Ich warte auf eine Zitty-Titelgeschichte zum Thema “Wo liebt Berlin am besten?” Das wäre mal wieder überfällig, und ich tippe auf Friedrichshain. Dort wird man von Liebesbotschaften regelrecht verfolgt. Auf der Frankfurter Allee hat jemand eine Radfahrer-Ampel zu einer Liebes-Ampel umfrisiert. Ein einsamer Mensch, der diesen Weg jeden Tag fährt und durch Zufall immer wieder mit der gleichen Frau an der Ampel steht? Oder vielleicht die Stadtverwaltung, die bei einer Auswertung der Berliner Unfallstatistik überdurchschnittlich viele Fahrradunfälle auf der Frankfurter Allee registrierte? Nach dem Motto: Denkt an eure Lieben, achtet auf rote Ampeln und riskiert keinen Zusammenstoß mit Autos – auch wenn ihr im Recht seid?
Ähnlich uneindeutig die Botschaften in der Warschauer Straße. Alle Laternen sind mit blauen Aufklebern “Besser Sex für Geld als kein Sex und kein Geld” zugekleistert. Darüber klebt pink “Orgasmusgarantie”. Klingt verzweifelt, sieht nach Kunst aus, ist aber in Wirklichkeit Reklame für einen neuen Film. “Frech, den öffentlichen Raum so in Beschlag zu nehmen”, sagte ein Freund, dem ich von der Aktion erzählte.
Das Private scheint öffentlich in Friedrichshain, aber der Schein trügt immer wieder. Spätestens seit Roland Brückner mit Linda-Plakaten halb Friedrichshain an seiner unglücklichen Liebesgeschichte teilhaben ließ – diese Aktion war übrigens auch Kunst und keine wahre Geschichte – gehen wir mit offeneren Augen durch den Bezirk. Auf der Suche nach neuen Geschichten, aber auch skeptischer.
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