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Archiv für das 'Konsum'-tag

Der schönen Warenwelt der DDR

Ehemaliger Konsum in Friedrichshain - Foto: Henning OnkenSträucher wuchern vor dem ehemaligen Konsum in der Hübnerstraße. Bevor die DDR mit den meisten ihrer volkseigenen Produkte in die Welt der Anekdoten und Retro-Läden verschwand, roch es hier nach Pfandflaschen. In den Regalen lagen Schmalzfleischkonserven und “Böngers” genannte Karamellbonbons. Die Orangen-Limonade schmeckte wie vergorenes Fruchtwasser.

So habe ich als verwöhnter Wessi-Knabe einen Dorfkonsum in Mecklenburg-Vorpommern erlebt, zu dem mich meine Großtante bei einem DDR-Besuch schickte. Ich brachte ihr auch mehrere Graubrote mit, die sie vor den Augen der staunenden Besucher täglich an ihre Schweine verfütterte.

In Friedrichshain habe ich unter den umzugsfreudigen Anwohnern noch keinen getroffen, der hier vor 20 Jahren einkaufte. Heute versuchen sich in dem Gebäude gelegentlich Künstler als Galeristen. Für die Kaufgewohnheiten der jetzigen Friedrichshainer taugt die Ladenzeile aber nicht: Anwohner trotten lieber in die zuweilen einstürzenden Flachbauten von Aldi, Netto oder Rewe. Die warten tatsächlich alle nur ein paar hundert Schritte weiter am Alten Schlachthof, ein Kaufland wird auch noch gebaut.

Sicher machen sich in jedem Straßenzug nur jene Geschäfte breit, die der Bewohner dort aushält. Und das ist ein hartes Urteil über diese Gegend an der Grenze zwischen Friedrichshain, Prenzlauer Berg und Lichtenberg.

Support your local Spätkauf!

Spätkauf in Berlin-Friedrichshain - Foto: Henning Onken

Viele Berliner sind der Meinung, dass Spätkauf-Läden eine üble Kunden-Abzocke betreiben. Zum Beispiel jener ältere Bad-Religion-Fan, der so oft in den “Late-night-Lidl” meiner Wahl geht. Der Mann mit der nietenbewehrten Lederjacke steht ratlos vor den Regalen, schüttelt sein schütteres Zottelhaupt. Schließlich kauft er Tabak und ärgert sich lauthals über den “unehrlichen” Preis für Dosen-Ravioli, durch den ihm ein italienischer Moment beim Abendessen verloren geht.

“Der ist breit wie ‘ne Sau, Alta!”, schimpft der Verkäufer – natürlich erst, als sein Kunde verschwunden ist. Der Alt-Punk schaffe es nicht, tagsüber im Supermarkt einzukaufen, mutmaßt er weiter. Warum überhaupt die Aufregung um ein paar Cent?

Für Hartz-IV-Empfänger, deren Sparmenu vom Finanzsenator berechnet wird, sind manche Aufschläge wohl wirklich kaum zu bezahlen. Doch Nachtschicht in einem Spätkauf ist einfach mal ein blöder Job – die Verkäufer sollten gut entlohnt werden.

Eines aber bleibt seltsam: Mein Spätkauf ist – anders als auf dem Bild oben – eigentlich eine Bäckerei. Das Drumherum aus Getränken, Fertigpizzen und Knabberkram entwickelt sich jedoch ab 20 Uhr zum Kerngeschäft.

Damit könnte in ein paar Jahren Schluss sein, falls in Berlin US-amerikanische Verhältnisse einkehren: Man erinnere sich an die erste Szene aus dem Film “The Big Lebowski”. Dort schlurft “The Dude” nachts in einen völlig leeren Supermarkt, nur um Milch für einen Drink zu kaufen – “White Russian”. Cheers!

Fotostrecke: Berlin bei Nacht

Raus hier! Kein Leben in der Discounter-Falle

Leicht veränderter Schlecker-Markt in Berlin-Friedrichshain - Foto: Christian Hetey

Machen wir uns nichts vor: Wir hängen an Lebensmittel-Discountern wie Junkies an ihrem Stoff. “Ich ziehe nirgendwo hin, wo kein Lidl in der Nähe ist” – das sagt eine Bekannte, die sich weder mit Glühwein aus Tetra Paks zuschüttet noch Billig-Fluppen raucht. Supermärkte sind die wahren Pulsadern urbanen Lebens, besonders in Berlin. Immer hat man etwas vergessen und wer seine Siebensachen für die Woche beisammen hat, kann beim Gang durch die Regale wenigstens den Zombie aus der Wohnung nebenan treffen – auch ein Grund, alle Tage wieder.

