

Ab morgen hat Berlin wieder eine Baugrube weniger und ein Riesen-Einkaufszentrum mehr: Nach den Potsdamer Platz Arkaden, dem Eastgate in Marzahn, dem Schloss in Steglitz und vielen anderen Shopping-Centern der Innenstadtbezirke wird das “Alexa” am Alexanderplatz eröffnet.
Es gibt also mal wieder was zu feiern in Berlin, und tausende Hobby-Shopper werden sich um die Eröffnungs-Angebote kloppen. Das Chaos am Alex - es wird sich noch vergrößern, wenn Käufer ihre frisch erstandene Playstation wieder umtauschen wollen, weil es das Ding bei Saturn gegenüber 20 Euro günstiger gibt.
Was für eine Pracht - dieser schöne Betonklotz. Für den portugiesischen Investor betont das Alexa gar die weibliche Seite des Alexanderplatzes. Berlin, Hauptstadt der Einkaufscenter, wir warten schon auf das Nächste. Diese mit viel Glas, Marmor und oft hunderten von Geschäften Bauten sind interessanter als Kirchen im Mittelalter. Trotzdem muss die Frage erlaubt sein, wozu wir eigentlich so viele davon brauchen? Wer soll das alles kaufen?
Wowereit schneidet im KadeWe eine Torte an
Seit 1993 hat sich die Zahl der Einkaufscenter mit mehr als 10.000 Quadratmetern Einkaufsfläche in Berlin mehr als verdreifacht. Hamburg hat nur 13, in München sind es nur vier. Einzig Berlin hatte schon vor zwei Jahren 32. Und wenn die Mutter aller Hauptstadt-Kaufhallen, das KadeWe Geburtstag hat, kommt der Bürgermeister und schneidet eine riesige Torte an.
Freunde der schönen neuen Shopping-Welt machen geltend, dass wir nicht mehr in die Einkaufsparks auf der grünen Wiese im Umland fahren müssen, um unsere Konsum-Bedürfnisse zu befriedigen. Neue Einkaufszentren in der Innenstadt beleben das Zentrum neu und sind ein Segen für den ganzen Bezirk, so die Theorie.
Dennoch ist fast überall augenfällig, wie isoliert diese Bauten von den Kiezen stehen, in die sie geklotzt wurden. Wachschützer stehen dort oft herum wie Einlasser in eine andere Welt. In der ebenfalls am Alex gelegenen Rathauspassage wird Alfred Döblins “Berlin Alexanderplatz” gelesen. Das wirkt wie eine kleine Annäherung an die Umwelt, immerhin…
Update: Kaufrausch um Mitternacht
“Wo spielt hier Tokio Hotel?”, scherzte staunend ein Passant über die Menschenmassen rund um das Alexa. Ab 23 Uhr ging nichts mehr rund um das neue Einkaufszentrum. Der Star hieß Kodak und war eine Digicam, die zur Eröffnung um 0:00 für 60 Euro zu haben war. Die Polizei gab sich alle Mühe, die Horde zu kanalisieren und hatte augenscheinlich mehr zu tun als bei einem Hertha-Spiel. Erstaunlich, was zweiseitige Zeitungsannoncen und Beilagen mit Eröffnungsangeboten bewirken können. Fast fühlte man sich erinnert an eine Szene in George Orwells 1984. Da glaubt der Protagonist bei einem Tumult an den Beginn einer Revolution - doch es war nur ein Run auf günstige Kochtöpfe.
Anscheinend hat es bei dem Sturm auf die Billig-Angebote sogar Verletzte gegeben, als sich die Horde gegen eine der Glastüren presste. Die Geschäftsleitung des Media-Marktes kapitulierte schließlich vor den Massen und vertröstete sie auf später.

