Anti-G8-Training heute im Görlitzer Park: Wollte mich unauffällig unter die Menge mischen und mal hören, was so geplant ist. Diese Salami-Taktik funktioniert in der Regel prima und ich kriege mehr raus. Etwas arglos lief ich herum und spitzte hier und da die Ohren. Eine Journalistin interviewte gerade Raphael, einen 26-jährigen Geschichtsstudenten, der die organisatorischen Strukturen des Anti-G8-Protests erläuterte.
Die Reporterin, eine Mittfünfzigerin mit aufblondiertem Haar, schwitzte beträchtlich unter ihrem Regencape. Die goldenen Armbänder hatte sie vergessen abzunehmen - perfekt war die Tarnung also doch nicht. Ich konnte beim besten Willen nicht herausfinden, für welches Blatt sie unterwegs war.
Ob die Gruppe denn geschlossen anreisen würde, es gäbe ja diverse Busunternehmen, die inzwischen kommerziell über das Internet mit G8-Touristenfahrten werben würden, fragte die Journalistin. Dem Studenten war anzusehen, wie sehr er kämpfte, sein Gesicht unter Kontrolle zu halten. Höflich aber bestimmt klärte er die Frau auf, dass es sich keineswegs um eine geschlossene Bewegung oder Organisation handele, sondern um lauter lose Gruppierungen, die sich zusammengeschlossen hätten, um ein Zeichen zu setzen. Das Training sei notwendig, um Neulinge mit dem ABC von Protestaktionen vertraut zu machen.
Was tun, wenn die Polizei einen Kessel bildet, und bedrohlich näher rückt? Was, wenn einzelne Leute innerhalb der sogenannten “Bezugsgruppe” plötzlich klaustrophobisch werden, und nur noch das Feld räumen wollen? Bezugsgruppen bestehen in der Regel aus nicht mehr als zehn Leuten und treten gemeinsam auf. “Das ist wichtig, wenn es zu Verhaftungen kommt”, setzte mir Hans, 30, die Strategie später noch einmal im Detail auseinander. “Wir wissen dann, ob Leute willkürlich festgehalten werden.” “Bezugsgruppendelegierte” berichten jeweils einer koordinierenden Instanz, welche Entscheidung - Rückzug oder Aufrechterhaltung der Blockade - innerhalb einer Gruppe getroffen wurde.
Entscheidend für den Erfolg der Demonstration sei die Kommunikation zwischen den Bezugsgruppen, sagte ein Typ, der sich ein mit einem Polizeihut auf dem Kopf Gehör zu verschaffen wusste und das Training leitete. Eigenartig, wie wirksam solche Symbole sind, dachte ich, um dann gleich festzustellen, wie destruktiv ein Verstoß gegen den legeren Dresscode für die weitere Informationsbeschaffung sein kann:
Ein Reporter in weißem Hemd, mit Sonnenbrille im Haar und Schal um den Hals machte gar keine Anstalten, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, notierte aber akribisch alle Kommunikationsstufen, die erläutert wurden. Er stach derart aus der Gruppe der G8-Kritiker heraus, daß er dem Initiator des Trainings fast die Show stahl.
Aber er war nicht der Einzige - das Aufgebot an Journalisten war insgesamt beeindruckend. Was wir morgen wohl in den Sonntags-Zeitungen lesen werden?
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