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Archiv für das 'DDR'-tag

Wo ist hier das nächste SED-Parteibüro?

Die Straße der Jugend in Seelow ist eine Rumpelpiste aus Feldsteinen, ihre Schwesterstraße im nächsten Dorf ein staubiger Sandweg. An den Karl-Marx-Alleen des Berliner Umlands glänzt dagegen schon mal ein Autohaus und tiefer in der Prärie steht zumindest eine Tankstelle.

Wir sind auf einer Radtour durch Brandenburg und kennen den Heldenkanon der Arbeiterklasse bald auswendig: Ernst Thälmann, wir grüßen Dich! August Bebel, hier biegen wir ab und machen Rast am Clara-Zetkin-Platz. Wo geht es zum Parteibüro der SED, möchte man den nächsten Rentner fragen, der einem entgegen wankt. 20 Jahre nach der Deutschen Einheit haben die Helden der Arbeiterklasse die Brandenburger Provinz fest im Griff.

Die DDR-Verwaltung hat fleißig Straßen umbenannt, so fleißig, dass ihr in manch neuen Siedlungen die Heiligen ausgingen. Stattdessen gibt es dort Äpfel- und Birnenstraßen, nur einen Bananenweg habe ich vergeblich gesucht.

Zwar haben Rosa Luxemburg oder August Bebel auch in Berlin ihren Platz, wie in unseren Geschichtsbüchern. Hier wird jedoch lebendig diskutiert, selbst wenn ein Name schon mehr als hundert Jahre Pate steht. Ich erinnere an das Kreuzberger Gröbenufer, das vor einem Vierteljahr wegen der Kolonialvergangenheit des Namensgebers zum May-Ayim-Ufer wurde. Vordenker von historischen Sackgassen oder Freunde der Gewaltherrschaft haben ihre Plätze nicht für immer gebucht.

Warum werden nicht auch Provinz-Straßen Verfolgten des SED-Regimes gewidmet, oder Opfern von rechtsradikalen Schlägern? Es mag an der Ostalgie in Gemeindeverwaltungen liegen, aber wahrscheinlich ist es mehr eine allgemeine Gleichmut, die bleiern über dem Land hängt. Brandenburg altert, die Bevölkerung schrumpft schneller als in anderen Regionen Deutschlands. Die Jüngeren suchen die Veränderung woanders. Eher werden Dörfer abgebaggert oder an die Natur zurückgegeben, als Straßen umbenannt.

Der schönen Warenwelt der DDR

Ehemaliger Konsum in Friedrichshain - Foto: Henning OnkenSträucher wuchern vor dem ehemaligen Konsum in der Hübnerstraße. Bevor die DDR mit den meisten ihrer volkseigenen Produkte in die Welt der Anekdoten und Retro-Läden verschwand, roch es hier nach Pfandflaschen. In den Regalen lagen Schmalzfleischkonserven und “Böngers” genannte Karamellbonbons. Die Orangen-Limonade schmeckte wie vergorenes Fruchtwasser.

So habe ich als verwöhnter Wessi-Knabe einen Dorfkonsum in Mecklenburg-Vorpommern erlebt, zu dem mich meine Großtante bei einem DDR-Besuch schickte. Ich brachte ihr auch mehrere Graubrote mit, die sie vor den Augen der staunenden Besucher täglich an ihre Schweine verfütterte.

In Friedrichshain habe ich unter den umzugsfreudigen Anwohnern noch keinen getroffen, der hier vor 20 Jahren einkaufte. Heute versuchen sich in dem Gebäude gelegentlich Künstler als Galeristen. Für die Kaufgewohnheiten der jetzigen Friedrichshainer taugt die Ladenzeile aber nicht: Anwohner trotten lieber in die zuweilen einstürzenden Flachbauten von Aldi, Netto oder Rewe. Die warten tatsächlich alle nur ein paar hundert Schritte weiter am Alten Schlachthof, ein Kaufland wird auch noch gebaut.

Sicher machen sich in jedem Straßenzug nur jene Geschäfte breit, die der Bewohner dort aushält. Und das ist ein hartes Urteil über diese Gegend an der Grenze zwischen Friedrichshain, Prenzlauer Berg und Lichtenberg.

