Alles verändert sich, ohne dich

X-beliebig @night

“Alles verändert sich, wenn du es veränderst”. Das hat Rio Reiser gesagt, als er noch für die “Ton Steine Scherben” sang. Es klang verheißungsvoll, als ließe sich die Welt im Handumdrehen umpolen. In Berlin-Friedrichshain haben das einige Dutzend Leute am Wochenende wörtlich genommen, haben Mülltonnen auf die Straße gerollt und ein kleines Auto angezündet. Vielleicht war da aber auch einfach nur Wut über Veränderungen, die hilflos machen, weil sie von Anderen ausgehen - wie eine Welle, die immer nur auf bestimmte Personen zurollt. Die Anderen, das sind die, die auf ihr reiten.

Begonnen hatte alles mit einem Aktionswochenende “Rigaer Straße fights back”, das sich mit Workshops, Partys und Diskussionsrunden gegen “Kommerzialisierung und Yuppiisierung des Kiezes“ stark machen wollte.

Sonntag Nachmittag: Vor dem Hausprojekt X-Beliebig sitzen an die hundert Leute in der Frühjahrssonne. Auf der anderen Straßenseite springt ein CDU-Mitglied aufgeregt in seinen Lackschuhen herum: “Die öffentliche Sicherheit liegt mir am Herzen”, bekennt er und zeigt auf den Berlin-Aufmacher der Morgenpost: “Linksautonome proben für den 1. Mai“, steht dort über einem Riesen-Bild des brennenden Autos. Andere Zeitungen hatten stilsicher lieber gleich alte “best of” Krawallbilder aus dem Archiv gekramt. Er sei hinausgeworfen worden, klagt der CDU-ler, nachdem er durch ein offenes Fenster in die Kneipe des Hausprojekts geklettert sei. Erstaunlich, die Bewohner und deren Gäste wollten tatsächlich nicht mit ihm Party machen.

Sauer auf das Leben der Anderen

“Verzogene Wohlstandskids, die hier ein paar Jahre die Sau rauslassen”, schimpft ein Kiezbewohner. “Und dann doch in Stuttgart in Papis Firma einsteigen.” Ist Randale “einfach nur peinlich”, wie ein Indymedia-Leser über die Aktion urteilt? Das politische Anliegen des Wochenendes scheint zumindest angekokelt, oder gleich ganz mit abgefackelt worden zu sein: Darauf aufmerksam zu machen, dass Freiräume für Menschen, die ohne viel Geld miteinander leben wollen, ständig kleiner werden.

Ausgebranntes AutoDiese Art von “Revierwechsel” geschehen schleichend, sind selten wirklich greifbar, aber immer präsent. Ohne den Vergleich von mehreren Punkten auf einer Zeitachse bliebe verborgen, wie sehr sich der Kiez austauscht: Diese Cocktail-Bar war mal eine Wohnung, durch deren Fenster man einer ganzen Familie beim Essen zuschauen konnte. Im Nachbarhaus, einem Gebäude mit Etagenklos, bot eine Volksküche Essen gegen eine Spende an. Nun befindet sich dort ein Kitschladen. Den Himmel über Berlin sehen nur noch die Bewohner der neu ausgebauten Dachgeschosswohnungen - allen anderen wird der Zugang zum Dach verwehrt.

“Wer was werden will, der zieht weg von hier”, hatte mal eine Friseuse in der Rigaer Straße resigniert erzählt. Das ist Jahre her und sie ist immer noch da. Alberne Salons, wie sie in trendigen Gegenden aus dem Boden sprießen, gibt es in der Rigaer Straße noch nicht. Aber womöglich haben die Betreiber des “Ponyclubs” oder des “Fonfriseurs” schon Räumlichkeiten angemietet. Willkommen in der Rigaer Straße?

Webseite: Hausprojekt der Rigaer 94
Webseite: Hausprojekt der Rigaer 84
Webseite: Hausprojekt Köpi
Wikipedia: Was ist Gentrifikation?

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3 Responses to “Alles verändert sich, ohne dich”


  1. 1 anne Apr 14th, 2007 at 10:31

    noch so ein trauriger artikel über friedrichshain:
    http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/magazin/645335-1.html

  2. 2 Henning Onken Apr 14th, 2007 at 19:39

    hm, scheint als wär die autorin etwas voreingenommen. vielleicht hat sie friedrichshain so erleben wollen, wie sie es darstellt. oder etwas böser: sie hat - möglicherweise- klischees an friedelhain abgearbeitet, die sie von anderswo her mitgebracht hatte.
    aber zugegeben: das tun wir alle ein bisschen…

  3. 3 Tschabi Apr 21st, 2007 at 23:23

    ALLES VERÄNDERT SICH; WENN dU ES WILLST ODER NICHT WILLST: GEILER ARTIKEL ÜBER MEINE RIGAER: FÜR MARX IST ALLE VERÄNDERUNG DIE EVOLUTION DES KAPITALS: ICH GLAUB; DAS IST STINKNORMAL UND DIE EIGENTLICHE TZRIEBFEDER DER FRIESEUSE; DAZUBLEIBEN: NUR SO HAT SIE ANTEIL AM IMMANENTEN PROZESS DER REVOLUTION: ALSO NICHT SAUER SEIN AUF DAS LEBEN DER ANDEREN. DER KIEZ HAT SEINE SCHÖNEN SEITEN. SUPER UND HAARSCHARF ERKANNT, DANKE

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