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Autorenarchiv für Anne Onken

Hobby-Einbrechern bekommt Eiweiß nicht

In der Proskauer Straße gibt es diesen wunderbaren Laden, der Eiweiß in Eimern verkauft. Nun macht das Zeug wohl nicht nur satt und stark: “Diese Tür verriegelt an verschiedenen Stellen. Wie bl.. muss man sein, um dies nicht zu merken?”, schreibt der Ladenbesitzer an die “Hobby-Einbrecher”, die offensichtlich mehrfach seine Tür demoliert haben.

Auch wenn die Nachricht des Besitzers fast gutmütig klingt – potentielle Neukunden dürfte er damit abschrecken. Denn wer will schon eimerweise Eiweiß kaufen, das süchtig und dusselig macht? Ich tippe auf Beschaffungskriminalität.

Umbau der Warschauer: Eine gefährliche Piste weniger

Eitelkeit hin oder her: Ohne Helm Rad zu fahren ist in dieser Stadt kreuzgefährlich. Weil es einfach zu viele Straßen gibt, in denen Radfahrer jederzeit über Autotüren fliegen können. Zähne verlieren. Oder von LKWs geschnitten werden. Nun soll die Warschauer Straße, eine jener grässlichen Pisten, umgebaut werden.

Radler bekommen eine eigene Spur auf der Fahrbahn, der Bürgersteig soll verbreitert werden, dafür fallen die meisten Parkplätze weg. Anwohner sollen für die wenigen verbleibenden Plätze eine Vignette beantragen können, die zwei Jahre gültig ist. Für fast alle Beteiligten eine super Sache.

Glaubt man dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club, so hat sich die Situation für Radfahrer in dieser Stadt insgesamt verbessert: Mehr Berliner fahren mit dem Rad, proportional ist die Zahl der Unfälle nach der aktuellen Statistik sogar rückläufig. Auch Touris erkunden die Stadt zunehmend mit dem Fahrrad – nervig für Leute, die lieber schneller fahren und ein Ziel haben, aber ein Indiz dafür, dass vielen Radfahren in Berlin nicht mehr so gefährlich erscheint.

Einen autofreien Stadtteil, wer will den nicht?

Eine Freundin, die letztens mit dem Rad gestürzt ist, wünscht sich ein autofreies Friedrichshain. Klar sei das eine Utopie, erst mal nicht zu verwirklichen – aber langfristig. Einem anderen Freund schwebt eine City-Maut vor wie etwa in London vor. Autofahrer, die unbedingt durch die Innenstadt gurken wollen, müssten halt zahlen.  Fänd ich auch alles ganz super.

Vorläufig würde mir aber reichen, wenn mehr Radwege auf die Straße verlegt würden wie der ADFC es fordert. Und wie es jetzt auf der Warschauer Straße umgesetzt werden soll. Denn wenn ich alle Fahrradunfälle zusammenzähle, von denen mir allein im Freundeskreis berichtet wurde, kommen einige zusammen. Unfälle, die vielleicht nicht in der Statistik auftauchen, weil Radfahrer mit Prellungen und schrottreifen Fahrrädern davon kamen. Die aber trotzdem jedes Mal Stress bedeuten.

Türkische Männer laden Sarrazin nach Neukölln ein

Mevlüt sitzt im Knast, als er von der Selbsthilfegruppe türkischstämmiger Männer erfährt. Im Fernsehen sieht er ein Interview mit dem Psychologen und Initiator der Gruppe, Kazim Erdogan. Das Gesicht hat er nicht vergessen. Am Tag seiner Entlassung läuft Mevlüt auf der Karl-Marx-Allee prompt in Erdogan hinein. “Ich glaube, Sie könnten meine Hilfe brauchen, Herr Erdogan”, ruft der damals 41-Jährige.  Am Montag darauf taucht er zum ersten Mal bei der Neuköllner “Vätergruppe” auf – und verpasst seitdem kaum ein Treffen.

Seit 2007 kommen die Männer in Neukölln zusammen. Nun haben sie den Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin eingeladen, sich selbst ein Bild von ihrer Lebenssituation in Neukölln zu machen. Sarrazins Buch “Deutschland schafft sich ab” sei verletzend gewesen, sagt Erdogan. “Ich weiß nicht, was ihn da getrieben hat.” Bedauerlich sei aber auch, dass ihm viele Deutsche Recht gäben.

