Ansprühen, Schild dran und auf das schlechte Gewissen warten. So lässt sich eine Aktion der Nachbarschaftsinitiative Elberfelder Kiez rund um die Elberfelder Straße in Moabit zusammenfassen, von der mir Mitorganisator Torsten Schmidt dieses Foto geschickt hat.
Er und seine Mitstreiter hätten Hundehaufen mit Farbe angesprüht und ein Schild mit der Aufschrift “Haste mal ‘ne Tüte” hinterlassen, berichtet Schmidt. Zwei Tage nach der Aktion seien immerhin zwei farbige Haufen weggeräumt worden, freut er sich. Die Schilder waren noch da. “Wir wollten etwas unternehmen, das eine Portion Unernst beinhaltet, nicht nach dem Bezirksamt und Bestrafung ruft und trotzdem eine klare Appellfunktion hat”, kommentiert der Aktivist seinen Einsatz.
Von einer weiteren, unappetitlichen und gemeinen Methode berichtete mir ein Bekannter. Man könne die Hundehaufen mit Kakaopulver überstreuen, worauf die Verursacher sie auffressen würden - noch bevor sie ihre Halter davon abbringen können. Das dürfte auch jenen Hundehaltern das Gassi-Gehen versauen, die ihren Dreck gewissenhaft eintüten.
Diesen Satz verstehen in Berlin nur die aus dem Süden Zugezogenen, gell? So versucht man in Wien, Frauchen und Herrchen zum Eintüten ihrer Hundehaufen zu bewegen. Da freundliche Worte allein aber nicht weiterhelfen, hält der vierbeinige Pappkameraden in diesem Beet auch eine Warnung in der Schnauze: 36 Euro Strafe soll es den Verantwortlichen am anderen Ende der Leine kosten, wenn ein Haufen liegenbleibt.
Seit vier Jahren kämpfen die Wiener mit solchen Rasen-Steckern gegen die “Hundstrümmerl”, die Stadt glaubt an einen positiven Wandel. In einigen Bezirken Berlins dürfte die Lage dagegen deutlich schlechter sein, schließlich gibt es hier wesentlich mehr Hunde. Und wenig Aktionismus. Besonders wütend sind jene Berliner, die seit Frühlingsbeginn mit viel Liebe die Beete in ihrer Nachbarschaft mit Blumen und Sträuchern verschönern. Kaum lassen sie ihren öffentlichen Garten einige Tage aus den Augen, wandelt sich der in eine stinkende Kotlandschaft.
Was meinen Sie? Hilft der Trick mit dem Pappkameraden? Sollten die Bezirke so gegen Hundehaufen kämpfen?
Wir stolperten durch menschenleere Straßen des nächtlichen Friedrichshains, als auf einmal ein Hund vor uns stand. Sein Name war Paul, zumindest hörte er so, wenn man sagte: Halt Paul, hier ist die Straße oder Platz, Paul! In jener kalten Novembernacht war er jedoch nur ein namen- und herrenloser Mischling, der schwanzwedelnd Nähe suchte.
“Hau ab!”, fuhr ihn mein Begleiter Ralf an, “ich habe schon zwei Hunde und kann kaum das Fressen für einen bezahlen.” Er war wohl etwas betrunken. Paul blieb stehen und schaute uns nach, doch zwei Ecken weiter war er wieder da. Ralf hat ihn dann doch mitgenommen, obwohl er sich wahrscheinlich am nächsten Tag kräftig geärgert hat.
Diese Augen: Nimm mich mit, ich will Dein Freund sein!
Ralf war es auch, der ihn dann Paul nannte. Ich habe die beiden noch einige Male getroffen, irgendwann aber aus den Augen verloren. Einmal machte ich den Fehler, Paul über den Kopf zu streicheln – mit dem Ergebnis, dass er mir nicht mehr von der Seite weichen wollte. Und dann diese Augen: Nimm mich mit, ich will Dein Freund sein…
Das war vor Jahren und inzwischen frage ich mich, wie Pauls Biographie wohl verlaufen sein mag. Ich kann nur mutmaßen: Geboren als zweites von drei Welpen in der Ecke einer Punkerbude, Vater unbekannt. Von Mutter und zwei Brüdern getrennt nach vier Wochen. Aufgewachsen bei einem Menschen, von dem er mit knurrenden Magen weg lief. In Obhut von wechselnden Besitzern. Mit 25 Hundejahren gestorben in einem Tierheim am Rande der Stadt.
Wir machen diese Welt oft zu einem erbärmlichen Platz
Einmal bin ich an einem solchen Ort ausgestiegen und habe mir das Heim angeschaut. Die Pfleger schienen engagiert und kümmerten sich um die Tiere, so gut es ging. Besucher suchten einen Hund, einen Kampfhund allerdings. Nebenan war ein Tierfriedhof. Vielleicht liegt Paul hier, an einem Maisfeld, wo die Windräder pfeifen.
Die Geschichte von Paul ist mir haften geblieben, weil ich ihm nicht geholfen habe, ihn nicht aufnehmen wollte. Erzählen wollte ich sie, weil die Berliner Diskussion um Hundehaufen immer wieder hysterische Züge annimmt. Ja, Hundehaufen auf Bürgersteigen und an den Schuhsolen sind widerlich, aber das Problem ist am anderen Ende der Leine.
