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Stadtplanung 2.0: Studis als Gentrifizierer

Ein Modell für Neukölln? Die Stadt Hamburg lockt Studenten gezielt mit subventionierten Mieten in einen “Problemstadtteil”, in dem überwiegend Hartz IV-Empfänger, Ausländer und Leute mit Migrationshintergrund leben. 178 Euro kostet ein gefördertes WG-Zimmer bei einer städtischen Wohnungsbaugenossenschaft auf der Veddel, Gentrifizierung von oben sozusagen – die Jungakademiker sollen den Stadtteil lebenswerter machen.

Wo Leerstand herrscht, will niemand wohnen, die Mietpreise fallen. Und es wird trauriger für die “Abgehängten”, die nirgendwo anders hinziehen können, so die Logik. Die Neuköllner Zwischennutzungsagentur hat gezeigt, dass leerstehende Räume temporär sehr sinnvoll an Gründer mit kleinem Geldbeutel vermittelt werden können. Der Reuterkiez, Neuköllns neues “In-Viertel” an der Grenze zu Kreuzberg, hat seinen Aufschwung wahrscheinlich nicht zuletzt dieser Initiative zu verdanken. Studenten kamen von selbst, sie sollen inzwischen sogar aus Friedrichshain an den Landwehrkanal ziehen.

Aber zum Neuköllner Westen. Oberhalb des Hermannplatzes sieht es ganz anders aus, Kneipen heißen dort Herrfurth- Eck, Pinte II, Bierbaum 3. Würde der Senat im Schillerkiez WG-Zimmer subventionieren, müssten die Mieten für Studenten noch deutlich unter dem Hamburger Preis liegen – für 200-240 Euro kann man dort aktuell nämlich schon sehr günstig wohnen. Nur fühlen sich die wenigsten Neu-Berliner wohl, kaum einer hat Lust, dort dauerhaft Sozialstudien zu betreiben. Auch mit Blick auf die Bewohner, denen es am nötigsten fehlt – nämlich an Perspektiven – scheint ein solches Projekt mehr als fragwürdig. Ohne Bauchschmerzen könnten sich Besserverdienende von morgen jedenfalls nicht vom Senat sponsern lassen…

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13 Kommentare zu “Stadtplanung 2.0: Studis als Gentrifizierer”


  • Problembkiezbewohner


    das ist gute Idee. Man wohnt Jahre lang mit abgestürzten und alleingelassenen Menschen zusammnen und zieht spätestens weg, wenn man eine Familie gründet – und seinen Kindern ein besseres Umfeld geben möchte.
    Wenn die Stadt mit Geld dafür sorgt, dass sich die Bewohnerschaft auch sozial stärker durchmischt, wäre das großartig. Das müsste dann aber auch zum Beispiel für Charlottenburg gelten. Dort könnten dann sozial Schwache hin gelockt werden.


  • Der Schillerkiez trügt. Allein L32 (http://www.l32.de/) hat die Gegend als abseitig-hippes Areal schon verankert. Hausprojekte als Gentrifizierungsmaßnahmen, das ist der nächste Schritt. Und sobald Tempelhof zu ist und in Richtung Bergmannstraße ein großer Park und Ruhe locken, ist die Gegend ohnehin dem Aufschwung preiszugeben – und wird wieder das bürgerliche Viertel werden, als das es geplant wurde (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Schillerpromenade).


  • Interessant zu sehen, wie der zunächst kritisch gemeinte Gentrification-Begriff nun zu einem positiven Bezugspunkt gemacht wird, um vermeintliche “Problemkieze” zu “retten” vor den ganzen “Ausländern” und Hartz4-Empfängern – da diese scheinbar dafür verantwortlich sind, dass die Kieze nicht so hip sind wie Prenzlauer Berg. Insofern ist es auch nur konsequent, eine Vertreibung dieser Subjekte durch Gentrification einzufordern. Die Idee ist dabei, wir locken Studis mit billigen subventionierten Mieten, dadurch entsteht ein hipper Studikiez, worauf die Mieten endlich von sich aus steigen (die einzigen, die das freut, sind Immobiliengesellschaften), und die ursprüngliche Bevölkerung (“Ausländer” und Hartz4-Empfänger) kann sich die Mieten nicht mehr leisten, weswegen sie dann wegziehen müssen oder zwangsumgezogen werden (Hartz4). Und heraus kommt ein weiterer teurer, ganz und gar nicht “durchmischter”, sondern homogener yuppie-kiez wie Prenzlauer Berg. Na danke schön!

