Archive for August 6th, 2007

Schlachthof zwischen drei Bezirken

Raumschiff @ Schlachthof

Die Reste der Hammelauktionshalle am S-Bahnhof Storkower Straße haben schon etwas Außerirdisches, besonders nachts. Das Gelände des Alten Schlachthofes zwischen Friedrichshain, Prenzlauer Berg und Lichtenberg erinnert an eine Zeit, in der man in Berlin noch ganz anders mit Fleisch umging, als heute.

Obwohl wir auch dieser Tage oft rätseln, wo und unter welchen Umständen die Tiere gelebt haben, die auf unserem Teller landen, war Fleischkonsum bis ins 19. Jahrhundert hinein noch unsicherer als heute. Damals lebten die Berliner eng mit ihren Tieren zusammen, die in Ställen auf Hinterhöfen gehalten und geschlachtet wurden.

“Schädigungen der Volksgesundheit”

Oft ging es dabei gefährlich unhygienisch zu. Wenn Metzger vergammeltes Fleisch mit Blut färbten oder altes Gehacktes mit Frischfleisch streckten, konnten sich Menschen massenhaft mit Milzbrand oder Tuberkulose infizieren. Allein die Fäkalien der Tiere konnten in den Wohnbezirken der aufstrebenden Metropole “zu schweren Schädigungen der Volksgesundheit führen”, wie der Mediziner und Hygieniker Rudolf Virchow (1821-1902) festhielt. (1)

Mensch und Tier gehörten also nicht mehr zusammen in der modernen Großstadt. Am Ende dieser Erkenntnis stand der Bau eines zentralen Vieh- und Schlachthofes für die fleischhungrige und rasant wachsende Berliner Bevölkerung. Die Rinderauktionshalle auf dem etwa 50 Hektar großen Gelände entstand 1881.

Zum langen Jammer

Im Zweiten Weltkrieg beschädigten Bomben das Schlachthofgelände, doch das endgültige Aus kam erst mit der Wende. In den 90er Jahren gab es mehrere Nutzungsansätze für die leerstehenden Gebäude, doch eine Großdisco oder Künstlerateliers konnten sich nicht halten. Heute wird das Gelände als “Zunftviertel” von Werkstätten, Gastronomie und Einzelhandel genutzt und weiter erschlossen.

An vergangene Zeiten erinnert zwischen Storkower und Eldenaer Straße neben der “spacigen” Bauruine im Blankensteinpark auch die Straße “Zum Langen Jammer”. So nannten Anwohner die reichlich verwahrloste Fußgängerbrücke, die aus hygienischen Gründen über das Schlachthofgelände zum S-Bahnhof führte.

(1) zitiert nach: “Das Ende vom langen Jammer”
Website: Zunftviertel Alter Schlachthof



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