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Bethanien: Freiraum weggerechnet?

Besetzter Südflügel des Bethanien - Foto: Henning OnkenAbgebrochene Spritzen, Hundehaufen und Graffiti beklagte Christoph Tannert, Leiter des Künstlerhauses Bethanien, auf dem Gelände am Mariannenplatz und nannte im gleichen Atemzug die Hausbesetzer. Der Ruf des international renommierten Künstlerhauses stehe auf dem Spiel, wenn das Bethanien zu einer “Besetzerhochburg” werde, hatte Tannert bereits vor ein paar Tagen dem Tagesspiegel gesagt und mit dem Auszug des Künstlerhauses gedroht.

Die ungeliebten Nachbarn, die im Sommer 2005 den leerstehenden Südflügel des ehemaligen Diakonissen-Krankenhauses in Beschlag nahmen und das Bethanien vor allem als soziales und politisches Projekt begreifen, finden das weniger komisch. Die Vorwürfe seien “absurd”, der Leiter des Künstlerhauses unbeweglich. Die Schlammschlacht ist im vollem Gange.

Für das Projekt Bethanien insgesamt fatal, denn in den kommenden Monaten sollen die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Bis Ende des Jahres muss der Runde Tisch zur Zukunft des Bethanien, ein Gremium aus Politikern, Nutzern und Anwohnern, ein Nutzungs- und Finanzierungskonzept erarbeiten, das den Senat überzeugt. Der ist Besitzer des Gebäudes und will ab 2008 jährlich “kalkulatorische Kosten” in Höhe von 800.000 Euro, eine Summe, die der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg als Verwalter unmöglich aufbringen kann. Diese fiktive Kapitalverzinsung bemisst sich nach dem “Wiederbeschaffungswert” des Gebäudes – nach einer Berechnung des Senats rund 32 Millionen Euro.

“Schmuddelkinder” im Südflügel?

Neben der Diskussion um ein Finanzierungskonzept für das Gebäude stehen Verhandlungen der Besetzer mit dem Bezirk über einen Mietvertrag im Raum. Die Hausbesetzer bewohnten das Gebäude auf Kosten des Bezirks und damit gesponsort vom Steuerzahler, lautete der Hauptvorwurf gegen die Leute aus der früheren Yorck59. “Die Verhandlungen mit dem Bezirk über einen Mietvertrag sind ins Stocken geraten”, so ihre Version der Geschichte. Verträge würden schon deshalb angestrebt, um eine dauerhafte Grundlage für das Hausprojekt zu schaffen. In der Yorckstraße gab es Verträge und ein Konto, auf das die Bewohner ihre Miete überweisen konnten.

Dass der Bezirk keine Mietverträge mit den Besetzern abschließen will, bevor ein Gesamtkonzept für das Bethanien steht, erscheint wenig verwunderlich. Sollten das Künstlerhaus und die Druckwerkstatt ernst machen und sich tatsächlich einen anderen Standort suchen, brechen dem Bezirk weitere Mieteinnahmen weg, die dringend gebraucht werden. Es würden sich schnell neue Mieter finden, glauben die Besetzer. Aber ob sich der Bezirk mit der vorübergehend ungeklärten Situation arrangieren kann?

Das Horrorszenario einer Privatisierung erscheint durchaus real. In unmittelbarer Nachbarschaft, im Block 100 (auch “Penny Block”), hat sich eine Anwohner-Initiative formiert, nachdem bekannt wurde, dass der Block an der Naunyn-Straße verkauft werden soll. Wer der Privatinvestor ist, wissen die Bewohner bis heute nicht.

Website New Yorck 59 im Bethanien
Initiative Zukunft Bethanien

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7 Kommentare zu “Bethanien: Freiraum weggerechnet?”



  • Freiraum weggerechnet?

    Auf diesen schiefen Blick muss man erstmal kommen…

    Für diesen ‘Freiraum’ für meist verwahrloste Bürgersöhnchen muss der hochverschuldete Bezirk mit Hunderttausenden aufkommen, Geld dass die Bevölkerung als Steuern erstmal einzahlen muss.

    In Zeiten, da für die Farbe für die Wände von Schulen kein Geld da ist müsste eigentlich Schluss sein mit solchem ‘Wohlstands-Schmarotzerluxus’ wie ihn die Besetzer von Bethanien predigen.


  • Ist halt ein bisschen die Standardbrille mit den “meist verwahrlosten Bürgersöhnchen” und den Hunderttausenden des Bezirks – beides nicht so recht richtig, aber vage genug. Nicht mitgedacht wird der andernfalls zu bezahlende Leerstand oder die attraktiven Alternativen. Und dann wird gejammert über das Fehlen von Geld für die Wände von Schulen – aber eben auch nix getan, um dem Mißstand abzuhelfen.

    Dann ist mir die Selbstermächtigung von Menschen und ihr sicher nicht-perfektes Zusammentun zum Hinterfragen und Ändern von Dingen schon sympathischer, wie es im Bethanien seit 2 Jahren immer wieder passiert – mit dem Bürgerbegehren gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums (dem Bethanien) und für eine Alternative (ein Haus für Kunst, Kultur, Soziales und Politisches), der Diskussion und Vernetzung mit der Nachbarschaft (“Offene Kieztreffen”), der Thematisierung von Berlin-weiten Mißständen (Stichwort “Kalkulatorische Kosten”), dem Umgang mit Flüchtlingen, der Verdrängung von MieterInnen, usw. Wie weit das ein “Wohlstands-Schmarotzerluxus” ist oder ein Nicht-im-Schneckenhaus-Bleiben, ist sicher Interpretationssache.