    zum Thema Gentrification sehr empfehlenswert der nächstes Wochenende stattfindende Kongress “The Right to the City”, dort hält auch der allseits “terror”-bekannte Andrej Holm einen Vortrag zum Thema:
    http://www.buko.info/stadtraum/index.php/workshops/stadtteilllaeden

  • Prenzlauer Berg


    Bitte liebe Studenten kommt her und lasst uns nicht allein mit diesen berauschten, bekifften und stets nörgelden Gestalten.

    ps nur Zugezogene sagen Prenzlberg


  • …ganz genau erkannt: “nur Zugezogene sagen Prenzlberg” – super, dass du meinen ironischen Seitenhieb auf die Zugezogenen verstanden hast. Um es auch für etwas weniger geistig-bewegliche verständlich zu machen, habe ich jetzt Anführungszeichen hinzugefügt.

    Jedenfalls können mir u.a. diese (die statt Prenzlauer Berg “Prenzelberg” sagen) als in Neukölln aufgewachsener “Gestalt” gestohlen bleiben. Wenn ich hier mit den Menschen rede, die hier schon 10 Jahre oder länger leben, dann sind diese ganz und gar nicht begeistert darüber, was aus ihrem (noch) Kiez wird.

    Warum ich übrigens “berauscht”, “bekifft” und “stets nörgelnd” sein soll, bleibt wohl dein Geheimnis – ich vermute mal, diese Unterstellungen sollen überdecken, dass du einfach nix zu sagen hast. Ein kleiner Ja-Sager-Troll eben…

    Allen anderen, die nicht nur ein abstraktes Interesse an Neukölln (endlich auch hip) und den Menschen, die dort leben, haben, sei nochmal der dieses Wochenende stattfindende Kongress “The Right to the City” empfohlen.


  • Das heisst AUF der Veddel! Im Uebrigen habe ich da eine Zeit lang gelebt und bis vor kurzem war da noch keine Besserung bemerkbar.


  • @bla: Danke für den Hinweis!! Hab’s geändert.


  • Daß weitere große Teile Berlins zum Kollwitzplatz werden, sehe ich bei der wirtschaftlichen Lage der Stadt auch trotz Zuzugs von Studenten nicht, und solange man noch 500 Meter von den hipsten Kiezen eine bezahlbare Wohnung bekommt, können ja wohl nur selbsternannte Berufsklassenkämpfer Marginalisierung oder sogar Vertreibung entdecken. Berlin ist nicht Manhattan, aber vielleicht ist das ja auch der Grund für diese piefige Einstellung, jede Entwicklung und alles Fremde erstmal abzulehnen. Soziale Durchmischung ja, aber nicht bei uns, lieber in Charlottenburg! Perspektiven für die Bewohner vom Reuterkiez, aber bitte nur per Überweisung, wir wollen nicht plötzlich Steuerzahler als Nachbarn! Und seit wann wird denn wieder automatisch jeder Student oder Künstler zum stinkreichen “Gentrifizierer”? Mache da eigentlich grade andere Erfahrungen. Ist natürlich schon ein bisschen schwierig, wenn man vor lauter Individualismus nur auf Dinge stehen kann, die sonst keiner mag. Aber nicht alle fühlen sich durch neue Gesichter und ein paar nette Kneipen gleich vertrieben. Tipp: die ewige Trostlosigkeitsgarantie gibt´s noch in Brazzaville, also auf!Wohne schon ewig in der Gegend, und mir gefällt´s immer besser.


  • Klar, wenn Du Gentrifizierung nicht als Prozess begreifst, sondern denkst, dass nur “stinkreiche” Studenten (warum müssen die Studis stinkreich sein?) die Gentrifizierung befördern, werden wir das Phänomen der Gentrifizierung nicht packen können. Mit Piefigkeit oder Ablehnung von “Neuem” hat es jedenfalls relativ wenig zu tun, aber der Kollwitzplatz-Einheitsbrei ist nunmal auch absolut nicht “neu”, sondern vielmehr 15 Jahre alt, und eine Kopie dessen und eines Simon-Dach-Kiezes in Neukölln macht es eben auch nicht “fresher” oder weniger “piefig”. Denn der Kollwitzplatzcharme hat inzwischen ungefähr dieselbe Piefigkeit wie eine Neuköllner Eckkneipe – kaum auszuhalten. Und damals in Prenzlauer Berg gab es sogar noch halbwegs funktionierende Mietobergrenz-Regelungen.
    Ich hab auch nichts gegen ein paar neue nette Kneipen – aber es kommen eben nicht nur die netten Kneipen – sondern der Troß der ignoranten Schafe, die denken, dass sie das, was sie am Kollwitzplatz oder Simon-Dach-Kiez verschlafen haben, jetzt nachholen können, macht sich auf den Weg. Zum Stichwort “Trostlosigkeit”: wenn Dein Anspruch auf ein gutes Leben damit schon erfüllt ist, eine nette Kneipe um die Ecke zu haben, dann finde ich das ein wenig dünn…