Wir machen diese Welt oft zu einem erbärmlichen Platz für Wesen, die leiden wie wir.
Ich hatte es für eine Satire gehalten, aber in Berlin-Treptow gibt es seit einigen Wochen tatsächlich eine Tiertafel. Da reicht ein Verein kostenlos Futter an bedürftige Berliner weiter – ganz nach dem Prinzip der Lebensmitteltafeln. Nach Vorlage eines Hartz IV-Nachweises oder Rentenbescheids kann der Dackel so über den Winter gerettet werden.
Gut für das Tier, für den Besitzer könnte ein Besuch dieser Futterausgabestelle aber eine Vormittag füllende Beschäftigung werden. Die Vorstellung, für eine kostenlose Packung Hundefutter die halbe Stadt zu durchqueren, ist grotesk. Die Regelsätze der Grundsicherung scheinen wirklich vorne und hinten nicht auszureichen.
Tiere haben eine soziale Funktion, so viel ist sicher – für viele Besitzer sind sie weit mehr als nur Gefährten. Dass Menschen bereit sind, für ihre Haustiere lange Wege zurückzulegen, scheint daher nur konsequent. Aber ist das wirklich nötig? Wären nicht ein paar Euro mehr Arbeitslosengeld II drin, um den Leuten diese Demütigung zu ersparen? Wer von einer caritativen Einrichtung zur nächsten hetzen muss, um sich und seine Familie (und Tiere) satt zu kriegen, wendet einen Großteil seiner Energie dafür auf. Energie, die vielleicht bei der Jobsuche fehlt.
Ob wir schon Nachrichten gesehen hätten, fragte der Kellner in dem pakistanischen Restaurant gleich um die Ecke. “Das war ein Schock”, sagte er, “wirklich schlimm für die Menschen in der Heimat”. Benazir Bhutto ist tot, Opfer eines Attentats. Die Oppositionspolitikerin, die acht Jahre im Exil gelebt hatte, entging bereits kurz nach ihrer Rückkehr im Oktober nur knapp einem Anschlag, bei mehr als 140 Menschen starben.
In dem Friedrichshainer Lokal wurden die Rolladen heute später hoch gezogen als gewöhnlich. Der Koch hockte noch in Alltagskleidung an einem der Tische und unterhielt sich angeregt mit dem Eigentümer. Jetzt hier etwas essen, nachdem den Leuten gänzlich der Appetit vergangen war, und die Lust, überhaupt etwas zu tun, erschien irgendwie pietätlos. Als einzige Gäste einen schlecht laufenden Laden zu verlassen – auch nicht besser. Wir hatten kein Radio gehört und saßen in der Falle.
Vielleicht konnte man den Kellner auf andere Gedanken bringen? So kamen wir auf das Thema Kampfhunde. Beim letzten Mal hatte der Mann regelrecht vor Glück gejauchzt, als eine Frau mit einem fetten Tier vorbei gelaufen war, das nur aus Zähnen zu bestehen schien.
Als kleiner Junge sei er einmal bei einem Bärenkampf gewesen, erzählte er. Da hätten zwei Kampfhunde einen zahnlosen Bären zerfetzt. Ein Relikt aus Kolonialzeiten in Pakistan – in England waren diese Hetztheater aus dem 17. Jahrhundert vor allem bei Großgrundbesitzern beliebt.
Kampfhunde, Bärenkämpfe, die tote Benazir Bhutto – nichts zu machen, schwer zu begreifen, dieses Pakistan.
Militante Hundehasser machen mobil: In Friedrichshain kleben an vielen Straßenschildern und Laternen schockierende Sticker: Ein Männchen mit Pistole setzt seine Waffe auf einen Hund an, der gerade einen Haufen vor seine Füße setzt. “Die Zeit ist reif’”, steht darunter. Wer hat diese brutale Kampagne gestartet und greifen hier frustrierte Mitbürger wirklich zur Selbstjustiz?
“Die Hundekacke muss bleiben, damit Yuppies gleich bei ihrer Suche nach Dachgeschosswohnungen hineintreten und sich dann einen anderen Bezirk suchen”, meint ein kiezbekannter Punk. Auch gegen Touristenschwärme auf der Suche nach Szene-Cafés und Streetart-Ecken seien die Haufen noch eine Barriere. Die werden es also nicht gewesen sein. Dann also verärgerte Eltern, die es satt haben, ihre Kinder um Tretminen herumzulotsen? Doch gerade junge Familien haben in Bürgerinitiativen in den letzten Jahren mit anderen Mitteln einiges erreicht: Selbst in Friedrichshain können Hunde nicht mehr überall frei herumlaufen. So etwa am Boxhagener- und Forckenbeckplatz, die mit viel Aufwand umgestaltet wurden.
Außen vor bleiben bei dieser Art des Protests die Hundehalter. Jene nachlässigen Herrchen und Frauchen, die ihre Tiere den ganzen Tag lang in der Wohnung einsperren, um dann mit ihrem Rex eine Runde um den Block zu drehen – damit er sein Geschäft auf dem Bürgersteig verrichtet.
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