Die alte Dame hielt sich mit beiden Händen an Sträuchern fest. In Hauskleid und Strickjäckchen stand sie auf einem Bürgersteig in Buckow und sank fast in sich zusammen. Sven konnte ihr gerade noch unter die Arme greifen – sie war nicht mehr in der Lage auch nur drei Schritte zu gehen.
“Ist sie tot?”, fragte die Feuerwehr als erstes, nachdem Sven mühsam mit einer Hand das Telefon aus der Tasche gekramt und den Notruf gewählt hatte.
Mit der anderen hielt er die alte Frau. Beinahe hätte Sven das Gespräch abgebrochen, denn der Mann von der Rettungsstelle verlor sich in immer detaillierteren Fragen zu ihrem Bewusstseinszustand. Warum schickte er nicht einfach einen Wagen? Die Alte musterte Sven misstrauisch und umklammerte ihre Handtasche. Sie begriff offenbar nicht ganz, dass ihr jemand helfen wollte. Der Rettungswagen kam dann aber schnell.
Keine Ruhezonen auf dem Bürgersteig
In der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain ist mir vor einiger Zeit etwas Ähnliches passiert. Ich war mit dem Fahrrad unterwegs als ich leise Schreie hörte. Eine weißhaarige Frau auf dem Gehsteig war gestürzt. Sie lag auf dem Rücken und ruderte mit Armen und Beinen fast wie ein hilfloser Käfer. Mit einem Ruck stellte ich sie wieder auf die Füße und wunderte mich über ihre Leichtigkeit. Sie wäre prompt wieder gefallen, weil sie sich sofort nach ihrer Tasche bücken wollte.
Die Frau war in der Apotheke gewesen und wies auf einen der hohen Plattenbauten als ihr Zuhause. In dieser Gegend, die manche verächtlich “Stasi-Rentner-Kiez” nennen, gibt es einen Supermarkt mit Lupen an Einkaufswagen. Bürgersteige mit Ruhezonen für die Generation 70 plus sind aber nicht in der Planung.
Zu eitel für den Rollator
Eine Frau aus der Nachbarschaft versprach schließlich, die Rentnerin zu ihrer Wohnung zu bringen. Sie wollte mich kaum wieder loslassen. In ihren Augen hinter der Brille mit dem Goldrand eine Mischung aus Angst und Dankbarkeit.
Warum stützen sich Menschen wie sie nicht auf einen Gehwagen? Oder nehmen zumindest einen Stock mit? “Mein Mann ist zu stolz, sich auch nur auf einen Regenschirm zu stützen”, sagte mir die Ehefrau eines 79-Jährigen. Am Stock oder mit dem Rollator durch die Straßen zu gehen, kann der Eitelkeit zusetzen.
Die Modebranche könnte es älteren Menschen leichter machen, ihre Gebrechlichkeit zu akzeptieren. Models, die Mini-Schweine ausführen oder sich leere Cola-Dosen in die Haare drehen, könnten auch mal einen Rollator über den Laufsteg schieben. Eine Mission für Lady Gaga, die gerade graue Haare zum Trend gemacht hat.
Die Hersteller von Gehwagen könnten was tun: wie wäre es mit einer “Keith Haring”-Edition voller bunter Strichfiguren?
wieso sollte die mode der Gebrechlichkeit frönen? Es ist eine Krankheit unserer Zeit,das wir nicht akzeptieren können,nicht immer an allem teilhaben zu können.IN der Jugend brüllt man dann :trau keinem über 30 und rümpft bei Rentnern die Nase und alsalter Mensch will man dann vom Jugendwahn nichts mehr wissen und brüllt nach Mehrgenerationenhäusern.
Es wäre falsch vom gängigen Mode- und Schönheitsideal abzugehen,denn selbst Herr oder Frau Gebrechlich hat diesem ein Leben lang gehuldigt.
also Ruhebänke an den Strassen finde ich auch begrüssenswert,
allerdings finde ich die pauschalisierte Erklärung der Eitelkeit als Grund für die mangelnde Rolatordurchdringung bei den Senioren, als Fehlurteil.
Ich sehe bei mir und meinen Altersgenossen eher den Wunsch solange wie möglich von Hilfmitteln unabhängig zu sein,
denn eins doch klar: Wenn man sich erstmal an den Gehwagen gewöhnt hat kommt man nicht mehr von ihm los, wer rastet der rostet.
Bei einigen geht vielleicht wirklich nur um die Eitelkeit,
das wichtigste bleibt aber die Unbahängigkeit.
Gruß Peter-Misas E.
Ich hoffe dass, bis ich einen Rollator brauchen werde, sich endlich mal der eine oder andere Designer dieser Teile angenommen hat.
