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Archiv für das 'Kreuzberg'-tag

Adorno ist wieder da

Theodor W. Adorno würde wohl erschrecken, ginge er heute durch die Falckensteinstraße in Kreuzberg. “Adorno Superstar!” steht dort an einer Wand, was soll das denn? “Ein großes Missverständnis” vermutet der Kreuzberger Schriftsteller Jakob B. hinter dem Graffito, denn dem Kritiker der Kulturindustrie war jeder Rummel fremd.

Eine Misere nennt Jakob Texte, die fortlaufend in den Zeitungen sinnlos mit Adorno-Zitaten geschmückt würden – und insofern könnte dieser Schriftzug auch ironisch gemeint sein: Der Denker, viel gerühmt aber unverstanden von der Welt.

Wer denkt heute in Kreuzberg noch an Adorno?

Gibt was zu sehen unter der Hochbahn

Mitten auf der Skalitzer Straße sitzt eine alte Frau in Puschen, in der Hand einen Klostampfer. Sie lässt den Verkehr vorbeiziehen, der entlang der Hochbahn wie eine Schneise durch Kreuzberg fließt. Er stört die Alte nicht. Ein paar Meter weiter will ein Junge gerade einen alten Fahrradreifen unter den Gleisen entlang rollen, ganz in der Nähe schläft ein Obdachloser auf einer Bank. Auch ihn scheint der Verkehr, der hier vierspurig rollt, nicht weiter zu beeindrucken.

Die Frau und der Junge sind Motive einer kleinen Galerie wild geklebter Streetart, die an den Betonpfosten unter den Gleisen wächst. Sie entsteht seit einigen Monaten just dort, wo die Wrangelstraße in ungleiche Teile zerbricht: Nördlich der Skalitzer ist erst einmal Schluss mit dem Szenekiez, der im Süden die Mieten treibt. Auf der anderen Seite gibt es eine Schule und Kreuzbergs ersten McDonald’s. Die Kreuzberger hatten bis zuletzt gegen die Burgerbraterei protestiert, die vor knapp drei Jahren dann doch eröffnete.

“Hey, komm doch ma her, wat machst’n du?” Ein älterer Mann sitzt vor dem kleinen Imbiss auf der Nordseite, der sich dort trotz der Burger-Konkurrenz gehalten hat. Er trinkt einen Schluck aus seinem Plastikbecher und betrachtet Passanten bei ihrem Gang durch die Kiez-Schneise. “Ick bin Bernd.” Bernd trägt einen Blaumann, schwere Arbeitsschuhe und füllt seinen Feierabend augenscheinlich gerne mit Gesprächen.

Wie lange ich in Berlin sei, will er als erstes wissen, dann erzählt er zufrieden von dem schönen Imbiss und dessen Besitzer. An einem Tisch des Drive-Ins 40 Meter weiter kann man ihn sich schwer vorstellen, zumindest so lange es Andys Imbiss gibt.

Schließlich murmelt Bernd etwas, das ich kaum erwartet habe: “Die Bilder da drüben, die sind ja auch super”.

Fotos aus der Skalitzer Straße

Update 4.9.2010: Die Stadtreinigung hat diesen Bildern den Garaus gemacht :-(

Fünf Orte am Fluss der verkauften Stadt

“Es ist hier schon ein bisschen privater”, hat Linda auf ein Schild geschrieben. Die Lücke im Bauzaun sieht nicht jeder, und der Weg zum Ufer führt durch Gestrüpp. Wer hier her kommt, kann den Schiffen zuschauen, bis die Sonne untergeht und eine kühle Brise vom Wasser herauf weht. Während am anderen Ufer Mediaspree-Projekte gewachsen sind, hat sich hier nur die Steppe ausgebreitet – und Streetart. Von weitem grüßen zwei riesige Figuren des Künstlers Blu von einer Brandwand. Nicht mal eine Strandbar hat sich hier angesiedelt, es ist ein Ort mitten in Berlin, der sich der Stadt entzieht. Von hier aus sind es zwei Minuten Fußweg bis zum Schlesischen Tor, zwei Minuten, die Wildnis vom Gewühl trennen.

Natürlich sollten auch hier schon seit vielen Jahren Lofts und Ladenflächen entstehen, doch wie so oft kam den Investoren etwas dazwischen. Ein kleiner Flohmarkt, ein Zirkus, und Menschen die hier Lagerfeuer machen und auch mal übernachten – das ist alles, was sich hier in den letzten Jahren abgespielt hat.

