Am Ende gleichen sich die Bilder - alles sieht aus, wie am Anfang: Auf der Wiese stapeln sich Platten und daneben wird gewerkelt. Wenn Arbeiter einen WBS 70 zerlegen, reißen sie Bauelemente komplett mit Fenstern und Gardinen heraus. Die liegen jetzt vor der Ruine in der Wuhlestraße und warten auf den Abtransport. Auf jeder Platte ist das Fertigungsdatum noch lesbar: 13. Mai 1983, 27. Juni 1983.
Damals lagerten diese Platten hier, um im Legoland des sozialistischen Wohnungsbaus zu 11-geschössigen Hochhäusern zusammengesetzt zu werden. Den Sozialismus vorantreiben: Erst wurde die S-Bahn gebaut, dann schoss der erste Satellit der Marzahner Großsiedlung in die Höhe.
“Wir blicken voller Angst in eine ungewisse Zukunft.” Die Entscheidung zum Abriss kam besonders für ältere Bewohner überraschend, die vor mehr als zwei Jahrzehnten als erste hier einzogen. Ein Mieter wollte nicht freiwillig gehen und lebte bis kurz vor Beginn der Abrissarbeiten allein in einem Geisterhaus. Doch die meisten seiner ehemaligen Nachbarn haben sich mit der Situation längst arrangiert, wohnen in umliegenden Neubauten oder in sanierten Platten.
“Gut, dass der Klotz endlich wegkommt”, freut sich ein Anwohner. Die Senatsverwaltung macht unsanierte Platten wie diese für einen Leerstand von zwölf Prozent in den 1323 Wohnungen im Kiez um die Wuhlestraße verantwortlich.
Platte mit Aussicht? Aus den Wänden, zwischen den sich das Leben hunderter Menschen abspielte, entsteht wieder Beton. Alles kommt zurück und wandelt nur seine Form im Arbeiterschließfach-Zyklus. Und die alte Form passte nicht mehr in unsere Zeit. Aber hat sie nicht einen kleinen städtebaulichen Moment lang hell geleuchtet, hat von Berlin bis Ulan Bator im ganzen Ostblock Menschen ein Zuhause gegeben.
Und nicht überall müssen alte Plattenbauten verschwinden. “Das sieht aus wie bei uns”, meinte eine Bekannte aus Moskau, als wir mit dem Auto aus dem Umland auf die Silhouette von Marzahn zu fuhren. Sie hat gelächelt. Wirklich.
Hellersdorf: Museumswohnung in der Platte “WBS 70″