
An Berliner Hinterhof-Moscheen fällt von außen oft nur ein Schild wie “islamischer Kulturverein” ins Auge. Auch Muezzine, die wie in manchen Vierteln von Kairo den Kiez mit Lautsprechern um die Wette beschallen, sucht man hier vergeblich. In den Gebetsräumen der Merkez-Moschee ist trotzdem viel los. Im Fastenmonat Ramadan werden täglich etwa 30 Seiten aus dem Koran vorgelesen. Wer kann, kommt mit der ganzen Familie, doch in den Räumen in der Wiener Straße stößt man überwiegend auf Rentner. Die Frauen müssen in einem anderen Gebäudeteil getrennt von den Männern beten.

In der Sehitlik-Moschee am Columbiadamm können sich Besucherinnen am Tag der offenen Moschee auf Wunsch ein Kopftuch geben lassen, was etliche Kreuzbergerinnen auch tun. In dem prachtvollen Hauptraum spricht eine Frau mit fester Stimme etwa 20 Minuten lang über Toleranz. Die Fragen von Besuchern sind überall ähnlich: Was erzählen Imame aus der Türkei ihren Gemeinden wirklich? Bekommen Kinder hier nach der Schule Hilfe bei ihren Hausaufgaben oder Nachhilfe in der Scharia? Wie steht es um die Rechte von Frauen?

Berlins Muslime wollen raus aus in den 70er und 80er Jahren zu Gebetsräumen umgebauten Lagerhallen oder Fabriketagen und in repräsentativen Bauten ihren Glauben offen leben. So lautet zumindest der Tenor vieler Medienberichte über Bauprojekte wie das Maschari-Center am Görlitzer Bahnhof. Über die Finanzierung der Moschee mit den vier Minaretten zuckt man auch in der benachbarten Merkez-Moschee nur mit den Achseln. Für heftigen Streit unter Anwohnern und Parteien sorgt auch der Bau einer zweigeschossigen Moschee mit einem zwölf Meter hohen Minarett in Pankow-Heinersdorf.

Grillende Großfamilien, rücksichtslose Kicker, wilde Mountainbiker - Berlins Parkbesucher sind oft von ihren Mitbürgern genervt. So auch gestern ein Pärchen im Görlitzer Park, als ein ferngesteuerter Monster-Truck fies surrend auf sie zu preschte. Im Original sind das Geländefahrzeuge, die in US-Baseballstadien vor johlender Menge mit ihren riesigen Rädern auf andere Autos springen und sie zerquetschen.
Stolz drehte das Ding Kreise um sein Herrchen, das mit Fernbedienung inmitten einer Gruppe junger Männer in Feierabendlaune stand. “Das sind Kinder, die nie erwachsen werden“, schimpfte die Frau, die auch nicht gerade erwachsen an ihrer Bionade nuckelte. In dem Ton ging es weiter: “Typisch Kreuzberger Türken, die von Macker-Autos träumen. Große Jungs, die wahrscheinlich noch bei Mama wohnen.”
Ich dachte daran, dass ich selbst mal ein ferngesteuertes Auto besessen habe und schaute in den schönen Abendhimmel über dem Görlitzer Park. Überhaupt würde diesem kleinen Stinker bald das Benzin ausgehen, kein Grund zur Aufregung also. Dennoch beschäftigte mich das nervige Vehikel noch eine Weile. Im Traum raste es auf mich zu, der junge Fahrzeughalter lachte hämisch. Schließlich packte ich das Ding bei einem seiner Annäherungsversuche und drehte es einfach auf den Rücken. Und aus dem Monster-Truck wurde ein Käfer, der hilflos zappelte.
Was ist “so special” an den türkischen Männer-Cafés, die in Neukölln an jeder Ecke zu finden sind? Ich kann nur mutmaßen, obwohl ich mehrfach versucht war, einfach in eines hineinzulaufen mit einem halbwegs plausiblen Vorwand.
Hin und wieder gelingt es mir, einen Blick durch die Scheibengardinen des Café Istanbul am Anfang unserer Straße zu werfen. Es gibt gleich zwei Cafés mit diesem Namen in Neukölln. “Unser“ Schiller-Café-Istanbul scheint nie zu schließen. Ob die älteren Herren, die dort an den Tischen hocken - Tee trinken, Wasserpfeife rauchen und Karten spielen - wohl kein zu Hause haben, habe ich mich oft gefragt. Nicht jeden Tag spielt die türkische Nationalmannschaft Fußball und Flatrate-Preise für Kaffee oder Tee gibt es dort bestimmt nicht.
Das Männer-Café als eine Art Schutzraum vor schlecht gelaunten Ehefrauen und quäkenden Kindern? Könnte was dran sein. Der Altersdurchschnitt der Cafébesucher dürfte jenseits der 40 liegen, oder junge Männer wirken durch die Gardinen beträchtlich älter. Das Café Istanbul macht einen friedlichen Eindruck, nie habe ich eine Streiterei gehört, nicht einmal ein lautes Lachen.
Wie ich das Thema als blonde, nicht-muslimische Frau angehen soll, weiß ich noch nicht. Vielleicht beginne ich die Feldforschung im Umfeld, in einem der Internet-Cafés in der Nachbarschaft: Dort treffen sich nämlich all jene, die für die Männer-Cafés noch zu jung sind. Das Internet-Café als Anfang vom Ende des klassischen Männer-Cafés? Dazu später mehr.
Am Görlitzer Bahnhof in Kreuzberg entsteht eine Moschee, das wissen die meisten. Doch wer sich auf der Baustelle näher umsieht, entdeckt direkt daneben dieses seltsame “Hotel Deutsches Haus”. Die Fenster sind von innen mit Spanplatten vernagelt, die Tür verrammelt. Wie lange mag das Gebäude schon leerstehen?
Vielleicht hat der Hotelier keine Zukunft mehr an diesem Platz gesehen, als 1987 am Tag der berüchtigten Mai-Krawalle nebenan der Bolle-Markt ausbrannte. “Übernachten Sie bei uns im Deutschen Haus, mit Ausblick auf eine Supermarkt-Ruine” hätte als Werbung wohl nur wenige Gäste gelockt. Möglicherweise ist der Fremdenverkehr in diesem Quartier aber auch langsam gestorben, ganz ohne den Randale-Zusammenhang. Was denkt überhaupt ein Tourist, der auf der Zimmersuche unsicher durch Kreuzberg kurvt und vor einem “Deutschen Haus” stehen bleibt? Die Zimmer sind ordentlich, die Bettwäsche sauber und an der Rezeption bekommt jeder Gast erstmal eine Nummer?

