Tag Archiv für 'mitte'

Zwei Hinterhofwelten in Mitte und Kreuzberg

Hinterhof Friedrichstraße Mitte

Hinterhof Kreuzberg

Vor wenigen Wochen ist der S-Bahnhof Friedrichstraße 125 Jahre alt geworden. Die Straße ist seit der Nachwendezeit eine Baustelle, die sich immer weiter verlagert. Erst entstanden Einkaufsmeilen, dann wurden alte Kulturstätten wie der Admiralspalast wieder aufgebaut und seit letztem Jahr ist am Tränenpalast ein zwölfgeschossiges Bürogebäude im Bau. Nebenan steht in einem der letzten unsanierten Hinterhöfe ein Mercedes. Das schnittige Auto parkt hinter einer Schranke. Wir sind in Mitte.

Im Kiez um den Görlitzer Park geht es geruhsamer zu. Kinder spielen in den Straßen, bei schönem Wetter ist das Ufer am Landwehrkanal voller Spaziergänger. In einem Hinterhof der Ratiborstraße steht ein alter Wohnwagen. Wild wachsende Pflanzen, ein leeres Planschbecken und Holzhütten erinnern an eine Vorstadt. Schranken gibt es hier keine. Wir sind in Kreuzberg.

Fotostrecke: Berliner Hinterhöfe

Nachtschicht für Berlins 24-Stunden-Gesellschaft

Nachtschicht auf der Baustelle

Sie flicken Straßen, wischen Bahnhöfe oder legen Platten in verrauchten Clubs auf. Ihre Brötchen kaufen sie auf dem Nachhauseweg und gehen nach dem Frühstück schlafen. Nachtarbeit. Wer Glück dabei hat, kann sich mit einem saftigen Zuschlag darüber hinwegtrösten, am Wochenende nicht mehr auf dem Flohmarkt stöbern zu gehen. Nicht einfach auch, sich vor der Sonne verbergen zu müssen, um Schlaf zu finden - wenn einen die Nachbarn denn lassen und das Telefon abgestellt ist.

Wir begegnen ihnen, wenn wir unsicheren Schrittes aus einem Club kommend auf den Nachtbus warten oder ein Taxi heranwinken. Wir gehen an ihnen vorüber, wie an diesem Bauarbeiter in der Leipziger Straße in Mitte. Wann denkt der eigentlich an Party? Auch der Pförtner, an dem ich allabendlich vorbeikomme, schaut stets mit dem gleichen ungerührten Blick kurz von seiner “B.Z.” auf und ist dann wieder allein. Wenn am Morgen die Welle des Berufsverkehrs anrollt, fällt er ins Bett.

Großstadt oder Vorstadt der hochgeklappten Bürgersteige?

Nachtarbeit. Muss das sein, müssen wir 24 Stunden sieben Tage in der Woche shoppen gehen, wie in einem Wilmersdorfer Supermarkt? Ja, zum Teufel, alles andere wäre die Vorstadt der hochgeklappten Bürgersteige, sagt eine Freundin voller Abscheu. Wo steht geschrieben, dass ein Mensch tagsüber arbeiten und nachts schlafen soll? Lasst uns Berlin künstlich ausleuchten, damit sich der Biorhythmus umstellt und die alte Lärmschutzverordnung kippen. Dann sind die Schulden der Hauptstadt schneller abgearbeitet und die Stadt bekommt einen neuen Standortvorteil.

Das ist wahrscheinlich Unsinn. Genau wie die Vorstellung mancher Kreativlinge, man könne nur nachts vor dem Laptop hocken, um Texte wie diesen zu schreiben. Gute Nacht!

Fotostrecke: Berlin bei Nacht

Alexa: Der nächste Konsumtempel kommt bestimmt

Baugrube Alexa-Kaufhaus

Alexa Eröffnung Alexanderplatz

Ab morgen hat Berlin wieder eine Baugrube weniger und ein Riesen-Einkaufszentrum mehr: Nach den Potsdamer Platz Arkaden, dem Eastgate in Marzahn, dem Schloss in Steglitz und vielen anderen Shopping-Centern der Innenstadtbezirke wird das “Alexa” am Alexanderplatz eröffnet.

