Wir bloggen Berlin – Blog News Bezirke

Monatsarchiv für Juli 2007

Seite 2 von 4

Unsere offene Unterwelt

Gullydeckel aus aller Welt - Foto: Nuco

“Es geht uns soweit gut, Polizisten muss man wie erwartet schmieren und die Gullydeckel fehlen überall”, schrieb mir ein Freund, der unlängst ein Auto von Deutschland in die Mongolei überführte und dabei durch die Ukraine fuhr. “Ab Tempo 80 rummst es aber kaum mehr”, so sein Fazit über einen “Sport”, der auch in Berlin immer beliebter wird.

Buntmetalldiebe luden sich am Sonntag in Pankow und Reinickendorf offenbar eine ganze Lkw-Pritsche mit den 80 Kilo schweren Gullydeckeln voll und kassierten beim Altmetallhändler zwischen sechs und zehn Euro pro Stück. Zudem haben es immer mehr Diebe auch auf die Kupferkabel aus Oberleitungen der Deutschen Bahn abgesehen. Das ist nicht mehr allzu weit weg von Verhältnissen in einigen Ländern Afrikas. Dort gibt es keine Festnetztelefonie, weil die frisch verlegten Kupferkabel statt zum Telefonieren immer wieder herausgerissen werden und als Bezäunung von Viehwiesen Verwendung finden. Die größte Altmetallquelle in Berlin dürfte die Palast-Ruine sein, die gerade professionell zerlegt wird.

Was also tun, um eine weitere Demontage unserer Infrastruktur zu verhindern? Schlösser für Gullydeckel, Kontrollen bei Altmetallhändlern oder Tempo 80 für die Innenstadt?

Foto: Gullydeckel aus aller Welt, der siebte von oben, links nach rechts, ist aus Berlin – Credit: Nuco

Berliner müllen ihre Stadt zu

Kreuzberg Oranienstraße

Eine dpa-Meldung von Freitag: Berliner verursachen nach Hamburg den meisten Müll. Very unsexy, liebe Hauptstädter! Fahrt ‘mal ins Ländle… Kein Witz: Baden-Württemberg bildet nach einer Studie des dortigen Umweltministeriums das Schlusslicht mit im Schnitt “nur” 147 Kilogramm pro Jahr und Einwohner – Berliner produzieren fast das Doppelte (288 Kilo).

Ich habe es fast geahnt. Im Ländle – ich kann hier nur über Freiburg schreiben – herrschen andere Verhältnisse. Wer Abfall produziert, zahlt: Es gibt eine Müllgebühr, die zusätzlich zur Miete erhoben wird, Mülltonnen werden in unterschiedlicher Größe bereitgestellt. Und sie sind mit Schlössern versehen: Damit die Studenten-WG ihren Müll nicht einfach bei den Nachbarn in die Tonne wirft.

Müllvermeidung ist eine Erziehungsfrage – insbesondere Hausmeister scheinen rigorose Erzieher zu sein. Einmal hatte jemand im Hof eines Freundes mehrere gelbe Säcke abgeladen und von Restmüll über Kleidungsstücke und alte Zeitungen alles reingestopft, was man nicht mehr braucht, wenn man die Breisgau-Stadt für immer verlässt. Mit dem Teppichmesser machte sich der Hausmeister über die Säcke her, um den Täter anhand eines unbedacht weggeworfenen Briefumschlags zu identifizieren. Man stelle sich das mal in Berlin vor.

In Neuköllner Hausfluren hängen Zettel mit Botschaften wie:

Sehr geehrte Mieterin, sehr geehrter Mieter,

anlässlich einer Hausbegehung haben wir festgestellt, dass die Treppenhausteppiche durch Essensreste, Papier und Tempotaschentücher usw. stark verschmutzt werden.

Wir bitten Sie, dafür Sorge zu tragen, dass der Hausmüll aus defekten (sic!) Mülltüten nicht im Haus liegen bleibt und anderer Unrat [Hundescheiße] nicht auf den Teppichen verteilt und breitgetreten wird.

