Wir bloggen Berlin – Blog News Bezirke

Monatsarchiv für Februar 2010

Wo die wilden Kerle wohnen

Sie haben alle Prozesse gegen ihren Vermieter verloren, aber lassen die Köpfe nicht hängen: Die Bewohner des Friedrichshainer Hausprojekts in der Liebigstraße 14 reagieren mit einer Charmeoffensive auf die drohende Räumung. Mit Info-Veranstaltungen und Konzerten wollen sie seit Wochen zeigen, wie sie wirklich leben und warum ein Fortbestand der Wohngemeinschaft auch für andere Berliner von Bedeutung sein könnte. Das Haus, das oft wie eine Trutzburg wirkt, öffnet seine Türen einen Spalt breit.

Dazu zählt auch eine Freiluft-Galerie mit Fotos von drinnen, die jemand an die Hauswand geklebt hat. Auf den Bildern ist das dicht plakatierte Treppenhaus zu sehen, bunt bemalte Türen und Gemeinschaftsküchen. Für den Betrachter öffnen Bewohner ihre Zimmer – und siehe da: es ist aufgeräumt, sogar die Nietenlederjacke hängt ordentlich am Haken.

Ganz anders informierte die Bild-Zeitung ihre Leser nach der Räumung eines Hausprojekts in der Brunnenstraße. Das Boulevardblatt präsentierte eine Bildergalerie nach dem Motto: Schaut her, so verlottert hausten die Chaoten.

Bilder der Fotoausstellung Inside-Out

Magersucht zum halben Preis

Da wo die Stadt aufhört und sich Wiesen ausbreiten, stehen Fabrikhallen, deren Besuch Teenager elektrisiert. Outlets, die markengeile Berliner anziehen wie  Technoclubs die Feierwütigen.  An der Tür zum Paradies, das einem einzigen Label gewidmet ist, wartet ein bulliger Sicherheitsmann. Jeder Besucher muss sich den Eintritt erst verdienen – sei es durch einen Presseausweis oder eine Einladung, die auf Antrag ausgestellt wird. Oder eben auch nicht.

Besucher kämpfen sich bei Elektro-Beats durch Klamotten-Regale, die sich an den Wänden bis zur Decke stapeln. Laufmaschen und leicht verrutschte Nähte stören hier niemanden. Die B-Ware ist günstig und Berlin arm. Nur Touristen gehen auf dem Tauentzien zu H&M oder Pimkie. Eine sehr blonde Frau mit Raucherhaut mit einem halben Dutzend Hosen überm Arm nervt eine Aushilfe mit der Frage, ob es den Männern gefalle, wenn die Jeans eng sind. “Ja, sicher”, antwortet diese und sortiert auf einer Trittleiter stehend den nächsten Hosenstapel.

Auf der Suche nach der ewigen Jugend kommen auch ältere Berliner. Vor einem Spiegel steht ein Mittvierziger mit Designerbrille und Dreitagebart, der ein schwarzes Sakko anprobiert. Es sitzt ihm spack am Körper, wie alles hier. Dieses wahrscheinlich von Kinderhänden billigst in Asien zusammen genähte Zeug kann eigentlich nur zu Magersucht verleiten, weil Durchschnittseuropäern erst Randgrößen wie 36/32 passen.

Eine sportliche Frau Ende 20 hat sich bereits durch einen Berg Jeans gezwängt und pendelt zunehmend hektisch zwischen Anziehkabine und Kleiderstapeln – Kate Moss wäre das nicht passiert. Ihr Freund hat die Suche bereits aufgegeben und wischt gelangweilt auf seinem iPhone hin und her. Nicht fündig geworden? Wir sehen uns beim nächsten Fabrikverkauf. Vielleicht in der Wustermark, direkt an der B5.

Meister, gib uns ein Zeichen!

