“Die Parkbank wird zum Barhocker, der Verteilerkasten zum Tresen, Baum und Gebüsch zum Männerklo …” Wer würde da nicht weiterlesen? Die Promenadenpost berichtet hautnah über das geballte Elend einer Neuköllner Wohnstraße. Die Gestalten, die in dem Artikel “Open Air Kneipen rund um die Schillerpromenade” skizziert werden, sind bekannte Kiez-Gesichter. Wenn sich der Schulhof leert und das Quartiersmanagement die Rolläden herunterlässt - die Straße in der Hand armer Trinker und Hundebesitzer?
Könnte man meinen, wenn man weiter liest. Anwohnerin Dagmar Z. sagt dem Blatt: “Ich finde es gut, dass das Café Selig [ein neu eröffnetes Café im Gemeindehaus] existiert. Seither haben wir einen guten Treffpunkt, und betrunkene Männer wagen es nicht mehr so oft, an die Genezareth-Kirche zu pinkeln.”
Sind die Autoren der Promenadenpost - eine Publikation des Quartiersmanagements übrigens - einfach nur ehrlich, und nicht zwanghaft an einer Profilierung des Problemkiezes interessiert? Oder prägen die Säufer auf dem Grünstreifen das Viertel wirklich nachhaltig?
Das vermeintliche neue “In-Viertel”
Als ich im letzten Jahr nach Neukölln zog und zur Einweihungsparty einlud, antwortete eine Bekannte fröhlich mit “Willkommen in neuen In-Bezirk”. Getroffen habe ich sie allerdings immer irgendwo in Kreuzberg oder Mitte.
Auch wenn in Neukölln vielleicht nicht mehr Leute auf der Straße Bier trinken, als in anderen Bezirken - die Atmosphäre ist bedrückender. Die Alkoholiker sind im Alter meiner Eltern, viele haben lange Zottelbärte und scheinen sich völlig aufgegeben zu haben. Ihr Limit kennen diese Gewohnheitstrinker gut. Wenn gegen 23 Uhr gegrölt wird, leitet dies oft das Ende des Abends ein.
Die Hunde “Wodka und Tequila” werden angeleint und es geht nach Hause. Die Kondition reicht nicht mehr für durchzechte Nächte, Frühschoppen setzt zumindest einige Stunden Schlaf voraus.