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Archiv für das 'berlin-brutal'-tag

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Berlin brutal #7: Zündeln bis es richtig rummst

Das Auto musste lichterloh gebrannt haben, am nächsten Morgen war nicht mehr viel davon übrig. Arne hatte nichts bemerkt, seine Fenster gehen zum Hof hinaus. Das war vor etwa einem Jahr, seitdem sind über hundert Fahrzeuge in Flammen aufgegangen, das mediale Interesse hat jedoch deutlich nachgelassen. Der Prozess um den Wirt, der einen Minderjährigen mit Tequila abgefüllt haben soll, die Debatte um Jugendkriminalität – das Thema ist von der Agenda verschwunden. Schlechte Zeiten für eine Hand voll militanter Linker, die krampfhaft versucht, mit Anschlägen auf Luxuskarossen auf sich aufmerksam zu machen? Laut taz sind auch Kleinwagen Anschlagsziele gewesen, was für einigen Unmut in der Szene gesorgt haben soll- Geringverdiener zu treffen, hat mit Klassenkampf wenig zu tun.

Foto: Anne GriegerZielgerichteter mutet hingegen ein Plakat an, das seit kurzem an Friedrichshainer Stromkästen pappt: “Kriegsgerät interessiert uns brennend” steht darauf, ein Hinweis auf eine internationale Veranstaltung in Kreuzberg zu Antimilitaristischen Blockade- und Sabotageaktionen. Eine Aktivistin aus den Niederlanden wird über die Zerstörung einer militärischen Satelliten-Anlage berichten, ein Referent aus Irland darüber, wie er ein Militärflugzeug beschädigt hat. Die Veranstalter wünschen sich “eine anregende Diskussion für eine erfolgreiche Zukunft des antimilitaristischen Widerstands”.

All diese Informationen stehen frei zugänglich im Netz. Erstaunlich, wie schnell auch die Themen Internetüberwachung und Schäuble 2.0 von der Agenda verschwunden sind…

Berlin brutal #6: Eine Warschauerin im Berlin-Flash

Foto: Anne Grieger

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die erst mit der notwendigen Distanz ins Auge fallen: “Wie in einer anderen Welt” fühlte sich Agata T, noch keine Stunde zurück in Berlin. Das selbstgepinselte Schild, mit dem ein Unbekannter für die kostenlose Annahme alten Elektroschrotts wirbt – in Warschau undenkbar. “Komische Abkürzungen” wie “Vokü” (Volksküche) sind eher selten.

Und so trat unweigerlich das nostalgische Delirium ein, das viele fürchten, die die Stadt endgültig verlassen haben: Zurück zu wollen nach Berlin mit seinen großzügigen, verhältnismäßig günstigen Altbauwohnungen, schrägen Nachbarn, die nicht grüßen, aber heimlich abends ihre Hunde in den Hof machen lassen. Selbst der Waschsalon um die Ecke, in dem es immer nach Zigaretten roch, hat plötzlich seinen Charme.

Agata T. wird trotz eines Jobangebots von einer politischen Stiftung nicht in Berlin bleiben. Sie wird ihr Diplomzeugnis abholen und schnell in den Zug nach Warschau steigen. Und dort in Seminaren an der Universität Studenten für einen Auslandsaufenthalt im Nachbarland begeistern…

Fotostrecke: Berliner Seitenblicke

Berlin brutal #5: Höllenstraße in bester Lage

Foto: Anne Grieger

Foto: Anne Grieger

“Ich wohne am Kottbusser Damm. Gegenüber von mir ist ein Puff, und daneben ist ein Kiosk”, schreibt David, Schüler der fünften Klasse, über seine Straße.

“Ich finde es gut, dass neben mir die Pizzeria ist. Und vor meiner Haustür sind gleich auch die U-Bahnstation und auch eine Busstation, das finde ich auch gut. Ich finde es blöd, dass die Drogendealer das zum Versammlungsort gemacht haben. Ich finde es auch schlecht, dass ich niemanden in meinem Haus kenne. Ich muss auch einen Kilometer zur Schule gehen. Am liebsten würde ich umziehen, weil die sich sogar im Treppenhaus Drogen einspritzen. Wenn ich meiner Straße einen Namen geben würde, würde ich sie ‘Höllenstraße’ nennen.”

Im Rahmen des Projektes Kinderstraße – Die Straße, in der ich wohne, beschreiben Kinder ihr Wohnumfeld, ihre Sozialkontakte zu Nachbarn und Freunden. Nicht nur als Soziogramm eines Bezirkes, eines Kiezes oder einer Wohnstraße ist die Webseite aufschlussreich: Auch Wohnungssuchende können sich anhand der Beschreibungen ein besseres Bild machen. Sie werden aufmerksam auf Probleme, die auf den ersten Blick weniger offenkundig sind.

Eine Wohnung in der gleichen Straße wird beim Internetdienst Immobilienscout24 als Wohnung in “bester Lage” angepriesen:

“Die Wohnung liegt in zentraler und belebter Wohnlage im begehrten Wohnbezirk Kreuzberg. Nähe U-Bhf Schönleinstraße, unweit vom Maybachufermarkt. Diverse Einkaufsmöglichkeiten, Cafés und Restaurants, sowie öffentliche Verkehrsmittel befinden sich in der unmittelbaren Umgebung und sind hervorragend zu Fuß erreichbar.”

Ortskundige müssen da einfach schmunzeln..