Der Übervater der Street Art ist in Berlin und sitzt im Publikum, als sein Film “Exit Through The Gift Shop” auf der Berlinale läuft. So zumindest wurde das Phantom Banksy angekündigt – ein Brite, der mit seinen rebellischen Aktionen längst angekommen ist auf dem internationalen Kunstmarkt.

Es ist brechend voll, die Luft verbraucht und die Besucher angetan. Aber ist der berühmte Unbekannte wirklich in der Hauptstadt? Meister, gib uns ein Zeichen! Er könnte doch wenigstens auf dem Rückweg in sein Hotel irgendwo eine Schablone an die Wand halten, eine Dose schütteln und die Wand zu Gold machen, beklagt sich ein gelangweilter Journalist. Das wäre eine Geschichte!

Hat er wohl nicht getan. Banksys Berliner Hinterlassenschaften sind etwa sechs oder sieben Jahre alt und fast alle verschwunden. Übermalt, wegsaniert oder von einem Galeristen aus einer Friedhofswand in Mitte gemeißelt und für knapp 10.000 Pfund bei eBay verkauft. Ein Fan hat sogar eine Karte ins Netz gestellt, die Banksys Streifzüge durch Berlin verzeichnet. “Alle weg”, erzählte mir der Kollege. Wirklich alle? Nein, erst in der vergangenen Woche ist mir dieser Blumenstrauß-Autonome begegnet. Ein klassischer Banksy! Und diesmal sag ich zum ersten Mal nicht wo. Sucht doch in Hellersdorf!

Bildergalerie Berliner Streetart

Bürgerhaushalt 2011: Wünsch dir was

Habe ich etwas verpasst? Seit kurzem hängen Plakate  im Kiez, auf denen der Bezirk zu Bürgerversammlungen zum Bürgerhaushalt einläd. Klingt gut, aber bis ich das Prinzip verstanden habe, musste ich die Webseite des Bezirks einige Male lesen. In Friedrichshain und Kreuzberg können Bürger telefonisch oder schriftlich vorschlagen, welche Projekte 2011 finanziell gefördert werden sollen. Es werden nur zusätzliche Wünsche über den Topf des Bürgerhaushalts erfüllt – keine öffentlichen Gelder umverteilt.

Auf Bürgerversammlungen, die in diesen Tagen an acht Orten im Bezirk stattfinden, wird über die Ideen für das kommende Jahr abgestimmt. Die Vorschläge, die jeweils an den verschiedenen Abstimmungsorten die meisten Stimmen erhalten, werden an den Bezirk weitergeleitet, von der Verwaltung geprüft und schließlich in der Bezirksverordnetenversammlung diskutiert. Die BVV entscheidet auch, welche Vorschläge umgesetzt werden – ob etwa  mehr Geld für die Stadtteilbibliotheken ausgegeben werden soll, wie sich es einige Bürger wünschen oder für Fahrradständer vor Schulen. Oder für mehr Personal zur Hundekotbeseitigung in Grünanlagen.

Friedrichshain-Kreuzberg ist nicht der einzige Bezirk mit einem Bürgerhaushalt. Die meisten Bezirke haben die Idee vor zwei oder drei Jahren importiert:  übrigens aus Porto Alegre in Brasilien.

Bürgerversammlungen in Friedrichshain-Kreuzberg in diesen Tagen

Das Unglück beginnt mit einem Umzugslaster

Wientjes’ mobile bar from pz on Vimeo. via rebel:art

Zuerst hält eine Robbe und lädt feierwütige Studenten mit Ikea-Schreibtischen und Bücherkisten vor Altbauten ab. In der Öde verfallener Kieze gründen sie Kneipen, Cafés und Läden für seltsame Sachen, die keiner braucht. Dieses Gentrifizierungs-Szenario hat nun eine Berliner Künstlergruppe treffend persifliert: Auf den Pritschen von vier Umzugswagen haben sie eine Bar eingerichtet, stellen die Fahrzeuge an einem beliebigen Ort nebeneinander ab. Feiern mit allem, was für eine gute Kneipe dazugehört. Kaum hat sich der Standort herumgesprochen, düsen sie wieder davon – ohne die Mietpreise erhöht zu haben.