Wir hoffen im Interesse aller Mieter auf Ihr Verständnis …

Berlin und Freiburg – zwei Städte, die nicht ohne weiteres zu vergleichen sind. Die eine eine arme Millionenstadt, die andere eine relativ wohlhabende Universitätsstadt mit Öko-Image. Fehlt noch Hamburg, die wohlhabende Großstadt mit strukturell schwachen Stadtteilen, die mit 361 Kilogramm Müll pro Einwohner der größte Umweltsünder im Müllvergleich ist. Die dortige Stadtreinigung (“Wir sind für jeden Dreck zu haben”) wirbt auf ihrer Homepage mit “umweltgerechter Müllentsorgung” und “stabilen Gebühren für die graue Hausmülltonne”.

Gebühren: Darin liegt wahrscheinlich die Hauptursache der Hamburger Müllmisere und der große Verdienst der Freiburger Stadtverwaltung. Make them pay!

Paris, ein Radfahrer-Vorbild für Berlin?

Oberbaumbrücke zwischen Friedrichshain und Kreuzberg - Foto: Henning OnkenSeit Sonntag können sich Besucher und Einwohner von Paris über mehr Mieträder freuen – mehr als 10.000 Stück davon hat die Stadtverwaltung bereitgestellt. Nichts neues für europäische Großstädte, auch in Berlin stehen an jeder Ecke Mieträder der Deutschen Bahn herum. Doch für 30 Euro lassen sich die Pariser Fahrräder gleich ein ganzes Jahr lang benutzen und stadtweit in 750 Stationen abstellen. Mit dieser Initiative will der sozialistische Bürgermeister Delanoë die Pariser in Massen zum Umstieg vom Auto bewegen. Das scheint dringend geboten, denn in den Straßen von Paris stauen sich jeden Tag Fahrzugschlangen von etwa 400 Kilometern.

Auch die Berliner Innenstadt ist oft mit Autos verstopft, was sich trotz der geplanten Umweltzone nicht groß ändern dürfte. So Rad-faul wie die Pariser sind Berliner Bürger aber nicht. Einer Studie des Senats zufolge überqueren werktags im Schnitt etwa 7300 Radfahrer die Oberbaumbrücke – das ist fast jedes vierte Fortbewegungsmittel. Verhältnisse wie in Peking sind das nicht, aber Radfahren wird in Berlin immer beliebter.

Ob allerdings unsere Stadt Experimente mit Leihfahrrädern braucht, ist fraglich. Den Menschen kann man das Umsteigen nicht verordnen und Mieträder sind eher was für Touristen. Dringlicher ist eine bessere Verkehrsführung für Radfahrer, am besten durch markierte Fahrstreifen auf der Fahrbahn. Ich hatte in der letzten Woche gleich zwei Zusammenstöße mit Autos – beide Male hatten mich Autofahrer auf dem Radweg übersehen.

Rad-Spannerei blog vom Fahrradkollektiv Admiralstraße in Kreuzberg
Mieträder in Berlin – Liste des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC)
Weitere Infos zu Mieträdern in Berlin

Backjumps III: Vom Protest der Zeichen

Reclaim Your City - Karte in der Ausstellung Backjumps - Foto: Henning Onken

“Was, fördern wir jetzt Sachbeschädigung?” – Vor zwei Jahren ging ein Aufschrei durch die Berliner Lokalpresse: Die Ausstellung Backjumps sei ganz klar als “Aufforderung zum Rechtsbruch” zu verstehen, so ein CDU-Sprecher. Völlig schleierhaft, wie die Kreuzberger Grafitti-Schau dann auch noch mit mit 35.000 Euro vom Hauptstadtfonds gefördert werden konnte. Der Gründer des gleichnamigen Magazins, Adrian Nabi, hatte gemeinsam mit dem Leiter des Kunstraums Bethanien nach Berlin eingeladen und neben der zentralen Ausstellung Aktionen wie etwa das gemeinsame und legale Bemalen von Fassaden veranstaltet.

Beim dritten Backjumps-Event sind wieder eine Reihe von bekannten Künstlern dabei. Die Geschwister Os Gemeos zeigen Fotografien, die in aller Welt entstanden sind, hauptsächlich aber in ihrem Heimatland Brasilien. Straßenkunst in der Millionenmetropole Sao Paulo wirkt anders als in Kreuzberg, zumal die beiden viel von den dortigen Lebensverhältnissen mit ins Bild rücken. Vor zwei Jahren zerschlugen sie vermummt ihre eigene ausgestellte Installation – einen kleinen “Bunker” – und hinterließen diese bemalte Hauswand in der Oppelner Straße.

