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Archiv für das 'Reuterkiez'-tag

Street Style: Liberale Fönwelle in Neukölln

Friseursalon Weserwelle in der Weserstraße in Neukölln - Foto: Anne Onken

Was macht der Neuköllner in diesen Tagen? Auf einem Spaziergang durch den Reuterkiez wird er vielleicht vor diesem Haarsalon in der Weserstraße inne halten – und sich erinnern, dass er in einer Weltstadt lebt. In weniger als sechs Kilometern Luftlinie werden internationale Gäste empfangen, nimmt der neue Außenminister Englischunterricht. Und die Kanzlerin lässt Starfriseur Udo Waltz kommen.

Grund genug, sich selbst mal wieder einem Haarexperten anzuvertrauen? Die schleichende Winterdepression noch ein wenig hinauszuzögern dank neuem Großstadtlook? Bei der Freundin einer Freundin ging das Ganze nach hinten los. Ein Besuch bei einem “Haarstylisten”  im Reuterkiez löste bei ihr eine mittelschwere Depression aus. Besagter Haarkünstler war in Wirklichkeit gar kein Friseur und verpasste ihr ratzfatz ohne Vorwarnung einen Pony. Wo Ponys doch langsam aus der Mode kommen.

Ob man im Salon “Weserwelle” am Ende gar unter einer Trockenhaube landet und mit einer Fönwelle wieder aufwacht? Möglich wär’s. Gerade bei kleineren Läden empfiehlt sich ja eine Spezialisierung.  Das wäre echt cool – lauter Guidos im wilden Reuterkiez. Also, rennt zahlreich in die Weserstraße!

Vernissage Minisprech: Amy Winehouse in Neukölln

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Lidl späht seine Mitarbeiter aus, die französisch-kolumbianische Politikerin Ingrid Betancourt kommt nach sechs Jahren Geiselhaft frei und Amy Winehouse trennt sich von ihrem Mann Blake. Lehman Brothers geht pleite. Sabrina Tibourtine hat diese und viele weitere Ereignisse des Jahres 2008 gesammelt. Für ihr Projekt Minisprech hatte sie Künstler gebeten, Schlagzeilen auf Postkarten zu illustrieren – tagesaktuell und fast ohne Worte. In Internet-Foren und in ihrem Freundeskreis trommelte die freiberufliche Illustratorin für ihr Nachrichten-Projekt.

_mg_4605 Knapp 70 Künstler und Illustratoren fanden die Idee toll und haben ihre Beiträge per Post an Tibourtine geschickt. An manchen Tagen zog sie mehrere illustrierte Postkarten aus dem Briefkasten, einige Künstler beteiligten sich monatlich. So kamen über 190 Einsendungen zusammen.

Amy Winehouse - Foto: Anne Onken“Spannend war, dass auch Nichtkünstler mitgemacht haben”, sagt Sabrina Tibourtine. Die jüngste Teilnehmerin, ein dreijähriges Mädchen, habe die Rettung einer Frau vor einem Krokodil gemalt.

Die Vernissage ist noch bis zum 2. November in der Musenstube in Neukölln zu sehen, die Illustration können bis 11. November über die Webseite von Minisprech ersteigert werden. Die  Hälfte des Erlöses wird an Ärzte ohne Grenzen gespendet.

Auktion der Illustrationen über www.minisprech.de

Vernissage Minisprech, Musenstube, Tellstraße  2, Berlin-Neukölln

Neukölln ist ok. Aber kann man dort hinziehen?

Ich weiß nicht, zu welchem Schluss der Leser gekommen ist, der zufällig über die Google-Schlagwortsuche  “Kann man da hinziehen Neukölln” auf diesem Weblog gelandet ist und über 20 Seiten aufgerufen hat. Aber um es kurz zu machen – man kann in einigen Ecken ganz gut wohnen.

Vor zwei drei Jahren hätten die meisten wahrscheinlich noch vehement widersprochen. Neukölln galt für viele als Verlegenheitslösung, die in Kreuzberg keine Wohnung finden konnten. Mittlerweile gibt es aber – sehr zur Freude der Immobilienmakler – einen regelrechten Kreuzkölln-Hype. Es scheint aufwärts zu gehen mit dem Neuköllner Norden, was man vom Rest des Bezirks nicht gerade behaupten kann.

