Kies knirscht, es klingt als würde jemand graben. Kurz darauf Glockenläuten. Ein Friedhof? Oder doch die Müllabfuhr bei einer Aufräumaktion nach einer Großveranstaltung? Tatsächlich handelt es sich um eine Anlieferung von Briketts, die Ludovic Fresse in einer polnischen Kleinstadt aufgezeichnet hat. Eine richtige Deutung der Geräusche gelang nur zwei Frauen aus Polen. Für sein neues Projekt Unsere Unterschiede sind ähnlich hat der französische Kulturwissenschaftler und Aktionskünstler Alltagsgeräusche, Stimmen und Musik in Polen, Deutschland und Frankreich eingefangen. Er hat Interviewpartner aus den drei Ländern gebeten, diese Geräusche einzuordnen und zu kommentieren. So entstand ein dreisprachiges Hörspiel, das heute abend in der Juno-Galerie vorgestellt wird.
“Geräusche sagen viel über die wirtschaftliche und soziale Situation eines Landes aus”, sagt Ludovic F. Auch über kulturelle Besonderheiten und Lebensstile. Der Alltag in einer polnischen Kleinstadt klingt anders als in einer deutschen. “Die meisten polnischen Frauen tragen Schuhe mit Absätzen.” Das hallt dann in engen Gassen besonders laut.
Unterschiede, Gemeinsamkeiten, die Bedeutung und Deutung der Nachbarländer – diese Themen beschäftigen den 27-Jährigen seit längerem. “Die Idee des Weimarer Dreiecks [das Forum, das die deutsch-französisch-polnische Zusammenarbeit fördern soll] sollte nicht nur ein Elitenprojekt sein, sondern auch greifbar für die Bürger der drei Länder.” Von “Völkerverständigung” spricht Ludovic F. nicht: Zu abstrakt. “Wir sollten das Projekt stärker im Alltag verankern.”Mit dem Hörspiel will Ludovic F. Neugier für die Nachbarländer wecken. Einen Bezug zu einem der beiden Nachbarstaaten hatten zwar alle Befragten; in Frankreich, Deutschland und Polen gelebt haben aber nur zwei polnische Studentinnen. Und Ludovic F. natürlich. Der spricht auch alle drei Sprachen fließend.
Ludovic Fresse, “Unsere Unterschiede sind ähnlich”, Juno-Galeria/der Culturia-Galerie, Rungestraße 22-24, S- und U-Bahn Jannowitzbrücke, Eingang auf der Spree-Seite, 20 Uhr.
wahrscheinlich könnte man von Blinden noch viel mehr darüber herausfinden, wie sich der Klang von Stöckelschuhen in den drei Ländern unterscheidet. Die können ja oft mit den “Ohren sehen”. Aber das wär dann wohl schon wieder ein Elitenprojekt…