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Archiv für das 'Neukölln'-tag

Türkische Männer laden Sarrazin nach Neukölln ein

Mevlüt sitzt im Knast, als er von der Selbsthilfegruppe türkischstämmiger Männer erfährt. Im Fernsehen sieht er ein Interview mit dem Psychologen und Initiator der Gruppe, Kazim Erdogan. Das Gesicht hat er nicht vergessen. Am Tag seiner Entlassung läuft Mevlüt auf der Karl-Marx-Allee prompt in Erdogan hinein. “Ich glaube, Sie könnten meine Hilfe brauchen, Herr Erdogan”, ruft der damals 41-Jährige.  Am Montag darauf taucht er zum ersten Mal bei der Neuköllner “Vätergruppe” auf – und verpasst seitdem kaum ein Treffen.

Seit 2007 kommen die Männer in Neukölln zusammen. Nun haben sie den Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin eingeladen, sich selbst ein Bild von ihrer Lebenssituation in Neukölln zu machen. Sarrazins Buch “Deutschland schafft sich ab” sei verletzend gewesen, sagt Erdogan. “Ich weiß nicht, was ihn da getrieben hat.” Bedauerlich sei aber auch, dass ihm viele Deutsche Recht gäben.

Erdogan will den Männern, die seine Gruppe besuchen, Mut machen. Da gibt es Ältere wie Süleyman. Er kam vor 38 Jahren nach Deutschland und spricht nur gebrochen Deutsch. “Wir haben nur gearbeitet. Ich schäme mich echt, aber wir hatten keine Zeit, Deutsch zu lernen.” Damals gab es keine Sprachkurse, es war nicht einmal klar, wie lange er bleiben würde.

Vielen bleibt nur die Moschee oder das Männercafé

Viele Gruppenmitglieder haben Trennungen hinter sich, andere sind bei der Erziehung ihrer Kinder überfordert. Auch Gewalt in Familien sei ein Thema. Es gebe zu wenige Gesprächsangebote für türkische Männer, sagt Erdogan. “Es ist für sie die schlimmste Strafe, von ihrer Frau verlassen zu werden.” Gerade arrangierte Ehen scheiterten oft. Auch bei Arbeitslosigkeit geriete das klassische Bild des Familienernährers ins Wanken – für viele ein Desaster.  Ohne die Gruppe bliebe den Männern die Moschee oder das Männercafé, sagt Erdogan.

Ayden erinnert sich ungern daran, wie es war, die Sprache nicht zu sprechen. Seine Eltern holten ihn nach Deutschland, als er sieben war. In der Schule wurde er Tarzan genannt, weil er kein Deutsch konnte. Sein Sohn kriegt nun Klavier- und Gitarrenunterricht. Kleine Erfolgsgeschichten, die auch auf die Männergruppe zurückzuführen sind.

“Würde sich Herr Sarrazin zwei drei Geschichten von Betroffenen anhören, würde er ein anderes Buch schreiben.” Die Gruppe will mit Sarrazin Kitas und Schulen in Neukölln besuchen. Auch Sarrazin dürfte davon profitieren. So könnte er sich endlich mit den Menschen austauschen, über die er unbekannterweise geschrieben hat.

Hier sind die Sozis auf den Hund gekommen

Was einige Bewohner des Neuköllner Schillerkiezes von dem Bürgerbüro der SPD am Herrfurthplatz halten, hat jemand auf die Rollläden geschrieben:  Krieg und Armut = SPD. Der Bezirksvorsitzende Fritz Felgentreu wird darüber hinwegsehen, wenn er hier wöchentlich Flagge zeigt und die Rollläden hoch zieht. Ein Bezirkspolitiker muss sich die Sorgen und Nöte seiner Wähler anhören.

Doch was in Nord-Neukölln über die Genossen gedacht wird, kann weder der SPD-Bürgermeister Buschkowsky noch der Senat entscheidend beeinflussen. 40 Prozent der Schillerpromenaden-Bewohner leben ganz oder zum Teil von der Stütze, jeder Zweite hat einen Migrationshintergrund. Eine “Task Force” aus Sozialarbeitern soll “Trinkergruppen” die Straße streitig machen. Kein Wunder also, wenn Anwohner ihre Lage auch mit der Arbeitsmarktreform vor fünf Jahren in Verbindung bringen.