Irgendwie passt dieses leere vor sich hin rottende Hotel ganz gut ins Bild. Es könnte sinnbildlich für alle Deutschen stehen, die wegschauen und Türen und Fenster verriegeln, wenn die große Moschee nebenan demnächst Eröffnung feiert. Aber zugegeben: Dieses Milieu gibt es hier nicht mehr, es kommt nicht mal zu Besuch. Wenn sich jemand über das “Maschari Center” aufregt, dann kommt er kaum aus dem Kiez.
Wieder ein Festival in Berlin: Die 5. Türkische Filmwoche sollte neugierig machen, gerade in Kreuzberg und Neukölln. Noch bis zum 27. Mai werden insgesamt 20 türkische und deutsch-türkische Produktionen im Babylon Mitte und im Neuen Off in Neukölln gezeigt.
Das neue türkische Kino sei “sehr reich: humorvoll und kritisch; aufklärend und zukunftsweisend; gescheit und lebensnah”, schreibt Özcan Mutlu, Mitglied des Abgeordnetenhauses, in seinem Grußwort. Tatsächlich präsentieren die Initiatoren Filme aus unterschiedlichen Genres - vom Polit-Thriller über den Science Fiction-Film bis hin zum Drama. Auch zwei Dokumentarfilme stehen im Programm.
Ich hatte gerade Besuch. Eine Bekannte aus meinem erweiterten Netzwerk. Leute aus dem erweiterten Netzwerk treffe ich nur alle Jubeljahre, wobei man sich dieses nicht als zusammenhängende Gruppe vorstellen muss, sondern als Pool aus lauter Einzelpersonen, die nichts miteinander zu tun haben müssen. Das erweiterte Netzwerk ist insofern interessant, als es Informationen liefert, an die ich sonst nicht im Traum gedacht hätte. Es beruht auf Gegenseitigkeit, das ist wichtig. Erzähl’ mir die letzten eineinhalb Jahre in zwei Stunden, die aktuelle Situation und gelange zu einer Einschätzung, die Langzeitbeobachter so gar nicht hätten geben können. Wertvoll das.
Meine Netzwerkfreundin von heute hat mit mir Soziologie studiert. Ihre Eltern kamen aus der Türkei. Irgendwann, vor vielen Jahren. Ich hatte eigentlich wegen eines Blogbeitrags über das türkische Berlin angefragt, aber sie sei da nicht die Richtige, hatte es schon in der E-Mail geheißen.
Die türkische Gemeinschaft in Berlin ist diverser, als man gemeinhin annehmen könnte. Keine homogene Gruppe, im Gegenteil. Viele unterschiedliche Strömungen und Weltanschauungen, die nicht einfach zu fassen seien, meinte S. dann beim Kaffee. Ein Rechercheaufwand, der ihr gerade zu groß sei. Nur soviel dazu: während eines Interviewerjobs sei ihr dies selbst klar geworden, als sie türkische Professoren, Hausfrauen und Selbstständige befragen musste. Die Parameter verlaufen entlang der religiösen Strömungen der Sunniten und Alleviten, aber überlappend dazu zwischen konservativer und liberaler Gesinnten. Kopftuchträgerinnen sind nicht gleich Kopftuchträgerinnen. Allein schon die Art, wie das Kopftuch gewickelt ist, deutet auf eine bestimmte Einstellung hin. Kaum möglich für Außenstehende, dort den Überblick zu behalten. Weiter lesen ‘Das erweiterte Netzwerk’