“Selbstgemachte Marmelade, Äpfel, Spielzeug für Ihre Kinder” - zwei Mädchen winken mit grünen Fähnchen Passanten zum Laubenpieperfest in der Neuköllner Pannierstraße heran. In der Kolonie Freie Stunde wird gefeiert und wir sind zurück auf dem Dorf, mitten in Neukölln. Rentner mähen das Gras um ihre Gartenzwerge herum, türkische Großfamilien pflücken ihre Äpfel und Hans mistet die Ställe seiner Karnickel aus. Die Stadt mag sich rund um dieses Gelände bis zur Unkenntlichkeit gewandelt haben, doch die Schrebergärten gibt es hier seit über hundert Jahren.
Keine vergleichbare Metropole verfügt über eine so große Zahl privat nutzbarer Gärten in der Innenstadt wie Berlin, so die Stadtverwaltung. Als Grünflächen mit “wichtiger Ausgleichs- und Erholungsfunktion” sollen Schrebergärten geschützt werden. Nach einem Senatsbeschluss ist ihr Bestand zumindest auf den landeseigenen Flächen bis 2014 gesichert. Danach dürfte es etlichen Kolonien so ergehen, wie der Anlage am Olivaer Platz in Charlottenburg. Wenn sich in einigen Jahren ein Riesenrad in der Nähe vom Zoo drehen soll, scheint es unausweichlich, dass im Einzugsbereich Grünflächen für die Infrastruktur des Kommerzes geopfert werden.
Übrigens dienten Lauben in den letzten Jahren zunehmend als Wohnraum für verarmte oder gestresste Großstädter. Zwar ist es verboten, dort Strom zu legen oder einen Anschluss an das Wasser- oder Gasnetz zu installieren. Doch ein Leben mit Strom von der Autobatterie, Campingdusche und Behelfsklo ist für Aussteiger immer noch besser als die Ein-Raum-Wohnung mit Fenster zum Hof. “Das Wohnen in Lauben wird von den Nachbarn toleriert, weil so weniger geklaut wird”, erzählt Kleingärtner aus Treptow.
Ich wünsche dem Kleingartenverein Freie Stunde in hundert Jahren einen fröhlichen 200. Geburtstag.
Ausgewählte Kleingartenanlagen - Standortkarte
Fotostrecke: Berliner Seitenblicke