DDR-Bauten: Dem Erdboden gleich, doch groß im Kommen

Kurz vor dem Abriss war alles klar: “Lieber Palast, keine Angst – die bauen Dich wieder auf!” hatte jemand im Januar 2006 an den Palast der Republik geschrieben. Fast drei Jahre später reißen sie die Treppenhäuser ein – und träumen von Sonnendecks auf der grünen Wiese am Spreeufer. Die Volkskammer der DDR, Erichs Lampenladen, der Palazzo Prozzo versinkt endgültig in der Vergangenheit…

…und übertritt damit die Schwelle zum Reich der Mythen und Legenden, in dem FDJ-Hemden und Stasi-Kneipen Wärme stiften. Ja, es stimmt, heute ist nicht alle Tage. Sie bauen ihn wieder auf, sozusagen. Auf T-Shirts, Streetart-Stickern, in Bildbänden und Kalendern.

Bauen Sie den Palast wieder auf – zumindest in dieser Fotostrecke – oder sehen Sie ihm genüßlich beim Sterben zu!

Das ist der Geist der jungen DDR

Foto: Henning Onken

Nur nicht zu lange stehenbleiben und mit dem Nachbarn quatschen, vom Strausberger Platz bis zum Frankfurter Tor droht der Absturz. Die schönen Meißener Kacheln auf der größten Baustelle der DDR, sie fielen einfach herunter. Bei den Planungen zur Stalinallee, die in den Jahren 1951 bis 1957 überwiegend aus Trümmersteinen gebaut wurde, hatte man die Folgen der Witterung unterschätzt. Außerdem sollten die neuen Prachtbauten der Arbeiterklasse schnell fertig werden. Als Ersatz nahm man dann Kunststoffplatten. “Wie alle diese Stoffe sahen sie neu super aus und sind heute abgrundtief hässlich”, erzählt ein Rentner, der damals dabei gewesen sein will und den Kiez nicht verlassen hat. Es sei aber nur ein Planungsfehler gewesen, das sei im Westen genauso passiert, beharrt er.

Und heute? Nach der Wende wurde der Bauabschnitt unter Denkmalschutz gestellt – Vorwürfe von monumentalem Kitsch und Zuckerbäckerei hin oder her. Die meisten der Bauten sind längst durchsaniert und sogar die Kacheln glitzern wieder in unterschiedlichen Farbtönen. Vor sich hin rottende Abschnitte wie der auf dem Foto lassen sich erst auf den zweiten Blick entdecken. Und unter die Mieter der ersten Stunde mischt sich langsam eine junge Schicht von Zugezogenen.

Fotostrecke: Fassaden der Hauptstadt

Die Stasi-Brille

Am Sonntag in Potsdam in der Toilette eines Cafés ein Schild mit der Aufschrift: “Dieses WC wird videoüberwacht, zu Ihrer eigenen Sicherheit.” Das Schild hing in einer dunklen Ecke und fiel erst beim Verlassen des Raumes auf. Nirgends eine Kamera. Dennoch Protest darüber an der Theke eingelegt. Der Kellner antwortete nur lapidar, es sei der erste April. Liefe ich nicht wieder einmal mit der Stasi-Brille durch die Stadt, wäre ich mit der Erklärung zufrieden gewesen. Angesichts der Stasi-Brille aber Zweifel. Wer sich einen solchen April-Scherz einfallen lässt, muss einige Fantasie haben. Also doch eine Kamera im Seifenspender in dieser Potsdamer Toilette? In der künstlichen Blume auf dem Spiegelschrank? Video-Überwachung – ob real oder tatsächlich als Scherz gedacht – das erinnerte verdammt an Stasi-Methoden. ‘Die Stasi-Brille’ weiterlesen

Neue Kommentare

  • Thomas Feirer: echt coole Bilder …
  • Anonymous: achso hier meine email adresse zero88-denis@web.de
  • Anonymous: echt bei dir geht das noch? zu silvester wollen paar leute und ich schön gemütlich auf ein dach feiern ist...
  • Aileen: Ich hab mal ne frage: wo genau ist der Markt und hat der auch sonntags auf? lg
  • Ilse Fuehrhoff: Es gibt in Berlin tatsächlich noch sehr viele, eigentlich ungeahnt viele Hausfassaden oder auch...

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