Berlin brutal #4: 200 Meter mit dem Rad

Foto: Henning Onken

Staumeldungen für Fahrradfahrer – absurd, na klar. Aber eine Warnung für Friedrichshain wäre angebracht gewesen. Die Karl-Marx-Allee ist auch zwei Tage nach Silvester noch die reinste Müllroute. Zersplitterte Rotkäppchen-Flaschen, Böller und Raketenüberreste soweit das Auge reicht, nicht nur auf dem breiten Bürgersteig.

Wir schreien nach der Müllabfuhr, weil niemand auf die Idee kommt, das eigene Chaos selbst zu beseitigen. Ist ja nicht direkt vor der Haustür, sondern im anonymen Raum. Auch der Hof ist ein anonymer Raum. Dort sah es nicht anders aus, bis die Reinigungsfirma am Abend anrückte. Den platten Reifen repariere ich dann morgen.

Foto: Henning Onken

Berlin brutal #3: Eine Nacht bei Weihnachtsbäumen

Weihnachtsbäume am Spreewaldplatz in Berlin-Kreuzberg - Foto: Henning Onken

Auf dem Spreewaldplatz in Kreuzberg stapft die ganze Nacht ein Mann durch einen Tannenwald, einen künstlichen temporären Weihnachtsbaum-Wald, versteht sich. Dieser arme verfrorene Großstadt-Förster soll dafür sorgen, dass der Wald nicht vorzeitig zu einer Lichtung schrumpft, weil sich Passanten im Dunkeln bedienen. Immerhin gäbe das dem Platz seinen Namen zurück, denn Platz für etwas anderes außer Fichten ist hier kaum. Wie steht man das eigentlich durch, eine Nacht lang Weihnachtsbäume zu bewachen? Ich würde mich sehr warm anziehen und als Zeitvertreib die Bäume alle zehn Minuten durchzählen.

Überall in der Stadt sind in den letzten Tagen solche Weihnachtsbaum-Verkaufsstellen entstanden, viele werden offenbar rund um die Uhr bewacht – sogar mit Hunden. Meistens sind sie allerdings nicht offen zugänglich, sondern kleine mit Bauzäunen abgesperrte Gehege. Irgendwann lädt dort ein Laster Weihnachtsbäume ab, zumeist Ware aus Schleswig-Holstein, dem Sauerland oder dem Tannenbaum-Marktführerland Dänemark. Leider sind ärmeren Hauptstädtern Nordmannstannen für 15 oder 20 Euro zu teuer – sie legen stattdessen im Umland selbst einen Christbaum um.

Bleibt die Frage, ob sich die Weihnachtsbaum-Aufpasser einen Baum leisten können. Vielleicht wollen sie auch keinen, besonders nicht im Wohnzimmer – sonst fangen sie an zu zählen.

Fotostrecke: Berliner Seitenblicke

Berlin brutal #2: Eine mongolische Studentin erzählt

Im Dezember werden die Grenzkontrollen zu den meisten neuen EU-Mitgliedstaaten entfallen, und ab 2009 dürfen Polen, Tschechen und andere wohl endlich in der Bundesrepublik arbeiten. Alina nützt das herzlich wenig, für Nicht-EU-Ausländer ändert sich nichts. “Ich habe schon umsonst gearbeitet, am Anfang”, erzählt sie. Um den Lohn geprellt wurden auch Freundinnen. “Die wissen, ohne Papiere kann man sich nicht wehren.”

Als Teilnehmerin an einem Deutsch-Kurs hatte Alina zunächst keine Arbeitserlaubnis und jobbte in einer Eisdiele in Potsdam. Eine unschöne Zeit, es gab immer wieder Kunden mit “schlechten Manieren”, sagt sie. In dem Charlottenburger Café, in dem sie jetzt arbeitet, ist zumindest die Atmosphäre netter. Keine fremdenfeindlichen Musterdeutschen. Viele Gäste hocken stundenlang über ihrer Zeitung, aber am Ende haben die meisten doch nur zehn Cent Trinkgeld übrig.

Fallstrick Krankenversicherung

Eigentlich zählt Alina zu den Privilegierten, die Eltern sind Diplomaten. Die Entscheidung, dass die Tochter im Ausland studieren würde, fiel ohne deren Einwilligung. “Als 17-Jährige konnte ich nicht mitreden.” So lernte sie Deutsch, durchlief das für Ausländer obligatorische Studienkolleg zur Vorbereitung auf ein Studium und suchte sich einen Job als Kellnerin, um das Studium zu finanzieren.

Ein kurzer Krankenhausaufenthalt noch vor Semesterbeginn kostete Alina jedoch zwei Jahre: Ohne Krankenversicherung war die Privatrechnung für den Rettungswagen und einen kurzen stationären Aufenthalt immens. Mit 2500 Euro Schulden war an ein Studium erst einmal nicht zu denken.

“In der Mongolei ist vieles einfacher”, sagt sie. “Man kennt jemanden, der jemanden kennt, der einen behandelt.” Bestechung also? Alina lacht und spricht von “Freundschaftsdiensten”. Wenn sie in zwei Jahren nach Asien zurückkehren wird, will sie bei einer Hilfsorganisation arbeiten. “Dort gibt es so viel zu tun, die brauchen immer Leute.” Für Praktika während des Studiums bleibt keine Zeit.

Neue Kommentare

  • Thomas Feirer: echt coole Bilder …
  • Anonymous: achso hier meine email adresse zero88-denis@web.de
  • Anonymous: echt bei dir geht das noch? zu silvester wollen paar leute und ich schön gemütlich auf ein dach feiern ist...
  • Aileen: Ich hab mal ne frage: wo genau ist der Markt und hat der auch sonntags auf? lg
  • Ilse Fuehrhoff: Es gibt in Berlin tatsächlich noch sehr viele, eigentlich ungeahnt viele Hausfassaden oder auch...

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