So überrascht es nicht, dass die ersten Gentrifizierungs-Skeptiker orakeln, die schleichende “Yuppiesierung” des Reuterkiezes stehe kurz bevor. Das Interessante dabei: Verantwortlich dafür machen die selbsternannten Sprecher des prekären Neuköllns “Latte Macchiato schlürfende Designerinnen aus der Schlesischen Straße in Kreuzberg.” Die schielten bereits nach Nord-Neukölln, um dort Boutiquen zu eröffnen.

Bei aller Paranoia: Akademiker-Familien mit Schulkindern werden so schnell nicht nach Neukölln ziehen. Zu desolat klingen die Meldungen über die Zustände an Neuköllner Schulen und über abgehängte Schüler, die kaum etwas zu erwarten haben. Aber vielleicht entwickelt sich der Nord-Neukölln ja zu einer neuen Hochburg für Singles mit hohen Ansprüchen, die lieber auf 80 Quadratmetern wohnen als zum gleichen Preis in Prenzlauer Berg auf 60 Quadratmetern. Nette Kneipen gibt es ja inzwischen genug und Leute, die sich mit dem Kiez identifizieren auch.

Foto: chaosinjune

Stadtplanung 2.0: Studis als Gentrifizierer

Ein Modell für Neukölln? Die Stadt Hamburg lockt Studenten gezielt mit subventionierten Mieten in einen “Problemstadtteil”, in dem überwiegend Hartz IV-Empfänger, Ausländer und Leute mit Migrationshintergrund leben. 178 Euro kostet ein gefördertes WG-Zimmer bei einer städtischen Wohnungsbaugenossenschaft auf der Veddel, Gentrifizierung von oben sozusagen – die Jungakademiker sollen den Stadtteil lebenswerter machen.

Wo Leerstand herrscht, will niemand wohnen, die Mietpreise fallen. Und es wird trauriger für die “Abgehängten”, die nirgendwo anders hinziehen können, so die Logik. Die Neuköllner Zwischennutzungsagentur hat gezeigt, dass leerstehende Räume temporär sehr sinnvoll an Gründer mit kleinem Geldbeutel vermittelt werden können. Der Reuterkiez, Neuköllns neues “In-Viertel” an der Grenze zu Kreuzberg, hat seinen Aufschwung wahrscheinlich nicht zuletzt dieser Initiative zu verdanken. Studenten kamen von selbst, sie sollen inzwischen sogar aus Friedrichshain an den Landwehrkanal ziehen.

Aber zum Neuköllner Westen. Oberhalb des Hermannplatzes sieht es ganz anders aus, Kneipen heißen dort Herrfurth- Eck, Pinte II, Bierbaum 3. Würde der Senat im Schillerkiez WG-Zimmer subventionieren, müssten die Mieten für Studenten noch deutlich unter dem Hamburger Preis liegen – für 200-240 Euro kann man dort aktuell nämlich schon sehr günstig wohnen. Nur fühlen sich die wenigsten Neu-Berliner wohl, kaum einer hat Lust, dort dauerhaft Sozialstudien zu betreiben. Auch mit Blick auf die Bewohner, denen es am nötigsten fehlt – nämlich an Perspektiven – scheint ein solches Projekt mehr als fragwürdig. Ohne Bauchschmerzen könnten sich Besserverdienende von morgen jedenfalls nicht vom Senat sponsern lassen…

Entmietet wegen Rütli, irgendwie ironisch

Wieder einmal sorgt die Rütli-Schule unfreiwillig für Negativschlagzeilen, dabei klingen die Pläne für den neuen “Campus Rütli” durchaus verheißungsvoll. Wie jetzt bekannt wurde, müssen nicht nur die Kleingärtner der benachbarten Kolonie “Hand in Hand” ihre Zelte abbrechen, sondern auch die Beschäftigten eines benachbarten Gewerbehofes. Das Bezirksamt von Neukölln soll den Betreibern mehrerer Autowerkstätten, einer Lackiererei und einem Rohstoffhändler wegen Eigenbedarf vorzeitig gekündigt haben.

Der Grund: Für den Aufbau des “Campus Rütli” werden die angrenzenden Flächen dringend gebraucht. Das Konzept sieht ein Zusammengehen der Rütli-Schule mit der benachbarten Realschule als Gemeinschaftsschule vor, zudem soll ein umfassendes Betreuungsangebot geschaffen werden. Eine Kita, ein Jugendclub, Sport- und Freizeitstätten, Werkstätten und Beratungsstellen werden alle in unmittelbarer Nähe zur Schule entstehen, rund 1400 Kinder und Jugendliche sollen hier unterrichtet und ganztägig betreut werden. So ist eine neue Grundschule auf dem Gelände der Schrebergartensiedlung offenbar beschlossene Sache, und dort, wo bis vor kurzem noch Autos repariert wurden, wird bald eine neue Quartiershalle stehen.