Große Politik lagert sich an manchen Orten wie in Schichten ab, das sieht man auch hier. “Hartz IV” geht um. Was als “Fördern und Fordern” angelegt war, kam bei vielen als Endstation Absturz an. Und die Furcht davor trifft längst auch Menschen in nicht-prekären Arbeitsverhältnissen.

Die Hartz-IV-Keule hat die SPD heimatlos gemacht. So wie vor 30 Jahren Helmut Schmidt den Nato-Doppelbeschluss durchdrückte und die Friedensbewegung wachsen ließ, haben Schröders Kanzlerjahre die Partei zerrieben und anderen das Feld überlassen. Wenn die Truppe um Sigmar Gabriel wieder nach oben will, muss sie unten ansetzen.

Ämterchaos: So wehren sich Berlin-Besucher gegen die Umweltzone

Viele fluchen über das Ordnungsamt, andere schreiben nette Briefe. Hier eine Nachricht, die hinter der Windschutzscheibe dieser formidablen Ente am Neuköllner Maybachufer hing.

Liebes Ordnungsamt,

ich bin hier nur zu Besuch und dieses Auto ist 35  Jahre alt. Es ist ein Old-Timer und sie sollte normalerweise eine Ausnahmegenehmigung bekommen, aber das einzige Problem ist das sie Kennzeichen kommen aus Ausland. Ich war mehreren Mal in Zulassungsstelle, mehreren Mal bei dem Bezirksamt, und niemand weiss wie kann ich machen mit ein ausländisch Kennzeichen.

Der Eigentümer.

Street Style: Liberale Fönwelle in Neukölln

Friseursalon Weserwelle in der Weserstraße in Neukölln - Foto: Anne Onken

Was macht der Neuköllner in diesen Tagen? Auf einem Spaziergang durch den Reuterkiez wird er vielleicht vor diesem Haarsalon in der Weserstraße inne halten – und sich erinnern, dass er in einer Weltstadt lebt. In weniger als sechs Kilometern Luftlinie werden internationale Gäste empfangen, nimmt der neue Außenminister Englischunterricht. Und die Kanzlerin lässt Starfriseur Udo Waltz kommen.

Grund genug, sich selbst mal wieder einem Haarexperten anzuvertrauen? Die schleichende Winterdepression noch ein wenig hinauszuzögern dank neuem Großstadtlook? Bei der Freundin einer Freundin ging das Ganze nach hinten los. Ein Besuch bei einem “Haarstylisten”  im Reuterkiez löste bei ihr eine mittelschwere Depression aus. Besagter Haarkünstler war in Wirklichkeit gar kein Friseur und verpasste ihr ratzfatz ohne Vorwarnung einen Pony. Wo Ponys doch langsam aus der Mode kommen.

Ob man im Salon “Weserwelle” am Ende gar unter einer Trockenhaube landet und mit einer Fönwelle wieder aufwacht? Möglich wär’s. Gerade bei kleineren Läden empfiehlt sich ja eine Spezialisierung.  Das wäre echt cool – lauter Guidos im wilden Reuterkiez. Also, rennt zahlreich in die Weserstraße!

Vernissage Minisprech: Amy Winehouse in Neukölln

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Lidl späht seine Mitarbeiter aus, die französisch-kolumbianische Politikerin Ingrid Betancourt kommt nach sechs Jahren Geiselhaft frei und Amy Winehouse trennt sich von ihrem Mann Blake. Lehman Brothers geht pleite. Sabrina Tibourtine hat diese und viele weitere Ereignisse des Jahres 2008 gesammelt. Für ihr Projekt Minisprech hatte sie Künstler gebeten, Schlagzeilen auf Postkarten zu illustrieren – tagesaktuell und fast ohne Worte. In Internet-Foren und in ihrem Freundeskreis trommelte die freiberufliche Illustratorin für ihr Nachrichten-Projekt.

_mg_4605 Knapp 70 Künstler und Illustratoren fanden die Idee toll und haben ihre Beiträge per Post an Tibourtine geschickt. An manchen Tagen zog sie mehrere illustrierte Postkarten aus dem Briefkasten, einige Künstler beteiligten sich monatlich. So kamen über 190 Einsendungen zusammen.