Soweit eine lustige Geschichte. Allerdings hätten die selbst ernannten Gentrifizierungs-Verhinderer ihre Kneipe woanders aufschlagen können als unter der Warschauer Brücke in Friedrichshain. Viele Berliner lassen dort ihre Bierflaschen fallen – auf dem Weg zu Clubs im südlichen Friedrichshain.  Dort gibt es nichts aufzuwerten.

Vielleicht hat Robben & Wientjes den Clip auch selbst gedreht. Aber Werbung braucht diese Firma eigentlich nicht. Wenn ich eine Robbe brauche, sind sie alle vermietet.

Zehn Meter tanzen, zwei gehen

Es sieht aus wie ein Tanz, den Fußgänger auf Berlins Straßen aufführen. Sie reißen die Arme hoch, zappeln auf dem Eis und schlagen manches Mal lang hin. Die Krankenhäuser füllen sich mit Verletzten, viele Ältere trauen sich nicht mehr vor die Tür. “Sauerei, die Räumdienste tun nichts”, ärgert sich ein Passant.

Den Winterdiensten sind offenbar viele “Saisonkräfte” davon gelaufen. “Zuverlässige Studenten oder Rentner gesucht” – mit solchen Anzeigen werden auch im Februar noch Hilfskräfte gesucht. Zwischen November und April bekommen viele Beschäftigte eine Pauschale um die 400 Euro und einen Zuschlag bei besonders vielen Einsätzen.

In milden Wintern ist dieser Job ein nettes Zubrot. Doch in diesem Jahr hätte es kaum schlimmer kommen können. Ich habe in meiner Studienzeit selbst eine Saison in einem dieser orangenen Bordsteinhopper gesessen, Schnee geräumt und gestreut.

Den Fahrern wird eine Tourliste ausgehändigt, auf der jedes Grundstück genau verzeichnet ist. Hier auf den Hof und dort einige Meter um das Haus herum, so geht es Straße für Straße. Dadurch entsteht eine chaotische Buckelpistenlandschaft, in der Fußgänger in einer Straße durch die Arbeit zehn verschiedener Räumdienste und diverser Privatleute stolpern. Zehn Meter pures Eis, zwei Meter nackter Stein, dann wieder drei Meter Splitt.

Wenn es gelingen würde, diese Arbeit abschnittsweise einer einzigen Firma zu übertragen, wäre viel gewonnen.

Neue Kommentare

  • Thomas Feirer: echt coole Bilder …
  • Anonymous: achso hier meine email adresse zero88-denis@web.de
  • Anonymous: echt bei dir geht das noch? zu silvester wollen paar leute und ich schön gemütlich auf ein dach feiern ist...
  • Aileen: Ich hab mal ne frage: wo genau ist der Markt und hat der auch sonntags auf? lg
  • Ilse Fuehrhoff: Es gibt in Berlin tatsächlich noch sehr viele, eigentlich ungeahnt viele Hausfassaden oder auch...

Zufallsfotos

Kostenlos abonnieren

Unser RSS-Feed enthält alle neuen Artikel. Ihr könnt sie auch bequem als E-Mail abonnieren
www.fensterzumhof.eu gibt es jetzt auch in einer Smartphone-Version

Anzeige

Berliner Streetart

Berlin bei Nacht

Berliner Plakate

Fassaden der Hauptstadt

Berliner Hinterhöfe

Andere Blogs


Wenn Sie auf dieser Seite verbleiben, stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Mehr Informationen

Diese Website verwendet Cookies, um Anzeigen zu personalisieren. Informationen zu Ihrer Nutzung dieser Webseite werden an Werbepartner weitergegeben. Indem Sie weiter auf dieser Website navigieren, ohne die Cookie-Einstellungen Ihres Browsers zu ändern, stimmen Sie dieser Verwendung von Cookies zu.

Schließen