Erst wenn Autonome Kaiser’s anstecken oder am 1. Mai Penny plündern, ist Schluss mit Roter Grütze. Aber es ist vorerst unwahrscheinlich, dass dergleichen in Berlin wieder passiert.

Dabei ist es uns ziemlich egal, wie diese Ketten ihr Sortiment produzieren lassen oder mit ihren Beschäftigten umgehen. Letzteres erregt gerade die Gemüter: Lidl ließ Stasi-ähnliche Dossiers über Mitarbeiter anfertigen, samt Kamera-Überwachung im Pausenraum und Strichliste für Toilettengänge. Jede Woche war eine neue Filiale dran, erreichte ein neuer Spitzelbericht die Lidl-Herrscher in Neckarsulm – auch aus Berlin. Überdies ist seit Jahren bekannt, wie das Unternehmen mit Beschäftigten umgeht, die einen Betriebsrat gründen wollen.

Wo also weiter konsumieren, ohne solche Verhältnisse zu unterstützen? Bei der Konkurrenz von Edeka und Plus kommen wir offenbar vom Teufel zum Beelzebub – neue Enthüllungen belegen, dass auch dort gespitzelt wurde. Der Verdacht gilt auch für Drogerie-Markt-Kette Schlecker, deren Märkte so oft überfallen werden, dass man den oft allein tätigen Kassiererinnen eine schusssichere Weste als Arbeitskleidung wünschen muss. Und der Rest der deutschen Lebensmittel-Bagage? Rewe, Aldi, Tengelmann, haben die nicht auch Leichen im Keller?

Umfrage: Zeit für einen Discounter-Entzug?

Wo kann man guten Gewissens Lebensmittel kaufen?

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Foto: Christian Hetey

Weihnachten: Mit Stil in die Nachsaison

Ihre kurze Karriere ist glanzvoll, endet aber immer auf der Straße: Der rauhe Abstieg einer Nordmannstanne beginnt nach den Weihnachtsfeiertagen. Nach und nach verstopfen dann immer mehr Bäume die Fuß- und Radwege Berlins.

In der Friedrichshainer Samariterstraße hat jemand dieses hübsche Exemplar eines Weihnachtsbaums aufgerichtet und ein letztes Mal geschmückt – mit allem was uns heilig ist: McDonald’s Trinkbecher, leere Schnapsflaschen, Apfelsinenschalen und Müllbeutel. Das ist der Chic der Nachsaison – es nach-weihnachtet sehr, bis die Stadtreinigung kommt.

Fotostrecke: Berliner Seitenblicke

Überfall aus Sibirien

“We are in Berlin. Now we in Alex. Plats.” Kurze Mitteilung per E-Mail, morgens um sieben. Der Autor offenbar ein Bekannter meiner Schwester aus Sibirien. Ich hatte zwei Frauen erwartet, aber egal. Wenig später saßen fünf erschöpfte russische Studenten am Küchentisch. Ob das Wasser teuer sei in Deutschland, fragte der eine. Sie hätten nämlich fünf Tage lang nicht duschen können. Nicht in Nowosibirsk, wo sie Zwischenstation gemacht hatten, um das Visum abzuholen und auch nicht in Moskau. Dort waren sie nach 5642 Kilometern Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn in einen Bus Richtung Warschau umstiegen.

Die drei Mädels hatten genug von der tagelangen Herumsitzerei und wollten Berlin zu Fuß erkunden. Die Fahrtkosten für die S-Bahn würden sie sich sparen. So bummelten sie durch Neuköllner Antiquitäten-Läden oberhalb der Sonnenallee und huldigten – very berlinerisch – dem Konsum im Alexa Shopping Center. Und sie aßen Döner. Als ich ihnen später erzählte, was sie da zu sich genommen hatten, machten sie nur große Augen: “We like Döner.” Am nächsten Tag berichteten sie über die Entdeckung einer ganz exzellenten Döner-Bude gleich in meiner Straße..

