Nina S. hat ihren Fernseher verschenkt, aber Tatort muss sein. Tatort-Abend ist sonntags und Gleichgesinnte gibt es in Kreuzberg viele. Im Mathilda in der Graefestraße zum Beispiel.
Mehr als 30 Leute drängen sich in den kleinen fensterlosen Hinterraum der Kneipe, bereits um halb acht ist das Zimmer bis auf den letzten Platz gefüllt. Zuspätkommer haben das Nachsehen. Ob der Krimi noch woanders gezeigt werde, will ein Typ wissen, der keinen Platz mehr ergattert hat. Es wird geraucht, wie in fast allen Kreuzberger Kneipen, für das demonstrative Gehuste erkälteter Passivraucher hat man nur ein müdes Lächeln übrig.
Gelacht wird gemeinsam. Der Tatort - diesmal mit Axel Prahl aus Münster - spielt im Burschenschaftsmilieu, das den meisten Anwesenden wahrscheinlich so fremd ist, wie den Westfalen Wohnungen mit Ofenheizungen.
Tatort-Abende sind längst kein Berliner Phänomen mehr, auch in anderen Städten versuchen Wirte, an den Erfolg der Public Viewing Areas der Fußball-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr anzuknüpfen. Könnte gelingen, da der “neue Tatort” auch Überschneidungen mit anderen Formaten aufweist und durchaus komische Elemente beinhaltet.
Wenn Gerichtsmediziner Boerner mit einem Totenschädel herumspielt und dazu noch Hamlet-like über “Sein oder Nichtsein” philosophiert, amüsieren sich auch Englischlehrer prächtig, die eigentlich erst zur Sendung von Anne Will einschalten wollten.
Vielleicht auch bald in Gesellschaft, und nicht bloß vor dem heimischen Fernseher…