Das sollte so bleiben, meinen Mediaspree-Gegner, die am vergangenen Wochenende unter dem Motto “Rette deine Stadt!” auf die Straße gezogen sind. Zugegeben, vielen geht es dabei eher um den Erhalt von Clubs wie der Bar25 oder der Maria, die das Spreeufer auch beim internationalen EasyJetSet bekannt gemacht haben. Anderen sind aber gerade diese Orte ein Dorn im Auge: “Bar 25: Nach der Demo noch ‘nen Sekt im Adidas-gesponserten ‘Slum’”, stand auf dem Schild einer Demonstrantin. An echten Freiräumen wird kein Eintritt verlangt.

Noch privater als in der Brache an der Cuvrystraße geht es hinter einem Supermarkt in der Köpenicker Straße zu. Perfekter Ort, um ein schwieriges Buch zu lesen oder über das Leben in der Stadt zu sinnieren. Allerdings ist die Aussicht beschränkt und kaum jemand weiß, was das Mädchen an der Wand auf Russisch erzählt.

Im Plänterwald patrouillieren Sicherheitsleute um den verfallenen Spreepark. Der Treptower Park nebenan ist zwar auch am Wasser und kostenlos für alle da, aber was ist schon eine volle Liegewiese gegen einen Abenteuerspielplatz mit umgestürzten Dinosauriern und einem verrosteten Riesenrad? Angeblich interessieren sich die Macher der Bar25 für das Gelände, doch das haben schon viele mögliche Investoren gesagt.

Der vierte Ort liegt im wahrsten Sinne des Wortes im Fluss. An der Brommystraße in Kreuzberg soll wieder eine Brücke über die Spree geschlagen werden, nachdem die Verbindung im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Doch bis wieder Autos oder Radfahrer hinüber zur Arena am Ostbahnhof fahren, ließe sich auf den Pfeilerresten im Fluss eine Republik gründen. Aber nur für Bootsbesitzer oder erfahrene Schwimmer.

Welch ein Zufall, dass der letzte Halt wieder an einen Zaun führt, irgendwo in Mitte. Dahinter stehen leere Flaschen. So ist das immer wieder: Zäune hier, Mauern dort und dann wieder eine Strandbar. Ein Spreeufer für Alle muss anders aussehen. Doch wenn ich es richtig sehe, wünschen sich die meisten Berliner einen Schrebergarten am Wasser, egal ob Zugezogene oder Ureinwohner. Zum Chillen mit Freunden, aber ohne Touristen.

Fußballwetten mit Nebenwirkungen

Habe von Fußball nicht viel Ahnung, aber ich habe ihn kommen sehen, den Sieg über England. Das Wetter war einfach zu gut, die Leute in Berlin zu ausgelassen mit ihrer schwarz-rot-goldenen Kriegsbemalung im Gesicht. In Kreuzberg schossen Deutschland-Fans schon am frühen Nachmittag in die Luft – in freudiger Erwartung.

Ich hätte also für Deutschland tippen sollen, wie so viele. Am besten lägen ohnehin die, die von Fußball nicht viel verstehen, habe ich mir sagen lassen. Bei der nächsten WM tippe also auch ich Fußball-Muffel. Aus Gruppendruck. Und aus Protest gegen die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Die verbreitet nämlich wirklich schlechte Laune in diesen Tagen.  So lange sich diese Wetten in einem gemäßigten Bereich bewegten, in Bürogemeinschaften und Freundeskreisen, seien Spannung und Spaß garantiert, heißt es krampfig in einer Pressemitteilung. Alles darüber hinaus sei gefährlich.

Besonders warnt die BZgA vor Live-Wetten, bei denen hohe Geldeinsätze auf Ergebnisse während des Spiels abgegeben werden. Diese Art von Wetten könnten süchtig machen, so die Leiterin der BZgA, Elisabeth Pott. Der Grund: Viele Teilnehmer neigten zu Selbstüberschätzung und würden viel mehr Geld ausgeben als zunächst geplant. Inwieweit die Zahl der Spielsüchtigen nach Fußball-Weltmeisterschaften steigt, bleibt das Geheimnis der BZgA.

Wie gut das nur alle vier Jahre Fußball-Weltmeisterschaften stattfinden. Dann ist das Suchtpotential nicht so groß. Präventiv könnte man natürlich auch nur alle sechs Jahre eine Weltmeisterschaft ausrichten.

http://www.spielen-mit-verantwortung.de

Kreuzberg ist Sieger, sagt Google

Ihr wollt alle nach Kreuzberg ziehen, oder? Gebt es zu, Google hat Euch erwischt! Nachdem die Suchmaschine erfolgreich den Sieg von Lena Meyer-Landrut beim Eurovision Song Contest vorausgesagt hat, frage ich mich, was die Datenkrake uns über die Beliebtheit der Berliner Bezirke sagen kann. Einiges.

