Tag Archive for 'Fotostrecke'

Das Wettrüsten hat ein Ende

Fassade in Friedrichshain - Foto: Henning Onken

Foto: Henning Onken

Fassade in der Hausburgstraße in Friedrichshain - Foto: Henning Onken

Lichterketten, bunt blinkende Gestecke und Tannenbäume - so sieht Weihnachten von außen aus, überall auf den Balkonen und in den Fenstern der Stadt. Einige besonders eifrige Mitbürger scheuen keine Kosten und verbrauchen im Dezember soviele Kilowattstunden Strom, wie sonst in einem viertel Jahr nicht. Dafür leuchtet ihr Balkon bis in den nächsten Bezirk herüber. Schlafen können diese Kiezkönige der dunklen Jahreszeit wohl kaum bei dieser Festbeleuchtung.

Doch selbst im gleichen Kiez gibt es große Unterschiede - manche Bewohner legen Wert auf leuchtende Weihnachtsbräuche, andere anscheinend gar nicht. An der Fassade eines neu errichteten Townhouses der “Extra-Klasse” (so der Investor) auf dem obersten Bild strahlen gleich zwölf Balkone und Fenster festlich. Nur wenige hundert Meter weiter steht in der Friedrichshainer Hausburgstraße ein unsanierter Altbau, dessen Bewohner nicht ein einziges Fenster geschmückt haben (unteres Bild). Wahrscheinlich werden hier in einigen Tagen auch keine Weihnachtsbäume vor den Türen liegen.

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Berliner Seitenblicke: Wozu nach Asien?

Berlin-Neukölln - Foto: Henning Onken

Im dritten Stock haust ein Tiger. Er setzt zum Sprung an, zumindest auf der Kuscheldecke, die gewöhnlich auf dem Fernsehsofa einer Neuköllner Etagenwohnung liegt. In der Glotze laufen Tierfilme auf drei Kanälen. Wozu nach Afrika? Die Satellitenschüssel ist gut ausgerichtet und bei RTL flieht eine Herde Gnus vor einem Löwen. Man sieht es aus dem Hubschrauber, der aufgewühlte Staub der Steppe lässt sich fast riechen.

Die Antenne vor dem Fenster nimmt dem Zimmer ein wenig das Licht, aber da draußen gibt es ohnehin nicht viel zu sehen. Gefahren lauern in Berlin im Straßenverkehr oder vielleicht in der Dönerbude, falls die Sache mit dem Gammelfleisch Folgen hat.

Asien ist ziemlich weit weg an einem verregneten Dezembertag im Neuköllner Schillerkiez. Viele hier sind zu Hause im Block für immer, fahren vielleicht im Sommer mal mit der Regionalbahn in die Uckermark. Anderswo steigt man in den Flieger, hier hängt die Tigerdecken-Weltflucht zum Fenster heraus. Asien für alle!

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Anarchie vor meinem Treppenhaus

United Hinterhof Colors of B. (4)

Gehen Sie da mal runter, dahinter sieht’s aus wie im Zuchthaus!”, sagte er und zeigte auf eine modrige Treppe. Mein Hausmeister hatte Recht, dieser kleine nur über einen Keller erreichbare Hof in Friedrichshain war wirklich grauenvoll: Es kam mir vor als sei ich in den lichtlosen Schlund eines tiefen Brunnens gefallen. Ob dieser kleine hagere Hausmeister mit den dunklen Augenhöhlen diesen Zuchthaus-Vergleich aus eigener Anschauung gezogen hatte, also schon selbst ein paar Jahre lang auf 20 Quadratmetern im Kreis gegangen war? Jedenfalls war ich froh, dieser beklemmenden Atmosphäre zu entkommen.

Warum sollte ich also über Hinterhöfe schreiben? Über von Hausmüll vergoren riechende Luft, über Haufen von Fahrradleichen, durch die sich verstohlen eine Katze schlängelt. Oder über durchsanierte Plätze, die - fügsame Bewohner vorausgesetzt - über Jahre so akkurat jeder Spur von Leben trotzten, als seien die Architekten erst gestern am Werk gewesen. Wozu also Worte verlieren über diese Orte der Langeweile? Über den Schmutz, und Gestank, den Verfall?