    Ist sehr schade, dass die üblichen Klischees doch immer wieder wirken, zusammen mit so schlechter Information.


  • @Manfred Klein

    Da stellt sich doch die Frage, wo hier die Klischees sind. Ich empfehle die Besichtigung des Bethanien, das einmal als Künstlerhaus gedacht war und aus dessen Müll die Künstler nun entnervt ausziehen werden.
    Und das mit den Kosten bleibt: Wer auf Kosten anderer lebt und darauf hofft, daß die arbeitende Allgemeinheit seine Wohnung, seinen Strom, seine Heizung bezahlt, obwohl er dies selber könnte, der ist und bleibt ein Schmarotzer. In diesem Falle auf Kosten der ohnehin bankrotten Stadt.
    Da hilft auch keine vulgärmarxistische Verbrämung der Faulheit.
    Jedem Arbeiter, jedem Angestellten, dem dieses Geld vom Konto abgebucht wird, muss da das Messer in der Tasche aufgehen.
    Und Leerstand ist kaum zu befürchten, Interessenten, die sanieren würden, gibt es ja genügend.


  • Schade das Herr Tannert die Herausforderung nicht annimmt die sich dort bietet. Kunst als Vermittler zwischen den verschiedenen Nutzergruppen einzusetzen. Den Konflikt zum Thema machen. Dafür sind sicher keine Sponsoren zu finden. Das ist der Künstlerische Offenbarungseid einer “Kunstszene” die fett im Sessel hockt und sich viel zu wichtig nimmt.


  • @Arno Paulus

    Zwischen was bitte sollen die Künstler vermitteln – zwischen
    wohlstandsgeschädigten Junkies und wem ?

    Wieso ist die Verweigerung sich den tagtäglichen Unzumutbarkeiten auszusetzen ein Offenbarungseid für die Kunst?
    Die Kunst hätte wichtigere Anliegen als diese.

    Es steht Arno Paulus frei, sich selber zu engagieren – es ist nun das allerbequemste, andere zur Konfliktbewältigung aufzufordern und sich dann bequem im Intellektuellensessel zurückzulehnen und Theorien zu schmieden.


  • @Arno Paulus

    Zwischen was bitte sollen die Künstler vermitteln – zwischen
    wohlstandsgeschädigten Junkies und wem ?

    Wieso ist die Verweigerung sich den tagtäglichen Unzumutbarkeiten auszusetzen ein Offenbarungseid für die Kunst?
    Die Kunst hätte wichtigere Anliegen als diese.

    Es steht Arno Paulus frei, sich selber zu engagieren – es ist nun das allerbequemste, andere zur Konfliktbewältigung aufzufordern und sich dann bequem im Intellektuellensessel zurückzulehnen und Theorien zu schmieden.


  • “Und das mit den Kosten bleibt: Wer auf Kosten anderer lebt und darauf hofft, daß die arbeitende Allgemeinheit seine Wohnung, seinen Strom, seine Heizung bezahlt, obwohl er dies selber könnte, der ist und bleibt ein Schmarotzer. In diesem Falle auf Kosten der ohnehin bankrotten Stadt.”

    1. Wer lebt auf kosten anderer? Leben wir im Kapitalismus oder nicht? Was ist das für eine hirnrissige Behauptung…

    2. Wer außer Ihnen behauptet, die “Besetzer” hoffen, dass die “arbeitende Allgemeinheit” für sie aufkommt? Die BILD? Fakt ist, dass die Leute Miete zahlen würden, wenn sie einen Vertrag hätten. Den bekommen sie aber nicht, weil einige verbohrte Ideologen in der BVV ihnen ebendiesen verweigern. Um gleich irgendwelchen Scheinargumenten vorzubeugen: ja, es gibt auch befristete Mietverträge!

    3. Wenn die “bankrotte Stadt” einer Elite-Uni in Mitte mit Studiengebühren, die sich wirklich nur Großbügersöhnchen und -Töchterchen leisten können, das ehemalige Staatsratsgebäude der DDR für einen symbolischen Euro Miete überlässt oder die Ansiedlung von Universal oder MTV/VIVA großzügig mit Steuergeldern gefördert wird, ist das kein Problem?

    V.A. steht es Max Lippmann alias Felix Schindler frei, “sich selber zu engagieren”. Es ist nun das allerbequemste, andere zu diffamieren, weil man deren Weltsicht nicht mag und sich dann im Computersessel zurückzulehnen und Halbwahrheiten zu postulieren.

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Neue Kommentare

  • Thomas Feirer: echt coole Bilder …
  • Anonymous: achso hier meine email adresse zero88-denis@web.de
  • Anonymous: echt bei dir geht das noch? zu silvester wollen paar leute und ich schön gemütlich auf ein dach feiern ist...
  • Aileen: Ich hab mal ne frage: wo genau ist der Markt und hat der auch sonntags auf? lg
  • Ilse Fuehrhoff: Es gibt in Berlin tatsächlich noch sehr viele, eigentlich ungeahnt viele Hausfassaden oder auch...

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