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Monatsarchiv für Januar 2009

Wenn wir nicht handeln, wird Berlin zu einer Zeltstadt

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Ruhig liegt das Flüchtlingslager am Alexanderplatz an diesem Dienstag morgen da.  Ähnlich könnte es aussehen, wenn sich Hunderttausende aus ihren überschwemmten Heimatländern aufmachen und in Berlin stranden – nur größer und lauter eben. Einige Passanten bleiben irritiert vor Hermann Josef Hacks Installation aus mehr als 400 Miniaturzelten stehen, überlegen. “Ist schlimm heute mit der Waffenindustrie”, sagt eine Frau mit einem leichten russischem Akzent. “Kein Wunder, dass Flüchtlinge kommen, wenn wir immer weitere Waffen liefern.”

Die Waffenlobby hatte der Aktionskünstler und Beuys-Schüler Hacks mit seinem “World Climate Refugee Camp” weniger im Blick. Es geht um Flüchtlinge, die bereits jetzt wegen des Klimawandels ihre Region verlassen müssen: Weil der Meeresspiegel ansteigt, Dürren ihre Ernten vernichten oder das Trinkwasser knapp wird – Kriege können die Folge sein.

“Den Status Klimaflüchtling gibt es bislang gar nicht”, sagt Hermann Josef Hack, der politische Wille fehle. Industrieländer, die wesentlich für die Erderwärmung verantwortlich sind, schotten sich ab.  Die Autoren einer Greenpeace-Studie von 2007 sprechen von einer “verleugneten Katastrophe”:  In den nächsten 28 Jahren müssten 200 000 Menschen aus ihrer Heimat flüchten, heißt es.

Und der Bezirk Berlin-Mitte? Er berechnete Hack für die Genehmigung zweier Ausstellungstage 800 Euro – als “Bearbeitungsgebühr”. Vor dem Brandenburger Tor habe die Polizei wegen einer Politiker-Veranstaltung am Montag dann auch ein Zelt nach dem anderen umgedreht, erzählt Hack. Es hätte ja eine Bombe drunter versteckt sein können.

Hier wartet das hässliche Deutschland

Harald E. war der “Nazi-Pisser” von Rostock-Lichtenhagen: Der arbeitslose Baumaschinist hob 1992 während der schlimmsten ausländerfeindlichen Ausschreitungen der deutschen Nachkriegsgeschichte den Arm zum Hitlergruß. Das Bild des schnauzbärtigen Mannes in Deutschandtrikot und vollgepinkelter Jogginghose ging damals um die Welt, E. wurde zu einer Art Posterboy des neuen “Hässlichen Deutschen”. Darüber soll er sich so geärgert haben, dass er die Jogginghose verbrannte.

Dieses Graffito von Emess zeigt ihn in der Landsberger Allee in Friedrichshain.

Fotostrecke: Berliner Streetart

Get obamatized: Berlin feiert Barack O.

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Obamatized, baptized – ja, es scheint ein Segen für Amerika zu sein, endlich einen neuen Präsidenten vorweisen zu können.  Einen Präsidenten, für den man sich im Ausland nicht ständig rechtfertigen muss. Sie haben mir leid getan, die Exil-Amerikaner in Berlin. Ehrlich. “Wir haben Bush nicht gewählt, Bush ist scheißa.” Harte Worte, aber immer wieder gehört, von Kristen, Dasha und anderen.  Amerika ist nicht gleich Bush – und genauso wenig gleich Obama, aber dazu später mehr.

Das Obama-Fieber hat Europa längst gepackt. Amerika-Fähnchen haben plötzlich nichts Anrüchiges mehr und werden so selbstverständlich verteilt wie Brownies: Was sie jetzt mit der Fahne machen solle, fragt eine Bekannte etwas ratlos, als wir in der S-Bahn sitzen und rollt die Mini-Fahne zusammen, die ihr eine Frau auf der Inauguration-Party im Schleusenkrug in die Hand gedrückt hat. Wegwerfen? Oder aufheben für den nächsten  Obama-Besuch in Berlin?

Man stelle sich eine völlig enthusiasmierte Menge vor, die Angela Merkel Deutschland-Fähnchen schwenkend zujubelt. Oder an Frank-Walter Steinmeiers Lippen hängt, wenn dieser etwas von Zuversicht und Hoffnung murmelt? Grotesk.