  • Hallo Gutes Leben, danke für die Aufmerksamkeit, ich vermute mal, ich sollte angesprochen sein. Leider hast Du meinen Text wohl nur auf ein paar Reizworte hin überflogen.
    Wo genau liest Du heraus, daß ich vom Leben nur ein paar nette Kneipen erwarte? Wo propagiere ich Kollwitzplatz- und Simon-Dach-Kiez Kopien für Neukölln? Ich bezweifle vielmehr, daß es in Berlin das wirtschaftliche Potential für flächendeckendes Yuppietum gibt. Woher soll die Kohle denn kommen? Keine Panik!
    Aber vor allem: woher nimmst Du das Recht, über andere Menschen als “Troß ignoranter Schafe” zu sprechen? Du wirst Du Dich damit abfinden müssen, daß auch Deine hochstudierte Meinung nicht mehr zählt als die eines beliebigen anderen Menschen. Gentrifizierung mag in anderen Städten ein Problem sein (von mir aus auch ein “Prozess” oder “Phänomen”), aber in Berlin muss man den Blickwinkel schon künstlich auf einzelne Straßenzüge verengen, um diese total angesagte Diskussion führen zu können. Und was jetzt eigentlich: ist die Neuköllner Eckkneipe kaum auszuhalten oder erhaltenswert? Mir graust vor Leuten, die unter dem Vorwand geistiger Überlegenheit und edler Motive bestimmen wollen, wer wie wo zu leben hat. Und noch viel mehr vor solchen, die schon ihren persönlichen Geschmack für Berechtigung genug halten.


  • Was habt ihr eigentlich immer für Probleme? Was ist denn der Hintergrund, vor dem hier immer auf Prenzlauer Berg und F-Hain eingedroschen wird? Dass es dort nicht so toll multi-kulti-durchmischt ist wie in Neukölln? Dass es mittlerweile recht bürgerlich geworden ist, vielleicht vielmehr von Anfang an war und die Ex-Bohemians jetzt Spießer werden? So ist das eben… Aber ist das so viel besser in Kreuzberg oder Neukölln? Sind die ganzen Linken, die sich gegen McDonalds wehren udn einmal jährlich Revolution spielen, etwa besser? Entspannt euch, trinkt einen Latte Macchiato…


  • LiebeR Tifour, ich finde es gut, dass Du Dich auch so sehr graust vor Leuten, die bestimmen wollen, wer wie zu leben hat, die sitzen nämlich in jedem Stadtplanungsbüro, jedem Quartiersmanagement, bei Mediaspree etc. – und, um eines der erwähnten “Schafe” aus Prenzlauer Berg zu der Situation in Neukölln zu zitieren: “Das ist wie damals am Kollwitzplatz. [...] Wenn es erstmal angerollt ist, werden wir auch nicht mehr so viele Sozialfälle auf den Strassen sehen” (war glaube ich in der Berliner Zeitung) – das sind ebenfalls Leute, die anderen vorschreiben wollen, wie und wo sie zu leben haben. Und die allesamt im Gegensatz zu mir, der ich wie Du richtig erwähnst, nur eine Stimme neben vielen bin, mehr Mittel und Möglichkeiten haben, tatsächlich durchzusetzen, wie und wo Menschen zu leben haben.
    Zu den Neuköllner Eckkneipen: Sie sind (für mich) nicht auszuhalten, aber ich sehe nicht, warum sie deswegen nicht erhaltenswert sein sollen.


  • @Das gute Leben

    Also, das erkläre mir doch mal genauer, wie Einrichtungen wie Stadtplanungsbüros, Quartiersmanagements&Co. über DEIN Leben bestimmen? Ist mir echt ein Rätzel.

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  • Ilse Fuehrhoff: Es gibt in Berlin tatsächlich noch sehr viele, eigentlich ungeahnt viele Hausfassaden oder auch...

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