Zum dritten Mal dabei ist der Kopenhagener Künstler Ash, der mit seiner großen Wandbemalung “Punks are not dead” an die Seelenwanderung am Ende des Films “Easy Rider” erinnert. Die Dachkantenmaler von Reclaim your city verbreiten einfach nur die Botschaft, in einer von oben bis unten mit Werbung zugekleisterten Stadt öffentliche Räume zu besetzen.

Insgesamt fehlt dieser Schau ein wenig eine Klammer, die den Betrachter führt. Manches erinnert mehr an Kunsthochschule als an einen “Aufstand der Zeichen” (Baudrillard), der Urban Art immer auch gewesen ist – auch wenn Banskys Londoner U-Bahnkunst inzwischen unter dem Schutz der Obrigkeit steht der Künstler damit viel Geld verdient. Streetart bleibt ein Erlebnis, das sich schwer in geschlossenen Räumen präsentieren lässt.

Zu diesem Ergebnis kommt auch die große Karte mit vielen in Berlin verzeichneten Werken: Rausgehen, selber schauen, die Stadt erobern. Entgangen ist den Ausstellungs-Machern allerdings, dass es Berlins bekanntesten Rooftop nicht mehr gibt: “Die Grenze verläuft nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen oben und unten” – an der Fassade des ex-besetzten Kulturprojekts Köpi.

Ausstellung: Backjumps – The Live Issue#3
Öffnungszeiten: täglich 12 – 19 Uhr

Kunstraum Kreuzberg / Bethanien
Mariannenplatz 2
10997 Berlin (Kreuzberg)

Website: Reclaim your City
Website: Just2.blogsport.de
Fotostrecke: Berliner Streetart

Drahtesel aus dritter Hand

Fahrräder zu verkaufen - Foto: Anne GriegerDie Kottbusser Brücke ist ein Umschlagplatz für Autos, schon seit langem. Auf der Neuköllner Seite werden dienstags neuerdings auch gebrauchte Fahrräder verkauft. Wer leidenschaftslos ist, ob er mit einem roten Damen-Mountainbike oder einem silber-metallenen Herrenrad durch die Stadt kurvt, wird bestimmt fündig.

Weniger eindeutig allerdings, wer der oder die Verkäufer sind. Der hagere Mensch mit Stoppelhaar und Bauchtasche, der lautstark auf einen vermeintlichen Kunden einredet? Der kräftige Junge, der das Verkaufsschild an einem Trekking-Rad neu justiert? Die Kinder, die vor dem selbst gemalten Pappschild hocken? Alle irgendwie?

In Amsterdam gibt es gleich hinter der Universität eine Brücke, an der Junkies Räder anbieten, die sie in den Vorstädten stehlen. In den Vorstädten werden im Gegenzug in der Stadt geklaute Fahrräder verscherbelt. Ein unschöner Kreislauf, den viele Studierende verurteilen, aber dennoch in Gang halten, wenn ihnen das dritte und vierte legal erworbene Rad in Folge gestohlen wurde. Obwohl Schlösser in Amsterdam fast doppelt so teuer sind, wie die Fahrräder, ist kein noch so gut gesichertes Rad vor den Dieben sicher.

Es sieht mir nicht danach aus, dass auf der Kottbusser Brücke mit Fahrrädern gedealt wird.. Will man aber dennoch sicher gehen, beim Rad-Kauf noch ein paar Monate Garantie auf sein gebrauchtes Fahrrad zu bekommen, dann sollte man vielleicht doch in einem dieser Second-Hand-Radläden in Kreuzberg vorbeischauen:

Froschrad, Wiener Straße Wiener Straße 15,
Gebrauchte Räder ab 75 Euro, Fahrradverleih

Mobilcenter, Böckhstraße 51
Auswahl sowohl an 80 bis 120 gebrauchten Fahrrädern ab 50 Euro als auch an preiswerten Neurädern, Fahrradverleih (6-9 Euro pro Tag)

Radlager, Dieffenbachstraße 35
Gebrauchte Räder ab 50 Euro, Radverleih (7,50 Euro pro Tag, Wochenende 20 Euro)

2 Radischen, Bergmannstraße 5-7
Große Auswahl an gebrauchten Fahrrädern zwischen 200 und 400 Euro, nur samstags geöffnet

Eine Journalistin besucht den Polnischkurs

Als ich den Klassenraum betrat, erblickte ich ein unbekanntes Gesicht in der Runde. Eine neue Schülerin? Nein, sie stellte sich als angehende Journalistin vor. Sie wollte einen Artikel schreiben über Polnisch-Lernen an einer Berliner Volkshochschule. Während des Unterrichts beobachtete sie den Lehrer und die Mitschüler. Danach suchte sie einen Gesprächspartner. Ich war bereit für 15 Minuten Ruhm. Sie machte ein Foto und schrieb meinen Namen und meine E-Mailadresse auf.

