Archive for August 4th, 2007

Fahrradklau im Selbstversuch

Gestern wurde das Vertrauen in meine Mitbürger erschüttert. Ich war mit einer Bekannten verabredet, die im hippen, studentischen Teil Friedrichshains wohnt. “Ich will dir dein Fahrrad zurückgeben, ich gehe zurück nach Schweden”, hatte sie am Telefon angekündigt. Das Rad war in Topform, es sah besser aus, als ich es ihr überlassen hatte. Keine zehn Minuten nach der Übergabe passierte das Unglück. Vor einem Laden versenkte ich den Schlüssel des abgeschlossenen Rades in einem Luftschacht. Was tun? Ein fast neues, blaues, abgeschlossenes Herrenrad durch halb Berlin schleifen? Ein Rad, das garantiert nicht so aussah, als gehörte es einer Frau unter Einssiebzig?

Sie werden mich festsetzen, dachte ich. Mindestens drei Leute werden sich auf mich stürzen und nachfragen. Ich hatte keine andere Wahl. Es war bereits dunkel und einen Ersatzschlüssel hatte ich nicht dabei. Ich beruhigte mich: Betrachte es als Selbstversuch und teste die Reaktionen der Berliner auf eine vermeintliche Fahrraddiebin.

Die Befürchtung, dass man mir bereits in Friedrichshain Schwierigkeiten machen würde, erwies sich als unbegründet. Niemand interessierte sich für mich. Später in der U-Bahn in Kreuzberg wurden ein paar Kids auf mich aufmerksam, fanden das Rad aber wohl nur uncool. Am Bahnhof Schönleinstraße stiegen Kontrolleure ein. Für die Frau ohne Fahrschein neben mir ein Problem, nicht für mich. In Neukölln ist die Welt noch in Ordnung, dachte ich mir, da werde ich garantiert in eine Polizeistreife hineinlaufen. Nichts.

Erleichtert aber doch empört erreichte ich mein Ziel. Kein Hahn kräht danach, ob in dieser Stadt einfach Räder weggeschleppt werden? Andererseits: Hätte ich selbst nachgefragt oder die Polizei gerufen? Hätten Sie?



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