Es gibt also mal wieder was zu feiern in Berlin, und tausende Hobby-Shopper werden sich um die Eröffnungs-Angebote kloppen. Das Chaos am Alex - es wird sich noch vergrößern, wenn Käufer ihre frisch erstandene Playstation wieder umtauschen wollen, weil es das Ding bei Saturn gegenüber 20 Euro günstiger gibt.

Was für eine Pracht - dieser schöne Betonklotz. Für den portugiesischen Investor betont das Alexa gar die weibliche Seite des Alexanderplatzes. Berlin, Hauptstadt der Einkaufscenter, wir warten schon auf das Nächste. Diese mit viel Glas, Marmor und oft hunderten von Geschäften Bauten sind interessanter als Kirchen im Mittelalter. Trotzdem muss die Frage erlaubt sein, wozu wir eigentlich so viele davon brauchen? Wer soll das alles kaufen?

Wowereit schneidet im KadeWe eine Torte an

Seit 1993 hat sich die Zahl der Einkaufscenter mit mehr als 10.000 Quadratmetern Einkaufsfläche in Berlin mehr als verdreifacht. Hamburg hat nur 13, in München sind es nur vier. Einzig Berlin hatte schon vor zwei Jahren 32. Und wenn die Mutter aller Hauptstadt-Kaufhallen, das KadeWe Geburtstag hat, kommt der Bürgermeister und schneidet eine riesige Torte an.

Freunde der schönen neuen Shopping-Welt machen geltend, dass wir nicht mehr in die Einkaufsparks auf der grünen Wiese im Umland fahren müssen, um unsere Konsum-Bedürfnisse zu befriedigen. Neue Einkaufszentren in der Innenstadt beleben das Zentrum neu und sind ein Segen für den ganzen Bezirk, so die Theorie.

Dennoch ist fast überall augenfällig, wie isoliert diese Bauten von den Kiezen stehen, in die sie geklotzt wurden. Wachschützer stehen dort oft herum wie Einlasser in eine andere Welt. In der ebenfalls am Alex gelegenen Rathauspassage wird Alfred Döblins “Berlin Alexanderplatz” gelesen. Das wirkt wie eine kleine Annäherung an die Umwelt, immerhin…

Update: Kaufrausch um Mitternacht

“Wo spielt hier Tokio Hotel?”, scherzte staunend ein Passant über die Menschenmassen rund um das Alexa. Ab 23 Uhr ging nichts mehr rund um das neue Einkaufszentrum. Der Star hieß Kodak und war eine Digicam, die zur Eröffnung um 0:00 für 60 Euro zu haben war. Die Polizei gab sich alle Mühe, die Horde zu kanalisieren und hatte augenscheinlich mehr zu tun als bei einem Hertha-Spiel. Erstaunlich, was zweiseitige Zeitungsannoncen und Beilagen mit Eröffnungsangeboten bewirken können. Fast fühlte man sich erinnert an eine Szene in George Orwells 1984. Da glaubt der Protagonist bei einem Tumult an den Beginn einer Revolution - doch es war nur ein Run auf günstige Kochtöpfe.

Anscheinend hat es bei dem Sturm auf die Billig-Angebote sogar Verletzte gegeben, als sich die Horde gegen eine der Glastüren presste. Die Geschäftsleitung des Media-Marktes kapitulierte schließlich vor den Massen und vertröstete sie auf später.

Alexa Eröffnung Alexanderplatz

Alexa Eröffnung Alexanderplatz

Unter Verdacht - Andrej H., ein Terrorist?

Soziologen müssen wie “Läuse im Pelz” sein: Kritisch und hartnäckig, wenn es darum geht, soziale Missstände aufzuklären und die gesellschaftliche Chancengleichheit stets im Blick behalten. So gehört auf einer Einführungsveranstaltung für angehende Sozialwissenschaftler an der Universität von Amsterdam.
Andrej H., einem Soziologen der Berliner Humboldt-Universität, ist diese kritische Grundhaltung nun zum Verhängnis geworden. Völlig überraschend wurde der 36-Jährige am 1. August wegen des Verdachts der “Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung” festgenommen und sitzt seitdem in einer vier Quadratmeter großen Zelle in U-Haft.