“Warum lernen Sie Polnisch?” war ihre logische Einstiegsfrage. Ich erzählte über die geografische Nähe zu Berlin, meine Reiseerlebnisse, die spannenden Entwicklungen im neuen EU-Staat, die große Herausforderung, eine total fremde Sprache zu erlernen, die – finanzielle und moralische – Unterstützung durch den Arbeitgeber.

Dann fragte sie mich nach den Schwierigkeiten. Erstmal gilt es, die Aussprache mit den zahlreichen schwer auseinanderzuhaltenden Zischlauten in den Griff zu bekommen. Die komplizierte Grammatik erschwert das Sprechen, aber vor allem die Wortschatzerwerbung ist zeitaufwendig – besonders wenn man keine andere slawische Sprache kann. Polnisch zu lernen erfordert Durchhaltevermögen: Auch bei mir hat die Motivation schon öfter nachgelassen, etwa weil ich noch immer wenig von der gesprochenen Sprache verstehe oder weil ich den Eindruck habe, kaum Fortschritte zu machen.

Erfolgserlebnisse? Die gibt es zum Glück auch. Ich kann mich z.B. an meinen ersten Genetiv erinnern (to jest auto mojego brata) und war sehr zufrieden, als ich mit Hilfe einer Perfektivform im Präteritum ausdrücken konnte, dass ich nicht alles verstanden habe (nie zrozumia?em wszystkiego). Bei Besuchen in Polen habe ich festgestellt, dass meine Fragen durchaus verstanden wurden. Und eine Freundin in Warschau habe ich mit einer SMS auf Polnisch überrascht.

Meine 15 Minuten waren vorbei, und der Hausmeister warf uns aus dem Raum. Auf dem Weg zum U-Bahnhof fragte sie mich noch, ob ich mich vielleicht an lustige Versprecher erinnern konnte. Leider fiel mir nicht ein, dass ich “pisac’” (schreiben) und “czytac’” (lesen) häufig verwechsele: “Ich habe heute Morgen die Zeitung geschrieben.” Auch nicht, dass ich mal gesagt habe, dass ich aus der Heimat die “Stunde” (godzina) vermisse, und nicht die “Familie” (rodzina).

Die Journalistin verabschiedete sich und verschwand in der U-Bahn Richtung Wittenau. Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört.

Neue Kommentare

  • Thomas Feirer: echt coole Bilder …
  • Anonymous: achso hier meine email adresse zero88-denis@web.de
  • Anonymous: echt bei dir geht das noch? zu silvester wollen paar leute und ich schön gemütlich auf ein dach feiern ist...
  • Aileen: Ich hab mal ne frage: wo genau ist der Markt und hat der auch sonntags auf? lg
  • Ilse Fuehrhoff: Es gibt in Berlin tatsächlich noch sehr viele, eigentlich ungeahnt viele Hausfassaden oder auch...

Zufallsfotos

Kostenlos abonnieren

Unser RSS-Feed enthält alle neuen Artikel. Ihr könnt sie auch bequem als E-Mail abonnieren
www.fensterzumhof.eu gibt es jetzt auch in einer Smartphone-Version

Anzeige

Berliner Streetart

Berlin bei Nacht

Berliner Plakate

Fassaden der Hauptstadt

Berliner Hinterhöfe

Andere Blogs


Wenn Sie auf dieser Seite verbleiben, stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Mehr Informationen

Diese Website verwendet Cookies, um Anzeigen zu personalisieren. Informationen zu Ihrer Nutzung dieser Webseite werden an Werbepartner weitergegeben. Indem Sie weiter auf dieser Website navigieren, ohne die Cookie-Einstellungen Ihres Browsers zu ändern, stimmen Sie dieser Verwendung von Cookies zu.

Schließen

Seite 2 von 41234