen soll”, heißt es. Mehrere ungenannte – aber bürgerliche – Meinungsforschungsinstitute sollen herausgefunden haben, dass ein Großteil der Jugendlichen die bestehende Gesellschaftsordnung offenbar ungerecht findet. “Sie haben Interesse an der Revolution” – ein frommer Wunsch wohl, aber geeignet, um die Stimmung unter den Teilnehmenden weiter zu heben. “Viva la Revolución” skandieren Jüngere.

Foto: Henning Onken

Vor dem Lichtenberger Friedhof ist die Revolution zu einem Volksfest geworden – mit Schwenkbraten und Thüringer Würstchen und allem, was dazu gehört. Die früheren DDR-Bürger haben ihre roten Nelken bereits mehrheitlich auf den Gräbern von Rosa Luxenburg, Karl Liebknecht und Ernst Thälmann abgelegt – wie jedes Jahr.

Ein Novum gab es doch: Die Polizei hat die Demonstration von Anfang an gefilmt. Angeblich nicht, um potentiell militante Linke zu erfassen, sondern zu deren Schutz. “Sollten Rechtsextremisten die Veranstaltung stören, können wir den Zwischenfall hinterher besser rekonstruieren.”

Nur soviel dazu: Gestoßen hat sich daran niemand, Schäuble 2.0 war kein Thema…

Fotos: Anne Grieger (1), Henning Onken (2)

Misstrauen im Asia-Markt

Dong Xuan Center. Foto: Anne Grieger

Im Dong-Xuan-Großhandelscenter, Berlins größtem Asia-Markt, hängt ein Geruch von Textilfarbe, Plastik und Bratfett in der Luft, ein eigentümliches Gemisch, das eher nicht zum ausgiebigem Bummel einlädt. Auf dem alten Industriegelände in Lichtenberg bieten über 170 Händler Textilien, Lederwaren, Spielzeug und Lebensmittel an.

Schnäppchenjäger kommen und gehen, viele sind es an diesem tristen Montag nachmittag nicht. Vor allem Frauen mit erwachsenen Töchtern zwängen sich an Plastikpflanzen durch schmale Gänge, auf der Suche nach Winterjacken, Handtaschen oder was auch immer. Die Vorweihnachtszeit hat längst begonnen, wie man unschwer an dem vielen blinkenden Fensterschmuck erkennen kann.

Ein bulliger blonder Mann versucht seine Begleiterin zu einem Termin in einem der Nagelstudios im Center zu überreden, doch diese lehnt ab. “American Nails” seien in, sagt sie, alles andere sei Pfusch.

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So alltäglich das alles wirkt: Vor wenigen Tagen herrschte hier noch großer Aufruhr. Eine angrenzende Lagerhalle war völlig ausgebrannt, nicht der erste Brand in diesem Jahr. “Die Angst vor dem Feuerteufel”, titelte Marina Mai in der taz und beschreibt in ihrem Artikel eine rivalisierende vietnamesische Händlerszene, die im Verdacht steht, im Zweifelsfall auch mal der Konkurrenz Brandsätze in den Laden zu werfen.

Kaum verwunderlich, dass viele Großhändler auf ihren gebleichten Jeans, Polyamid-Socken und sprechenden Tannenbäumen sitzen bleiben. Wer kann, scheint den Markt zu meiden.

Adresse: Herzbergstraße 128-139, Industriehof an der Nordseite, Lichtenberg

Schöner Wohnen im Knast

Ehemaliges Gefängnis Rummelsburg

Wie mag sich ein Ex-Häftling fühlen, wenn er dieser Tage noch einmal seine Zelle in der früheren Haftanstalt Rummelsburg anschauen möchte? Er wird sie nicht mehr vorfinden. Stattdessen wird er am Ort seiner Haft auf eine junge Familie stoßen, die sich für eine schmucke Musterwohnung interessiert. Dennoch wird ihn zumindest von außen vieles an seine Zeit im DDR-Knast erinnern. Die Nummern der Zellen stehen noch immer in großen Lettern an der Fassade unter den Fenstern. Auch der Wachturm ist noch da, von dem beim Hofgang misstrauische Wärter lugten. Prominentester und einer der letzten Häftlinge war übrigens der gestürzte DDR-Staatschef Erich Honecker, wenn auch nur für eine Nacht.

Wohnraum entsteht in Berlin durch hohen Leerstand nur noch, wo es sich wirklich lohnt. Die Rummelsburger Bucht in Lichtenberg ist so ein Ort. Eine landeseigene GmbH vermarktet das Entwicklungsgebiet als “Wasserstadt Rummelsburg” und hat seit Mitte der 90er Jahre mehr als 2000 Wohnungen gebaut. Auch auf dem “Berlin Campus”, der seit 1990 leerstehenden Haftanstalt an der Hauptstraße, sind schon mehr als 140 Wohnungen verkauft worden. Werbung mit Sprüchen wie “Attraktives Wohnen am Wasser” funktioniert offenbar.