Erdogan will den Männern, die seine Gruppe besuchen, Mut machen. Da gibt es Ältere wie Süleyman. Er kam vor 38 Jahren nach Deutschland und spricht nur gebrochen Deutsch. “Wir haben nur gearbeitet. Ich schäme mich echt, aber wir hatten keine Zeit, Deutsch zu lernen.” Damals gab es keine Sprachkurse, es war nicht einmal klar, wie lange er bleiben würde.

Vielen bleibt nur die Moschee oder das Männercafé

Viele Gruppenmitglieder haben Trennungen hinter sich, andere sind bei der Erziehung ihrer Kinder überfordert. Auch Gewalt in Familien sei ein Thema. Es gebe zu wenige Gesprächsangebote für türkische Männer, sagt Erdogan. “Es ist für sie die schlimmste Strafe, von ihrer Frau verlassen zu werden.” Gerade arrangierte Ehen scheiterten oft. Auch bei Arbeitslosigkeit geriete das klassische Bild des Familienernährers ins Wanken – für viele ein Desaster.  Ohne die Gruppe bliebe den Männern die Moschee oder das Männercafé, sagt Erdogan.

Ayden erinnert sich ungern daran, wie es war, die Sprache nicht zu sprechen. Seine Eltern holten ihn nach Deutschland, als er sieben war. In der Schule wurde er Tarzan genannt, weil er kein Deutsch konnte. Sein Sohn kriegt nun Klavier- und Gitarrenunterricht. Kleine Erfolgsgeschichten, die auch auf die Männergruppe zurückzuführen sind.

“Würde sich Herr Sarrazin zwei drei Geschichten von Betroffenen anhören, würde er ein anderes Buch schreiben.” Die Gruppe will mit Sarrazin Kitas und Schulen in Neukölln besuchen. Auch Sarrazin dürfte davon profitieren. So könnte er sich endlich mit den Menschen austauschen, über die er unbekannterweise geschrieben hat.

Der Tod lauert in der Tonne

Brauchbares aus dem Container zu fischen, gilt in einigen Kreisen als hip. Von “Dumpster Diving” ist die Rede – Leute tauchen in die Mülltonne und bergen Schätze. Bevorzugt vor Supermärkten. Eine natürliche Reaktion auf den Überfluss im Kapitalismus. Tipps für Anfänger gibt es jede Menge im Netz. So raten Aktivisten, Container sauber zu hinterlassen, nicht den gesamten Inhalt auf dem Boden zu verteilen. Denn Supermarktmitarbeiter reagieren gereizt auf Schweinereien. Auch ein kleines Werkzeug ABC fehlt in diesen Anleitungen nicht: Leser erfahren, dass sich einige Abfallbehälter am besten mit Dreikant-Schüsseln öffnen lassen und notfalls brachial mit Bolzenschneidern.

Was für einige ein Abenteuer mit kalkulierbarem Risiko zu sein scheint, ist für viele arme Berliner längst zur Überlebensstrategie geworden. Nur warten sie nicht auf Supermarktparkplätzen, bis palettenweise Obst und Gemüse weggeworfen werden; sie huschen eher von Hinterhof zu Hinterhof, auf der Suche nach Pfandflaschen, alten Schuhe und Joghurtbechern. Manche nicken verschämt, wenn sie auf Bewohner treffen.

Dass sich Menschen bei diesem unangenehmen Job auch blaue Flecken holen, ist nur ein Nebenaspekt. Seit kurzem pappt an der Mülltonne im Hof ein Aufkleber, der vor Verletzungsgefahr warnt. Man könnte der Berliner Stadtreinigung unterstellen, auf diese Weise unliebsame Müllverwerter abschrecken zu wollen. Doch ältere Container, deren Deckel automatisch zurückschnellt, sind tatsächlich gefährlich.  So soll in Erfurt 2008 ein Kind im Müllcontainer eingeklemmt und an den Folgen seiner Verletzungen gestorben sein.

Eine Schlagzeile “Armer Berliner in Mülltonne verendet” kann niemand in dieser Stadt gebrauchen. Nicht die BSR, die eh den Ruf hat, ganze Straßen und Plätze zu vernachlässigen und auch nicht Wowereit, der im kommenden Jahr wieder gewählt werden will. Wundern würde es einen trotzdem nicht.