Dem Forscher, der sich vor allem mit stadtsoziologischen Themen beschäftigt und seine Dissertation über die soziale Aufwertung des Stadtteils Prenzlauer Berg geschrieben hat, wird zur Last gelegt, zu den Drahtziehern und intellektuellen Ideengebern der terroristischen Vereinigung “militante gruppe” (mg) zu gehören. In älteren Bekennerschreiben der linken Gruppierung waren teilweise Schlagworte gefunden worden, die H. in einer wissenschaftlichen Abhandlung von 1998 verwendet hatte. Es geht unter anderem um Begriffe wie “Gentrification” und “Reproduktion” - zumindest ersterer ist in der Stadtsoziologie durchaus gängig.

Dieser auf einer ungerichteten Google-Recherche basierende Anfangsverdacht genügte, den Wissenschaftler mittels Stafgesetzbuch-Paragraf §129a von September 2006 an systematisch überwachen zu lassen. Die Dokumentation dieser Beschattung füllt 29 Leitz-Ordner und erhält offenbar keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass H. auch für die “militante gruppe” schrieb.

Einen Haftbefehl gegen den Vater dreier Kinder verhängte die Bundesanwaltschaft schließlich, nachdem Ende Juli in Brandenburg drei Männer versucht hatten, Fahrzeuge der Bundeswehr in Brand zu setzen: Einer der Täter hatte sich mehrere Monate vorher zwei Mal mit Andrej H. getroffen - Verabredungen, über deren Inhalt die ermittelnden Stellen nichts genaueres herausgefunden hatten, die aber fortan als “konspirative Treffen” gehandelt wurden. hier geht’s weiter mit ‘Unter Verdacht - Andrej H., ein Terrorist?’

Alexanderplatz: Wo sind all die Camper hin?

Einkaufswagen mit Müll

Gestern noch standen hier die Campingwagen dicht an dicht, doch jetzt herrscht auf dem alten Parkplatz am Alexanderplatz gähnende Leere. Ein einsamer, von Müll überbordender Einkaufswagen erinnert an den als kostenlosen Campingplatz genutzten Raum zwischen den Fahrbahnen. Gestört haben die zumeist südländischen Berlin-Besucher mit ihren Wohnmobilen eigentlich niemanden, auch das Bezirksamt nicht. Doch als sich der Platz immer mehr füllte, wurde es Beamten zu bunt: Die Fläche wurde mit Bauzäunen abgeriegelt, obwohl die Bauarbeiten für die geplante Tiefgarage erst im September beginnen sollen. Ist nichts mehr mit Kaffee kochen zwischen dem Berufsverkehr. Auch die Kaufhof-Klofrau wird Umsatzeinbußen hinnehmen müssen.

Doch wo sind sie hin, Camper wie die Familie Carizzoni vom Comer See? Vielleicht treffen sich die ein oder anderen auf einem der zahlreichen normalen Campingplätze Berlins oder Potsdam wieder. Dort, wo in der Hochsaison leider auch ziemlich abkassiert wird. Dort, wo Holländer Frikandel Speciaal essen. Dort, wo der angetrunkene Heiko aus Rüdersdorf in Badelatschen bis kurz vor Mitternacht in der Platz-Disko steht und Van Halen-Karaoke singt.

Aber in der Regel ist es ganz gemütlich auf Campingplätzen. Wer nicht nur in seinem Wagen sitzt oder im Zelt hockt, hat die Chance, mal ein gutes Stück vom Alltag wegzukommen, der sich doch meist nur in den eigenen vier Wänden abspielt. Aber zurück zu den Campern vom Alex: Die könnten sich innerhalb Berlins auch andere Plätze zum Umsonst-Parken gesucht haben. An vielen Parks und Grünflächen stehen unauffällig Wohnwagen, manche das ganze Jahr über. An meiner Laufstrecke im Volkspark Friedrichshain muss ich im Winter husten, wenn der Bauwagenbewohner neben der Grünfläche anheizt.