So, wie die jetzt aussehen, würde ich auch lieber zusammenbrechen, als einen zu gebrauchen.
Tsja, was wir in unserem jugendlichen Wahn vergessen, was ich aber sehr gut weiß, da meinen Mutter einen Rollator in Bedienung hatte: erst mal muss die Kasse den finanzieren!
Die Dinger, die es ab und zu beim Discounter für wenig Geld gibt, sind nämlich ziemlicher Schrott und ungefähr vergleichbar mit den € 5,– Regenschirmen von dem Drogeriediscounter, die man schnell mal in der Verzweiflung eines massiven Regengusses kauft. Sich einen Rollator unter Euro 250,– zu kaufen, kann man sich eigentlich sparen. Welcher Rentner hat heute mal eben soviel Geld auf der Kante?
Dann: die Dinger muss man auch bedienen können. Sie sind in einer gewissen Weise ja auch sperrig, damit kommt ein bewegungseingeschränkter Mensch eben auch nicht immer klar. (An hohe Bordsteine z.B. denken). Rollatoren müssen – weil sie gerne geklaut werden – angeschlossen werden. Wer von den alten Menschen kann denn noch so rumturnen, um seinen Rollator irgendwo mit sich Bücken müssen etc. fest schließen zu können? Das ist für Senioren oft ein Problem. Im Hausflur unangeschlossen, werden sie gestohlen. Der Senior bekommt den Rollator aber nicht mal eben die Treppe hoch oder in den Keller gestellt.
Der Rollator zwingt den Gehbehinderten oft Umwege zu machen, wo man ohne Rollator direkter ans Ziel käme. Umwege machen, bedeutet für Gehbehinderte oft Schmerz. Kurz: so ein Rollator macht nicht alles wieder schön bunt und einfach. ,-(
Rollatoren gehen unter häufigem Gebrauch auch gerne kaputt, werden übrigens gerne im Stadtbild auch mal zerstört oder beschädigt. Nicht immer hat man gleich Ersatz parat. Und ja: manchmal muss man eben auch erst stürzen, um zu begreifen, dass man so ein Gerät braucht.
Auch das Funktionale ist natürlich ein Design-Problem. Für Rauf-Runter, An- und Abschliessen etc. muss es bessere als die vorhandenen Möglichkeiten geben.
Vielleicht sollte mal jemand einen Designerpreis ausloben (falls nicht schon geschehen).
Auf lange Sicht mach ich mir um den Peis keine Sorgen: Die Nachfrage wird steigen, einmal sowieso und besonders, wenn endlich mal ein schickes, funktionales Teil auf dem Markt kommt.
Da gibt es imho [i]erhebliche[/i] Verbesserungsmöglichkeiten.
Leute, so einfach ist das mit den Rollatoren nicht. Das ist weit mehr als ein Eitelkeitsproblem.
Meine Oma hätte so ein Teil gerne benutzt, ihre Wege waren aber mit so vielen Barrieren ausgestattet (wer kaum gehen kann, kann auch keinen Rollator auf hohe Bordsteine heben), dass es keinen Sinn gemacht hätte. Und ein Stock hat ihr nicht wirklich geholfen. Sie hatte einen Pflegedienst, der viele Gänge für sie erledigt hat und eine rüstige Freundin, mit der sie durch die Gegend gegangen ist. Aber die Leute, die allein sind oder keine Kohle für einen Pflegedienst haben, haben halt einfach Pech gehabt.
Rollatoren.
Das Geld dürfte kaum der Grund sein.
Erstens übernimmt das Ding bei Notwendigkeit ganz oder zumindest zum Teil die Kasse.
Zweitens: Der deutsche Durchschnittsrentner hat statistisch gesehen 1.000 bis 1.500 Euro (je nach Gebiet/Arbeitdauer…) pro Monat Rente.
Selbst wenn die Dinger nicht von der Kasse übernommen würden (weil die nur “normalen” Standard zahlen) müsste das doch von den Leuten gut selbst getragen werden können.
Gerade die Rentner sind doch am Finanzstärksten im Land. Die haben kaum Ausgaben und brauchen nicht mehr vorsorgen.
Selbst wenn eine Frau nie gearbeitet hat (Hausfrau) bekommt die noch mindestens den H4 Satz zzgl. Miete.
Also Geld ist kein Argument.
Ab und zu einen (kostenlosen) Sitzplatz in der Stadt, wäre auch für rüstige Stadtwanderer prima. Wenn einem die Füße weh tun,
muss man immer in ein Cafe…
Die Generation “70 minus” ist dafür eben zu stolz, eine Brille zu tragen, wobei sich das momentan auf dem Weg der Besserung zu befinden scheint. So ein Stolz ist überall, nur leider hat für die Alten eben nahezu alles gefährlichere Konsequenzen.