Kunstbegriffe haben oft etwas Temporäres, so wohl auch die Wortschöpfung “Kreuzkölln”, mit der im letzten Jahr der Neuköllner Norden gehypt wurde. Viele Bewohner des neuen “In-Kiezes” sind es inzwischen leid, als 1b-Kreuzberg gehandelt zu werden, als möchte-gern-Kreuzberg mit günstigerem Wohnraum. Sind die (Neu-)Neuköllner also mittlerweile angekommen in dem alten West-Bezirk mit dubiosem Ruf?
Philip Steffan, Blogger und selbsternannter Chronist des Reuterkiezes, stieß sich als Zugezogener weniger an dem Begriff “Kreuzkölln”. Nicht nur die Medien hatten sich diesen zueigen gemacht, auch Immobilienmakler betrachteten ihn als Faustpfand für eine effektivere Vermarktung ihrer Objekte. Mit der Umbenennung seines Weblogs “Kreuzkölln alias Reuterkiez” in Reuterkiez-Blog hat Steffan nun auf die Kritik vieler (Neu-) Neuköllner reagiert, die ein offenes Bekenntnis zu ihrem Stadtteil fordern. Sie lebten schließlich “freiwillig” dort.
Das ist insofern interessant, als als gängige Ausrede vieler Neu-Neuköllner häufig die niedrigen Mietpreise herhalten müssen. Auf die Frage “Wo wo wohnst du?”, die in Berlin laut FAZ zwingender als anderswo mit der Identität der befragten Person in Verbindung gebracht wird, antworten nun viele zunehmend offensiver: “In Neukölln.”
Aber bitte in Ufernähe…
Da Mietpreise in Prenzlauer Berg und Kreuzberg als kaum mehr erschwinglich gelten, scheint der Neuköllner Norden eine bislang ungekannte Sogwirkung zu entfalten. In den Reuterkiez zu ziehen, ist im Februar 2008 gar nicht so einfach. In keiner der Internet-Suchmaschinen für Immobilien findet man aktuell ein passables Angebot für eine 2-Zimmer-Mietwohnung bis 600 warm in einer der begehrteren Neuköllner Straßen (Friedel-, Lenau-, Sander-, Bürkner-, Hobrecht-).
So versuchen immer mehr Leute, über Freunde und Bekannte eine Bleibe zu finden: Die Mail des Freundes einer Freundin, der eine Mail von Bekannten weiterleitete liest so: ” Vielleicht wisst ihr ja eine schöne Wohnung für Birthe und Oli in Ufernähe. Die freuen sich über eure Angebote. Danke für die Aufmerksamkeit und sorry, falls ihr sowas als Spam empfindet.”
Ob Birthe und Oli auf die Schnelle fündig werden – schwer zu sagen. Wahrscheinlich müssen sie auf angrenzende Straßen ausweichen. Erste Anzeichen dafür, dass die zwangsläufig populärer werden, gibt es bereits.
was meine motive angeht, ist das schon ein bisschen geraten, anne, aber auch nicht unbedingt falsch.
es hat jedenfalls weniger mit kritik von außen zu tun, die sehr viel verhaltener war, als es hier beschrieben wird. im wesentlichen war es meine eigene meinung, die sich mittlerweile entsprechend geändert hatte.
und ich suche übrigens auch eine zweizimmerwohnung hier, zum 1.5. (muss aber nicht unbedingt in den genannten straßen sein.)
@philip: klar, motive ändern sich, besonders in bezug auf wohnpräferenzen. kommt vielleicht auch darauf an, wie gut man die stadt kennt. dir jedenfalls viel glück bei der suche, ist ja noch zeit…
Hallo Teilnehmer /in !
Ich les hier nur quer als Außenstehender. Steigende Mietpreise sind doch kein Problem, wenn die Einkommen auch mit steigen. Der Begriff Kreuzkölln ist in diesem Sinne in Insider Begriff, der bem Berliner als Orientierungshilfe dient.
Ich würde meinen, daß die Neuköllner eher noch profitieren von diesem Begriff, es ließe sich ja auch ein sozial Neutempelhof beschreiben, dies ist aber zur Zeit gegen den Trend.
Ich würde mir keine weiteren Sorgen machen. Der Wohnungsmarkt in Berlin steht doch offen wie ein Scheunentor und ein Bleiberecht haben nichtmal die Hausbesitzer. Ich finde Neukölln ist ein sehr schöner Stadtbezirk, mit Hasenheide und Hermannplatz als Feedback.
mfg
die wortschöpfun kreuz-köln gib nach meiner erinnerung schön mindestens seit anfang der neuziger soviel dazu. und kreuzber ist nicht nur eine adresse sonder ein lebensgefühl