Nach wie vor gibt es in der Hauptstadt auch Wagenburgen, etwa an der Lohmühle in Treptow oder an der Schillingbrücke in Friedrichshain. Manche besonders hartnäckige Städter stellen ihren Wohnwagen auch einfach irgendwo in eine belebte Straße, wie etwa dieser Bewohner der Rigaer Straße in Friedrichshain (siehe Foto).

Auf der Straße wohnen

Im nächsten Jahr wird sich die Suche nach kostenlosen Parkplätzen für viele Camper erübrigt haben. Durch die Verordnungen der Umweltzone dürfen dann Fahrzeuge ohne Plakette nicht mehr in die Innenstadt.

Campingplätze in Berlin und Potsdam

Schlossplatz: Vom Palast zur Grünen Wiese

Palast der Republik am Schlosplatz in Berlin Mitte

Ruine des Palastes der Republik am Schlossplatz in Berlin Mitte - Foto;: Henning Onken

Ruine des Palastes der Republik am Schlossplatz in Berlin Mitte - Foto;: Henning Onken

Geschichte wird gemacht: Seit Januar 2006 wird der Palast der Republik abgerissen. Das dauert seine Zeit und ist reichlich kompliziert, besonders nachdem dort erneut Asbest gefunden wurde. Nach und nach entsteht so ein “neuer Ort mit neuen Weiten”, so die Berliner Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer. Das hört sich an wie ein trompetenschallender Aufbruch in eine neue Zeit, vielleicht klang sogar manche Rede von DDR-Größen in dem einstigen Prestigebau ähnlich pathetisch.

Diese Fotostrecke hält sich jedoch mit Kommentaren zurück und dokumentiert schlicht den aktuellen Stand der Bauarbeiten. Die Bilder reichen chronologisch bis vor deren Beginn zurück.

Pub Crawl - das organisierte Komasaufen

Flatrate-Trinken für englischsprachige Touristen: Inzwischen gibt es in Berlin mehrere Anbieter, die Besucher gruppenweise durch Kneipen und Clubs schleusen. Fünf Locations an einem Abend in einer Gruppe von bis zu zwanzig Leuten und das alles für zwölf Euro. Es sei nett, aber etwas stressig gewesen, meint die englische Mitbewohnerin, als sie wieder bei Kräften ist. Der Abend begann in der Revaler Straße in Friedrichshain und endete an einem unbestimmten Ort. “Ach, keine Ahnung, ich habe ein Taxi genommen”.
Pub Crawling in Berlin ist längst kein Geheimtipp mehr, das mag auch damit zusammenhängen, dass Lonely Planet, der beliebte englischsprachige Reiseführer, dieses Angebot inzwischen als Insider-Tipp aufgenommen hat. Gastwirte in Mitte sind genervt - einige wollen keine Gruppen mehr reinlassen.

In England sei es tabu, in der Öffentlichkeit Alkohol zu trinken, erzählt die Mitbewohnerin weiter. Leute, die sich auf dem Weg zur Party noch schnell ein Becks kippen, gäbe es nicht. Dennoch sei “binge drinking” in Kneipen weit verbreitet. An Freitagen und Samstagen sollen einem Bericht des Guardian zufolge zwei Drittel aller Krankenwagen-Einsätze in London auf Alkohol-Exzesse zurückzuführen seien.
Die Erfinder der Kneipentouren in Berlin, ein australisches Ehepaar, haben so eine lukrative Nische im Berlin-Tourismus gefunden. Die Branche wächst, Pub Crawl Berlin stellt inzwischen neue Leute ein.

Website: Insider Tours
Täglich Pub Crawls in Mitte, Treffpunkt Hackescher Markt um 20.30 Uhr, 10/12 Euro

Website: Pub Crawl Berlin
Freitag bis Sonntag um 20 Uhr, Treffpunkt S-Bhf Warschauer Straße, 10/12 Euro



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