In Friedrichshain lebt ein Mann, der Tag für Tag Müll auf Bürgersteigen aufhebt und ihn anschließend dorthin steckt, wo wir ihn alle sehen sollen - auf Fenstersimse, hinter Regenrohre und auf Bänke. “Alles voll hier!”, schimpft der etwa 60-Jährige und gibt Passanten noch ein giftiges Wort mit auf den Weg. “Haste billigen Glühwein abgeschleppt - Fusel!”, mault er jemanden an, der einige Liter H-Milch trägt. Im Supermarkt schimpft er, gebeugt über seinen Einkaufswagen, lauthals über den Verrat der Sozialdemokratie am Volk, das sich hier in der Schlange langsam abkassieren lässt. Er wird nach Kräften ignoriert.
Zu den Öko-Aktivisten, die im ganzen Stadtgebiet teure Autos tiefer legen, gehört der Mann in abgetragener Rentner-Mode eher nicht. Dafür richtet sich sein Ärger zu unspezifisch gegen jeden, der ihm begegnet. Er könnte mal Abschnittsbevollmächtigter gewesen sein, eine Art DDR-Blockwart, meint eine Freundin. Vielleicht ärgert er sich deshalb für den Rest seines Lebens über alle unachtsam weg geworfenen Dinge.
Fotostrecke: Berliner Seitenblicke
Artikel merken
Unangenehm berührt vom “Blockwart” bin ich erschrocken über diese Wortwahl. In welcher Zeit leben wir denn eigentlich in Deutschland?
Dieser Mann, mit wohl 60zig Jahren, hat sehr warscheinlich selbst keine Blockwartzeiten erleben müssen. Ein Glück für ihn.
Zum Vorgehen selbst, provokant, gefährlich? Den Bürgern ihre Missetaten so vor Augen zu halten. Manch einer wirft gleich noch etwas dazu - für andere ein Störenfried in der Gesellschaft. Er könnte sich natürlich ordentlich organisieren und dann dort mit anderen den Dreck anderer wegtragen. So einfach ist das leider nicht in Berlin. Wo gibt es denn die notwendigen Bürgerinitiativen, die den Park, die Anlage von Unrat säubern, Grafiti entfernen?
Ich habe in Weißensee, im Kietzblatt, bisher nicht lesen können, wo sich Bürger für solche Unternehmungen einfinden können. Auch Aufrufe, in den Schulen mal mit unseren Kindern, Jugendlichen über solches Verhalten ins Gespräch zu kommen. Wenn es schon nicht im Elternhaus vorgelebt und besprochen wird. Also werfen wir weiter den Abfall umher.
Vielen Dank
Leute wie diese gibt es in Friedrichshain zuhauf, leider. B. Fanzke hat recht: eigentlich müsste man diese Potenziale stärker nutzen und den Leuten Wege aufzeigen, wie sie sich engagieren können. Ein Kiez lebt vom Engagment seiner Bürger, nur leider sind die meisten Leute einfach zu unmotiviert, etwas zu bewegen.
Liebe Katharina S., Danke.
Barbara F.
OMG, this kind of post is why I can’t get enough of this blog. Maybe b/c I don’t live in Berlin anymore and don’t have to deal with people like that every day, I just burst out laughing when I read this.
Friedrichshain is indeed full of old cranks like this whom one suspects must have been an ABM zu Ostzeiten. I used to get screamed at pretty much every day riding my bicycle down Landsberger Allee past all the prefab housing. So, so hilarious, even if it is rather sad.