Die Männer mochten ebenfalls Döner, hatten aber andere Pläne: “We go to Madrid”, verkündete Erdeny, der Autor der E-Mail, noch ehe er seinen Kaffee ausgetrunken hatte. Mit den Frauen hier zu fünft zwei Tage lang ein Zimmer zu teilen, sei nichts. Wann denn ein Flugzeug nach Madrid gehe. Madrid war ausgebucht, Paris und Amsterdam zu teuer. Gegen Mittag bestiegen die beiden Jungs einen Zug nach Dresden.

“Berlin is a very friendly city”, sagte Tuyana, die für die anderen Frauen dolmetschte. Ob es denn in Berlin keine Skins gebe? In Moskau seien sie als Burjaten schlecht behandelt worden. “Die dachten, wir seien Chinesen und keine Russen.” Ich verzichtete darauf, ihnen von Freunden zu erzählen, die bestimmte Berliner Stadtteile wegen ihrer Hautfarbe nach Möglichkeit meiden und als Ausländer schlechte Erfahrungen gemacht haben. Mit Berlinern, mit dem Ausländeramt. Diese Besucher aus Sibirien waren so begeistert, dass ich ihnen die Freude an ihrem kurzen Berlin-Aufenthalt nicht nehmen wollte.

Rezepte gegen den Kaufrausch

Waschmaschine in der Rigaer StraßeNach der irrwitzigen Shopping-Center-Eröffnung am Alexanderplatz muss die Frage erlaubt sein, ob es noch andere Wege gibt, sich seinen Hausrat zu beschaffen, als mitten in der Nacht wie eine Horde Vandalen ein Kaufhaus zu stürmen. Es gibt sie, aber einfach ist es nicht: “Wäscht noch, dreht langsam, bleibt manchmal im Programm stehen”, steht an einer verlassenen Waschmaschine in der Rigaer Straße. Ein alter Videorekorder ist auch noch zu haben. Wer in Friedrichshain seinen Müll loswerden will, stellt ihn einfach vor die Haustür – vorzugsweise nachts.

Eines späten Abends wäre mir dort beinahe ein Teppich auf den Kopf gefallen. Die Rolle knallte fünf Meter vor mir auf den Gehsteig und verbreitete eine beträchtliche Staubwolke. Dem Werfer war seine Aktion anscheinend peinlich, denn in dem geöffneten Fenster der dritten Etage rührte sich nichts. Da hatte sich wohl jemand neue Auslegware im Baumarkt geholt und keine Lust, mit dem alten Teppich die Treppen hinab zu laufen, ihn in kleine Stücke zu schneiden und damit die Hausmülltonnen dicht zu stopfen.

Zweite Chance beim Nachbarn

Vieles von dem, was auf der Straße landet, bekommt in der Nachbarschaft eine zweite Chance. Die halb kaputte Waschmaschine hat sich wahrscheinlich ein findiger Familienvater wieder funktionsfähig geschraubt und auch der vom Himmel gefallene Teppich entpuppte sich auf den zweiten Blick als fast ohne Fehl und Tadel. Wer weiß – vielleicht macht der Teppichwerfer bei Freunden eine überraschende Entdeckung auf dem Fußboden.
Doch was für die meisten ein Müllproblem darstellt, und für einige ein sinnvoller Austausch von Haushaltsgegenständen erscheint, ist in jedem Fall illegal. Kaputte Elektrogeräte wie Föhne, Rasierapparate dürfen nicht einmal in den Hausmüll geworfen werden. Die Stadtreinigung BSR nimmt aber bis zu 20 Geräte kostenlos an. Möglich ist das auf den 15 Recyclinghöfen in der Hauptstadt. Laut Umweltsenatorin Ingeborg Junge-Reyer werden in Berlin jedes Jahr 10.000 Tonnen verwertbare Elektrogeräte weggeworfen. ‘Rezepte gegen den Kaufrausch’ weiterlesen

Neue Kommentare

  • Thomas Feirer: echt coole Bilder …
  • Anonymous: achso hier meine email adresse zero88-denis@web.de
  • Anonymous: echt bei dir geht das noch? zu silvester wollen paar leute und ich schön gemütlich auf ein dach feiern ist...
  • Aileen: Ich hab mal ne frage: wo genau ist der Markt und hat der auch sonntags auf? lg
  • Ilse Fuehrhoff: Es gibt in Berlin tatsächlich noch sehr viele, eigentlich ungeahnt viele Hausfassaden oder auch...

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