Kreuzberg ist Sieger im Bezirksvergleich und hat sich in den vergangenen Monaten noch weiter vor Neukölln gekämpft, das im März kurzzeitig die Führung im Ranking übernahm. Das mag mit dem Lebensgefühl im Graefe-Kiez zu tun haben, der Kneipenlandschaft von SO 36 oder den Partys auf der Admiralbrücke.

Alle Bohemiens, Studenten und ärmere Wohnungssuchende, die sich dagegen Neukölln als Zufluchtsort herausgesucht haben, dürfen sich freuen: Es sieht so aus, als sei der Bezirk auf dem absteigenden Ast. Die Mietpreise dürften erschwinglich bleiben, wenn sich der Trend fortsetzt. Außer in Kreuzkölln, dort schlägt der Hipfaktor des Nachbarbezirks erbarmungslos durch.

Prenzlauer Berg ist abgefrühstückt

Ohne jede Dynamik zeigt sich Prenzlauer Berg auf dem letzten Rang. Der Bezirk ist längst durch gentrifiziert. Wer hierher zieht, sucht das Familienglück im perfekt sanierten Altbau. Wer Lärm macht, stört. Mit anderen Worten: Langweilig, hier geben sich nur noch die immer gleichen Zugezogenen die Klinke in die Hand.

Aufsteiger der vergangenen Monate ist Charlottenburg. Anscheinend hat der Westbezirk die Schließung des Bahnhofs Zoo für den Fernverkehr überwunden und auch die Ku’damm-Bühnen werden wohl überleben.

Fazit: Alles Unsinn?

Totaler Quatsch, werden einige Leser behaupten. Die Anzahl bestimmter Suchanfragen lässt sich anders deuten, außerdem wird bei Kreuzberg ein gleichnamiger Berg in Bayern mitgezählt. Recht haben sie, doch eines ist auch wahr: Wer Bezirke bei Google eintippt, landet leicht auf Immobilienseiten. Und von dort aus ist es ein Klacks bis zum Umzug.

Google hat übrigens auch gesehen, dass rund um den 1. Mai wegen der erwarteten Randale und der Nazi-Demo besonders viel über X- und P’berg berichtet wurde (siehe untere Skala, News Reference Volume).

Wer das Tool selbst ausprobieren möchte, hier ist der Link. Die Bezirke lassen sich in der Suchzeile anpassen. Sinnlos ist allerdings die Suche nach “Mitte”.

Streetart auf Türkisch

Bronco klebt seit Jahren Plakate mit mehr oder weniger tiefsinnigen Sprüchen in Berlin. “Ich komm in das Staunen gar nicht mehr rein” ist unter einer S-Bahnbrücke in Mitte zu lesen. “Michael Jackson ist auch nicht mehr das, was es mal war!”, heißt es an einem baufälligen Haus am S-Bahnhof Ostkreuz.

Nun überrascht der nachdenkliche Schablonenkünstler mit einem türkischen Spruch: “Cheese-bürgerine tüküren genc benim annemle cikiyor” hat er an eine Wand in der Skalitzer Straße geschrieben.

Ich habe Sevinc gebeten, das zu übersetzen. “Der auf einen Cheeseburger spuckender junger Mann geht mit meiner Mutter”, heiße das wörtlich. Sevinc, die fließend Türkisch spricht und in Neukölln lebt, wurde ähnlich schlau daraus, wie wahrscheinlich Angelsachsen aus einer Denglisch-Rede von Guido Westerwelle – nämlich gar nicht.

Aber wer wäre Bronco, wenn er nicht versuchen würde, seine Botschaft allen Besuchern und Bewohnern Berlins zu erklären – dieses Mal auf Englisch und sinnigerweise neben einem Burgerbrater geklebt.

Weitere Bronco-Motive.

Bildergalerie: Berliner Streetart

Neue Kommentare

  • Thomas Feirer: echt coole Bilder …
  • Anonymous: achso hier meine email adresse zero88-denis@web.de
  • Anonymous: echt bei dir geht das noch? zu silvester wollen paar leute und ich schön gemütlich auf ein dach feiern ist...
  • Aileen: Ich hab mal ne frage: wo genau ist der Markt und hat der auch sonntags auf? lg
  • Ilse Fuehrhoff: Es gibt in Berlin tatsächlich noch sehr viele, eigentlich ungeahnt viele Hausfassaden oder auch...

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