Gut für die Schüler? Sicherlich, nur hätte eine Einbindung der Gewerbetreibenden den Rütlianern wahrscheinlich noch mehr genutzt. Schüler hätten von einer Kooperation profitieren können – als Praktikanten und Auszubildende. In der neuen Quartiershalle dürften sich die Entmieteten wohl kaum blicken lassen.

Vergesst “Kreuzkölln”

Insekteum, Pflügerstraße - Foto: Anne Grieger

Gallerie Klötze und Schinken, Bürknerstraße - Foto: Anne Grieger

Kunstbegriffe haben oft etwas Temporäres, so wohl auch die Wortschöpfung “Kreuzkölln”, mit der im letzten Jahr der Neuköllner Norden gehypt wurde. Viele Bewohner des neuen “In-Kiezes” sind es inzwischen leid, als 1b-Kreuzberg gehandelt zu werden, als möchte-gern-Kreuzberg mit günstigerem Wohnraum. Sind die (Neu-)Neuköllner also mittlerweile angekommen in dem alten West-Bezirk mit dubiosem Ruf?

Philip Steffan, Blogger und selbsternannter Chronist des Reuterkiezes, stieß sich als Zugezogener weniger an dem Begriff “Kreuzkölln”. Nicht nur die Medien hatten sich diesen zueigen gemacht, auch Immobilienmakler betrachteten ihn als Faustpfand für eine effektivere Vermarktung ihrer Objekte. Mit der Umbenennung seines Weblogs “Kreuzkölln alias Reuterkiez” in Reuterkiez-Blog hat Steffan nun auf die Kritik vieler (Neu-) Neuköllner reagiert, die ein offenes Bekenntnis zu ihrem Stadtteil fordern. Sie lebten schließlich “freiwillig” dort.

Das ist insofern interessant, als als gängige Ausrede vieler Neu-Neuköllner häufig die niedrigen Mietpreise herhalten müssen. Auf die Frage “Wo wo wohnst du?”, die in Berlin laut FAZ zwingender als anderswo mit der Identität der befragten Person in Verbindung gebracht wird, antworten nun viele zunehmend offensiver: “In Neukölln.”

Aber bitte in Ufernähe…

Da Mietpreise in Prenzlauer Berg und Kreuzberg als kaum mehr erschwinglich gelten, scheint der Neuköllner Norden eine bislang ungekannte Sogwirkung zu entfalten. In den Reuterkiez zu ziehen, ist im Februar 2008 gar nicht so einfach. In keiner der Internet-Suchmaschinen für Immobilien findet man aktuell ein passables Angebot für eine 2-Zimmer-Mietwohnung bis 600 warm in einer der begehrteren Neuköllner Straßen (Friedel-, Lenau-, Sander-, Bürkner-, Hobrecht-).

So versuchen immer mehr Leute, über Freunde und Bekannte eine Bleibe zu finden: Die Mail des Freundes einer Freundin, der eine Mail von Bekannten weiterleitete liest so: ” Vielleicht wisst ihr ja eine schöne Wohnung für Birthe und Oli in Ufernähe. Die freuen sich über eure Angebote. Danke für die Aufmerksamkeit und sorry, falls ihr sowas als Spam empfindet.”

Ob Birthe und Oli auf die Schnelle fündig werden – schwer zu sagen. Wahrscheinlich müssen sie auf angrenzende Straßen ausweichen. Erste Anzeichen dafür, dass die zwangsläufig populärer werden, gibt es bereits.

Neue Kommentare

  • Thomas Feirer: echt coole Bilder …
  • Anonymous: achso hier meine email adresse zero88-denis@web.de
  • Anonymous: echt bei dir geht das noch? zu silvester wollen paar leute und ich schön gemütlich auf ein dach feiern ist...
  • Aileen: Ich hab mal ne frage: wo genau ist der Markt und hat der auch sonntags auf? lg
  • Ilse Fuehrhoff: Es gibt in Berlin tatsächlich noch sehr viele, eigentlich ungeahnt viele Hausfassaden oder auch...

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