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Verloren zwischen Spielsucht und Schokolade

Foto: http://www.flickr.com/photos/dogfrog/

Er klaut tatsächlich Schokolade bei Lidl. Warum eigentlich? Und: Ist es das Einzige, was Danny-Boy isst? Ich fürchte ja. Dieser Typ mit Irokesenschnitt und Daunenjacke war in besseren Zeiten ein DJ, der alles gab für elektronische Musik. Das sah man an der Art wie er tanzte, aber auch in diesem irren Blick, der einen hineinzog in die ewig wummernde Beatbox. Er war ein Geist, der quasi bis zu den Nebelschwaden des Orion gereist war und Schönes mit zurück brachte. Lauter Schöne Dinge eben, die er mit anderen zu teilen wünschte.

Jetzt verbringt Danny-Boy die Nächte mit einem Online-Spiel, bei dem übernächtigte Menschen aus aller Welt fremde Planeten erobern und verteidigen müssen. “Sie zocken jede Nacht zusammen”, erzählte mir ein Bekannter, der dort hin und wieder mitspielt. Danny und seine Kumpels kämpfen im Team und manch einer von ihnen lässt dabei das raumzeitliche Kontinuum einfach im Hintergrund weiterrauschen. “Die Tante vom Soz’ nervt, da geh’ ich nicht mehr hin. Ich will nicht sein, was ich bin. Ich will, was ich erträume…”

Danny ist Teil einer Netzgesellschaft, die selbst Mitglieder in Peking hat. Die Spieler entdecken gemeinsame Interessen und lernen zusammen zu kämpfen. Klassenbewusstsein also? Unsinn, diese Menschen leben in einer fiktiven Welt. Zieht man den Stecker raus, ist sie hin. Das würde wahrscheinlich Dannys Mutter sagen.

Gibt es eigentlich einen einzig wahren selig machenden Datenkanal? Doch, die Frage ist berechtigt, schließlich leben wir in einer Welt, die uns jeden Tag ein Stück weiter vernetzt. Die uns irgendwann klickbar macht, wie Desktop-Icons, uns hineinzieht in eine andere Wirklichkeit - wie Dannys Beatbox-Blick aus besseren Tagen?

Ich kann nur eines mit Bestimmtheit sagen: Danny-Boy sah müde aus, sogar sein Hund sah müde aus. Fremd wie ein Fremder in einem fremden Land. “Ich hätte ein besseres Gefühl, wenn er sich hin und wieder mal einen Salatkopf unter die Daunenjacke stecken würde”, sagt seine Mitbewohnerin.

Foto: dogfrog




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