Trotzdem, an solchen Orten habe ich die besten Teile meiner Wohnungseinrichtung gefunden. Die Staffelei, das Regal oder den alten Lehnstuhl, der zugegeben, lange ziemlich modrig gerochen hat. Einmal kam ein Freund mit einem Fernseher an, der unten wochenlang im Regen gestanden hatte. Es zischte und stank, als er das Ding einsteckte, aber nach ein paar Tagen war tatsächlich ein Bild da. Weiter lesen ‘Anarchie vor meinem Treppenhaus’

Herbst in der Baulücke

Sie werden zugeparkt, umzäunt oder einfach sich selbst überlassen. Mit vielen Berliner Baulücken passiert jahrelang nichts, bis Anwohner den ungenutzten Raum in Beschlag nehmen. Für kleine Gärten, in denen im Sommer gegrillt wird oder Spielplätze mit selbstgezimmerten Abenteuerburgen. Oft währt dieser Zustand nur solange, bis das Baulückenmanagement des Senats einen Investor gefunden hat. In der Friedrichshainer Hausburgstraße hat der Bezirk anders gehandelt und ein kleines Basketballfeld angelegt.

Eine schöne Idee, doch leider stoßen auch Sportplätze nicht überall auf Zustimmung. Am Kreuzberger Chamissoplatz hat das Bezirksamt einen Bolzplatz schließen lassen. Anwohner hatten sich über den Lärm beschwert, der durch die kickenden Kids von früh bis spät zu ihnen heraufgedrungen war. Doch diese Probleme dürften uns erst wieder im nächsten Frühjahr beschäftigen.

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Licht und Schatten liegen nah beeinander

Berliner Dom während des Festivals of Lights - Foto: Henning Onken

Das Hotel Adlon, der Dom, das Kranzler-Eck: Wer in den letzten zwei Wochen abends durch die Stadt lief, konnte 40 bekannte Berliner Bauwerke strahlen sehen - durch Lichtdesign. Während der Langen Nacht des Shoppings am letzten Samstag konnten konsumfreudige Berliner zumindest in Teilen der Stadt “in der traumhaften Illuminierung” bis Mitternacht einkaufen. Heute endete das Festival of Lights mit einem großen Feuerwerk am Dom.

Schade eigentlich, dass bei all dem Licht an den Fassaden des Schlossplatz-Ensembles der Palast der Republik, oder was davon noch übrig ist, im Schatten blieb. Es ist leider auch niemand auf die Idee gekommen, die Ringkolonnaden in Marzahn kunstvoll anzuleuchten, die auch gegen den Willen von Anwohnern abgerissen werden sollen. Wie wäre es mit dem Sozialpalast in Schöneberg? “Berlin muss noch heller werden”, erzählte der Gründer des Festivals, Andreas Boehlke, der taz. Aber eben nicht überall. Wo viel Licht ist, fällt auch viel Schatten.

Bilder des Festivals of Lights

Ein Kiez-Terrier in Rente?

Bank in der Frankfurter Allee

In Friedrichshain lebt ein Mann, der Tag für Tag Müll auf Bürgersteigen aufhebt und ihn anschließend dorthin steckt, wo wir ihn alle sehen sollen - auf Fenstersimse, hinter Regenrohre und auf Bänke. “Alles voll hier!”, schimpft der etwa 60-Jährige und gibt Passanten noch ein giftiges Wort mit auf den Weg. “Haste billigen Glühwein abgeschleppt - Fusel!”, mault er jemanden an, der einige Liter H-Milch trägt. Im Supermarkt schimpft er, gebeugt über seinen Einkaufswagen, lauthals über den Verrat der Sozialdemokratie am Volk, das sich hier in der Schlange langsam abkassieren lässt. Er wird nach Kräften ignoriert.

Zu den Öko-Aktivisten, die im ganzen Stadtgebiet teure Autos tiefer legen, gehört der Mann in abgetragener Rentner-Mode eher nicht. Dafür richtet sich sein Ärger zu unspezifisch gegen jeden, der ihm begegnet. Er könnte mal Abschnittsbevollmächtigter gewesen sein, eine Art DDR-Blockwart, meint eine Freundin. Vielleicht ärgert er sich deshalb für den Rest seines Lebens über alle unachtsam weg geworfenen Dinge.

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