Fußballwetten mit Nebenwirkungen

Habe von Fußball nicht viel Ahnung, aber ich habe ihn kommen sehen, den Sieg über England. Das Wetter war einfach zu gut, die Leute in Berlin zu ausgelassen mit ihrer schwarz-rot-goldenen Kriegsbemalung im Gesicht. In Kreuzberg schossen Deutschland-Fans schon am frühen Nachmittag in die Luft – in freudiger Erwartung.

Ich hätte also für Deutschland tippen sollen, wie so viele. Am besten lägen ohnehin die, die von Fußball nicht viel verstehen, habe ich mir sagen lassen. Bei der nächsten WM tippe also auch ich Fußball-Muffel. Aus Gruppendruck. Und aus Protest gegen die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Die verbreitet nämlich wirklich schlechte Laune in diesen Tagen.  So lange sich diese Wetten in einem gemäßigten Bereich bewegten, in Bürogemeinschaften und Freundeskreisen, seien Spannung und Spaß garantiert, heißt es krampfig in einer Pressemitteilung. Alles darüber hinaus sei gefährlich.

Besonders warnt die BZgA vor Live-Wetten, bei denen hohe Geldeinsätze auf Ergebnisse während des Spiels abgegeben werden. Diese Art von Wetten könnten süchtig machen, so die Leiterin der BZgA, Elisabeth Pott. Der Grund: Viele Teilnehmer neigten zu Selbstüberschätzung und würden viel mehr Geld ausgeben als zunächst geplant. Inwieweit die Zahl der Spielsüchtigen nach Fußball-Weltmeisterschaften steigt, bleibt das Geheimnis der BZgA.

Wie gut das nur alle vier Jahre Fußball-Weltmeisterschaften stattfinden. Dann ist das Suchtpotential nicht so groß. Präventiv könnte man natürlich auch nur alle sechs Jahre eine Weltmeisterschaft ausrichten.

http://www.spielen-mit-verantwortung.de

Die letzten Groupies von Psycho-Knut

Ich komme fast jeden Tag am Zoo vorbei, an Eseln und Lamas. Die Esel schreien oft herzzerreißend – Sympathien bringt ihnen das aber kaum. Der King des Zoos ist Knut. Noch immer harren Fans mit Dauerkarten vor seinem Gehege aus. Stundenlang, wochenlang. Leute mit Expertenwissen und Knut-Ansteckern am Revers. Knut sei ein richtiger Softie, erzählt eine Rentnerin. Nicht mal einem Frosch könne er etwas zuleide tun. Ihre Augen leuchten, als berichte sie von ihrem Lieblingsenkelkind. Sie schaut jeden Tag bei ihrem Knut vorbei – es sei denn, sie ist verreist oder krank.

Den Wassergraben zwischen sich und dem Eisbären überwindet die Frau mühelos mit ihrem Teleobjektiv. Seine  Entwicklung hat sie von Beginn an dokumentiert. Zuerst mit einer geliehenen kleinen Knipse, dann mit einer eigenen Spiegelreflexkamera. Auch andere Knut-Aktivisten sind scharenweise zu Saturn am Zoo gelaufen, um sich dort mit tollen Kameras und Objektiven einzudecken. Einige haben sogar Zoo-Aktien gekauft, um morgens schon ab sieben Uhr zu Knut zu dürfen.

Und Knut? Der läuft wie ein hospitalisierter Kranker in seinem Gehege auf und ab und wartet auf Futter. Sult sich in einer Kuhle, jagt Enten. Die Meinungen darüber, ob er einen kleinen psychischen Knacks hat oder nicht gehen auseinander. Ist auch egal. Etwas ganz Besonderes ist Knut ja. Knacks hin oder her.

Neue Kommentare

  • Thomas Feirer: echt coole Bilder …
  • Anonymous: achso hier meine email adresse zero88-denis@web.de
  • Anonymous: echt bei dir geht das noch? zu silvester wollen paar leute und ich schön gemütlich auf ein dach feiern ist...
  • Aileen: Ich hab mal ne frage: wo genau ist der Markt und hat der auch sonntags auf? lg
  • Ilse Fuehrhoff: Es gibt in Berlin tatsächlich noch sehr viele, eigentlich ungeahnt viele Hausfassaden oder auch...

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