
Machen wir uns nichts vor: Wir hängen an Lebensmittel-Discountern wie Junkies an ihrem Stoff. “Ich ziehe nirgendwo hin, wo kein Lidl in der Nähe ist” – das sagt eine Bekannte, die sich weder mit Glühwein aus Tetra Paks zuschüttet noch Billig-Fluppen raucht. Supermärkte sind die wahren Pulsadern urbanen Lebens, besonders in Berlin. Immer hat man etwas vergessen und wer seine Siebensachen für die Woche beisammen hat, kann beim Gang durch die Regale wenigstens den Zombie aus der Wohnung nebenan treffen – auch ein Grund, alle Tage wieder.
Erst wenn Autonome Kaiser’s anstecken oder am 1. Mai Penny plündern, ist Schluss mit Roter Grütze. Aber es ist vorerst unwahrscheinlich, dass dergleichen in Berlin wieder passiert.
Dabei ist es uns ziemlich egal, wie diese Ketten ihr Sortiment produzieren lassen oder mit ihren Beschäftigten umgehen. Letzteres erregt gerade die Gemüter: Lidl ließ Stasi-ähnliche Dossiers über Mitarbeiter anfertigen, samt Kamera-Überwachung im Pausenraum und Strichliste für Toilettengänge. Jede Woche war eine neue Filiale dran, erreichte ein neuer Spitzelbericht die Lidl-Herrscher in Neckarsulm – auch aus Berlin. Überdies ist seit Jahren bekannt, wie das Unternehmen mit Beschäftigten umgeht, die einen Betriebsrat gründen wollen.
Wo also weiter konsumieren, ohne solche Verhältnisse zu unterstützen? Bei der Konkurrenz von Edeka und Plus kommen wir offenbar vom Teufel zum Beelzebub – neue Enthüllungen belegen, dass auch dort gespitzelt wurde. Der Verdacht gilt auch für Drogerie-Markt-Kette Schlecker, deren Märkte so oft überfallen werden, dass man den oft allein tätigen Kassiererinnen eine schusssichere Weste als Arbeitskleidung wünschen muss. Und der Rest der deutschen Lebensmittel-Bagage? Rewe, Aldi, Tengelmann, haben die nicht auch Leichen im Keller?
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Foto: Christian Hetey
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