“Junge Berliner zieht es nach Friedrichshain.” Ich ertappe mich dabei, bei solchen Überschriften hängen zu bleiben, obwohl sie nicht viel Neues versprechen. Klar: Friedrichshain ist kiezig, Leute fahren dort Pornofahrräder und Hollandräder, alles ist ein bisschen rott und es gibt dort mehr bezahlbare Studentenbuden, als etwa in Prenzlauer Berg oder Kreuzberg.
Aber in dem Morgenpost-Artikel mit nun geändertem Titel geht es gar nicht um junge Berliner, sondern um Familien. Eine Studie des Potsdamer Instituts für Soziale Stadtentwicklung hat ergeben, dass Leute mit Kindern seit einigen Jahren auf städtische Randbezirke wie Reinickendorf, Spandau, Treptow-Köpenick oder Zehlendorf ausweichen. Von einem “Zurück in die Stadt” könne deshalb keine Rede sein, Bezirke in der Innenstadt seien oft wenig familienfreundlich – sieht man von den östlichen Szene-Vierteln einmal ab. Verlierer sind der Studie zufolge vor allem Westbezirke wie Charlottenburg und Neukölln.
Wenn es nur um Familien und eine familienfreundliche Infrastruktur ginge. Hartmut Häußermann, Professor für Stadtsoziologie an der Humboldt-Universität, sieht die Konfliktlinie eher zwischen Armen und Besserverdienern. In einem Interview mit Spiegel Online sagt er, Ärmere würden aus den Stadtzentren verdrängt, weil das Geld für hohe Mieten oft nicht ausreiche. Für Gutverdiener mit Kindern gäbe es hingegen kaum eine Alternative zur Innenstadt: Wenn beide Elternteile arbeiteten und kein Personal angestellt werde, das die Kinder zum Ballett und zur Nachhilfe bringt, seien kurze Wege wichtig.
Um benachteiligten Kindern und Jugendlichen die Erfahrung zu ersparen, in Vierteln aufwachsen zu müssen, in denen niemand mehr arbeiten geht, spricht sich Häußermann für einen neuen sozialen Wohnungsbau in besseren Stadtteilen aus. Entscheidend sei, dass Kinder in gemischtere Schulen gingen. Anders als in der Vergangenheit sollten kleinteilige Bauvorhaben gefördert werden – etwa Neubauten in Baulücken. Mittelschichtsfamilien will der Stadtsoziologe notfalls mit subventionierten Mieten in problematischere Quartieren locken, um eine bessere Durchmischung zu erzielen.
Gute Ideen, die einige Überzeugungsarbeit erfordern. Dass diejenigen, die sich in der Innenstadt gut eingerichtet haben, eine solche Initative unterstützen würden, ist unwahrscheinlich, von einer Lobby benachteiligter Berliner ganz zu schweigen. Aber es gibt sie, die Konzepte mit Präventionscharakter für eine bessere Integration Ärmerer.