Amy Winehouse - Foto: Anne Onken“Spannend war, dass auch Nichtkünstler mitgemacht haben”, sagt Sabrina Tibourtine. Die jüngste Teilnehmerin, ein dreijähriges Mädchen, habe die Rettung einer Frau vor einem Krokodil gemalt.

Die Vernissage ist noch bis zum 2. November in der Musenstube in Neukölln zu sehen, die Illustration können bis 11. November über die Webseite von Minisprech ersteigert werden. Die  Hälfte des Erlöses wird an Ärzte ohne Grenzen gespendet.

Auktion der Illustrationen über www.minisprech.de

Vernissage Minisprech, Musenstube, Tellstraße  2, Berlin-Neukölln

Annette will in den Bundestag

Annette will in den Bundestag - Foto: Anne OnkenAnnette Köhn steht vor ihrem Atelier, der Musenstube, und malt mit Wasserfarben die letzten Plakate für die Bundestagswahl am 27. September aus: 150 hat die unabhängige Direktkandidatin aus dem Reuterkiez schon mit ihren Mitstreitern ausgemalt und aufgehängt -  alles Illustrationen von befreundeten Grafikern und Künstlern, die die 33-jährige Frau mit schwarzer Kastenbrille zeigen. “Erststimme Annette: Für MeinGeld – Bedingungsloses Grundeinkommen” steht auf einem, “Für Erhalt und Erschaffung kreativer Räume!” auf einem anderen.

“Ich konnte mir nicht vorstellen, mit meinem Foto hier überall im Kiez zu hängen”, sagt sie und deutet auf ein Portrait von Yusuf Bayrak, einem anderem parteilosen Neuköllner Direktkandidaten. Von Leuten auf der Straße erkannt zu werden – das wäre ihr doch nicht so recht.

Dabei dürfte die Freiberuflerin, die seit drei Jahren gemeinsam mit vier Mitstreiterinnen die Musenstube – eine Mischung aus Büro, Atelier und derzeit Wahlkampfzentrale – betreibt, im Kiez inzwischen bekannt sein. Immer wieder fanden Ausstellungen und Konzerte in der Musenstube statt, Annette hat mit Schülern der benachbarten Rütli-Schule einen Flyer zur Selbstdarstellung der Schule entworfen.

Wohl wegen ihrer Kiez-Prominenz könnte auch die Bergpartei auf Annette aufmerksam geworden sein: Sie hatte Annette einen Listenplatz in Neukölln angeboten – was diese zunächst entschieden abgelehnt hatte. Das Manifest der Partei von Berliner Kulturaktivisten überzeugte sie dann aber doch. Da die Bergartei nicht zur Bundeswahl zugelassen wurde, weil der Bundeswahlleiter Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Partei hatte, kandidiert Annette nun als eine von 23 unabhängigen Direktkandidatin in Berlin:   “Zu Ehren der Bergpartei”, wie sie in ihrem Weblog schreibt.

“Ich will mit meiner Kandidatur alle ansprechen”,  sagt Annette, “auch wenn die Kreativen natürlich meine Zielgruppe sind.”  In Neukölln, wo jeder vierte arbeitslos ist, könnte die Idee des unabhängigen Grundeinkommens einige Anhänger finden.  Sie selbst arbeite auch einen Teil ihrer Zeit unentgeltlich, erzählt Annette. Auch ihr Wahlkampf ist ein Low-Budget-Projekt, sie hat gerade einmal 250 Euro ausgegeben – die Arbeitszeit einmal nicht eingerechnet.

Neue Kommentare

  • Thomas Feirer: echt coole Bilder …
  • Anonymous: achso hier meine email adresse zero88-denis@web.de
  • Anonymous: echt bei dir geht das noch? zu silvester wollen paar leute und ich schön gemütlich auf ein dach feiern ist...
  • Aileen: Ich hab mal ne frage: wo genau ist der Markt und hat der auch sonntags auf? lg
  • Ilse Fuehrhoff: Es gibt in Berlin tatsächlich noch sehr viele, eigentlich ungeahnt viele Hausfassaden oder auch...

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