Wie lebt es sich in einem edelsanierten Knast? Wahrscheinlich nicht anders als in irgendeiner Zwei-Raum-Wohnung, in der der wir wohnhaft sind – oder in der wir in Wohnhaft sind, sobald die Tür sich schließt…

Fotostrecke: Fassaden der Hauptstadt

Hauptstadt der Pfützen

Idee?

Hört das eigentlich irgendwann wieder auf? An den Ausgängen der S-Bahn sammeln sich Leute und betrachten skeptisch den Himmel. Es gießt mal wieder in Berlin. Andere haben sich längst daran gewöhnt, einen Regenschirm mitzunehmen und laufen los, wie diese Frau in der Karlshorster Straße in Lichtenberg.

Das Jahr begann mit dem Orkan Kyrill, der bei offenem Fenster die halbe Wohnung unter Wasser setzte. Dann kam der Sommer, der uns dermaßen viele Grillfeste verdarb, dass die Meteorologen längst von einer Naturkatastrophe sprechen. Und gestern wurde in der Wetterstation Dahlem der Regenrekord aus dem Jahr 1926 gebrochen. Das mag gut sein für Billig-Airlines und Reisebüros und schlecht für Cafés, Strandbars oder Cabrio-Fahrer. Besonders Radfahrern geht die Nässe ziemlich auf die Nerven.

“Berlin wird ein Klima haben wie in Süditalien”, hat ein Wetterexperte den Klimawandel vorausberechnet. Stattdessen führt jetzt der Weg durch den Görlitzer Park in eine einzige Pfütze.

Fotostrecke: Berliner Seitenblicke

Hinter Friedrichshain. Do widzenia, Lichtenberg!

Alt-Friedrichsfelde

Alle wollen Texte über Berlins Ostbezirke, aber kaum jemand opfert ernsthaft einen Tag, um die Schlafstädte aus DDR-Zeiten selbst zu erkunden. Schade eigentlich. Schaurig schön Lichtenberg mit seinen “Neubausiedlungen” (Platten, die ab Anfang der 70er Jahre entstanden, und weitgehend saniert wurden), den vielspurigen Straßen und dem großen Bahnhof, an dem Fremde ungerne umsteigen. Der Reiz besteht vor allem darin, dass man kaum Touristen oder Berlin-Schwaben begegnet und auch keinen Rheinländern.

Folgt man der Frankfurter Allee von Friedrichshain Richtung Osten, gelangt man automatisch nach Alt-Friedrichsfelde. Die Straße, in der die Gebäude zig-geschossig in den Himmel ragen, hieß früher “Straße der Befreiung” und verbindet Berlin und Warschau wie eine Achse. Wer noch weiter ostwärts fährt, landet irgendwann in Moskau. Hier, wo niemand aus Restdeutschland freiwillig seine Zelte aufschlagen würde, in einer kleinen Nebenstraße, haben sich Arbeiter aus Polen niedergelassen.

Sie haben Wäscheleinen gespannt, Satellitenschüsseln montiert und polnisches Bier herangeschafft. Reichlich abgerockt wirkt das unsanierte Gebäude, auf der Rückseite wuchert das Unkraut von den Balkonen. Ob es sich hier aushalten lässt?

“In dem Haus war früher ein Kinderheim”, erzählt eine Freundin, die in der Nachbarschaft aufgewachsen ist. Kinder gibt es in dem Bezirk immer weniger, an Schulschließungen führt offenbar kein Weg vorbei. Von den neun Gymnasien 2003/2004 sind laut einer Publikation des Bezirkes im Jahr 2006 gerade mal sechs übrig geblieben, von neun Gesamtschulen 2003/2004 nur fünf. Im Jahr 1995 gab es doppelt so viele sechs- bis 18-Jährige wie heute.

Die polnischen Arbeiter – fernab von ihren Familien, von ihren eigenen Kindern irgendwo in Breslau oder Danzig. Bedeuteten die Plattenbausiedlungen, die im gesamten früheren Ostblock von Halle bis Stettin gleich aussahen, vielleicht ein Stück Heimat in der Fremde?

Wahrscheinlich sehen es die Leute eher pragmatisch und haben sich gar nicht erst um Altbauwohnungen in Prenzlauer Berg bemüht. Die Mieten in Lichtenberg sind vergleichsweise moderat und aufgrund der vielen Hochaltrigen im Bezirk scheint es einen Bedarf an haushaltsnahen Dienstleistungen zu geben. Gleich gegenüber befindet sich übrigens ein Altenheim – vom gleichen Wohnungstyp wie das frühere Kinderheim – nur aufwendig saniert.

Neue Kommentare

  • Thomas Feirer: echt coole Bilder …
  • Anonymous: achso hier meine email adresse zero88-denis@web.de
  • Anonymous: echt bei dir geht das noch? zu silvester wollen paar leute und ich schön gemütlich auf ein dach feiern ist...
  • Aileen: Ich hab mal ne frage: wo genau ist der Markt und hat der auch sonntags auf? lg
  • Ilse Fuehrhoff: Es gibt in Berlin tatsächlich noch sehr viele, eigentlich ungeahnt viele Hausfassaden oder auch...

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