Dem Wohnungsmarkt entkommen, dem Winter nicht

Foto: Henning Onken

Wenn die S-Bahn im Minutentakt über ihre Köpfe rattert, ziehen sie den Schlafsack hoch. Passanten sehen dann nur noch ein Bündel aus Decken – und ein offenes “Wohnzimmer” mit Blick auf den verschneiten Tiergarten. “Die Zwei vom S-Bahnbogen 491″ nennt die B.Z. die beiden Männer aus Polen, die sich häuslich unter der Brücke eingerichtet haben. An der Wand eine Europa-Karte, Zeitungsausschnitte und eine Weihnachtskarte. Statt eines Schranks fasst ein Einkaufswagen die wichtigsten Habseligkeiten. “Rührende Reste von Bürgerlichkeit” nennt das die Zeitung. Während tausende andere Berliner über überhöhte Heizkostenabrechnungen klagen, pusten diese Männer in ihre Schlafsäcke.

Wer will mit ihnen tauschen? Mo, die Dauercamperin vom Landwehrkanal vielleicht,  der Zelter vom Volkspark Friedrichshain oder mein unbekannter Nachbar hinter der offenen Dachbodentür.

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Die Wagenburgler der Lohmühle in Treptow lässt der Wohnungmarkt kalt, aber warm haben sie es trotzdem. An der Wand steht Brennholz für den Ofen, ein Allesbrenner, der den kleinen Wagen ruckzuck aufwärmt. Hier passt mehr rein, als man denkt – meist haben die Bewohner den Raum geschickt eingerichtet. Unter dem Wagen deutet ein Surfbrett an, wohin es den Bewohner im Sommer verschlägt. An den Müggelsee vielleicht, wenn richtig Wind weht. Wer wollte mit ihm tauschen?

Festgefrorenes Hausboot am Tiergartenufer - Foto: Henning Onken

Am Tiergartenufer sind die Hausboote festgefroren, hilflos im Eis gefangen und verlassen. Doch irgendwo zeigt ein Licht an, dass hier jemand auf den Sommer wartet.

Fotostrecke: Berliner Seitenblicke

Wer pennt freiwillig im Treppenhaus?

Das Husten im dunklen Treppenhaus klingt kehlig, ungesund. Morgens um halb sieben bin ich zu müde, um mich zu wundern – denke nur an den Briefkasten im Erdgeschoss. Ein Stockwerk tiefer dann ein notdürftig errichtetes Nachtlager: Im Licht der Energiesparlampe schimmert ein  Bettlaken, das den halben Treppenabsatz bedeckt, darauf liegt eine Person.

Die verwirrte Nachbarin vielleicht, die gerne sieben achtmal hintereinander ihre Wohnungstür zuschlägt und einem Obszönitäten hinterherruft?  “Ich will Sie niemals wiedersehen, sonst…” Zur Hölle mit Ihnen, Sie…” Ich nehme drei Stufen auf einmal, kann mir angenehmeres vorstellen, als diese Dame aus dem Schlaf zu reißen.

Auf dem Treppenabsatz campieren zu müssen, das wünscht man niemanden. Die Nacht zu Dienstag war die kälteste seit drei Jahren in Berlin, mit Temperaturen von bis zu Minus 20 Grad.  Auch wenn die BVG die U-Bahnhöfe Frankfurter Tor, Hansaplatz und Südstern für Obdachlose nachts geöffnet lässt – zugigere  Schlafangebote gibt es wohl kaum in dieser Stadt. Der große Ansturm auf Notunterkünfte und Wärmestuben scheint jedoch ausgeblieben zu sein: Nicht alle Obdachlosen wollen oder können sich auf diese Sammelunterkünfte einlassen, oft wohl aus der Angst heraus, dort bestohlen zu werden.

Bleibt also das Treppenhaus.  Die Person, die sich dort inzwischen ihre Hände an der Tasse einer Thermoskanne aufwärmt, ist nicht die Nachbarin. Sie hat ein schmaleres, ein jüngeres Gesicht.

Vorsicht vor dem fliegenden Festtagsschrott

So entsorgt man Weihnachtsbäume in Friedrichshain - Foto: Henning Onken

Weihnachtsbäume haben gefälligst abgeschmückt am Straßenrand zu stehen, fordert die  Stadtreinigung, die in ganz Berlin etwa 400.000 Tannen wieder einsammeln muss. Zum Teil geschieht das, wie man es von braven Bürgern erwarten kann. Doch wie in jedem Jahr liegen nun viele der noch vor Tagen angebeteten Heiligtümer verstreut auf Rad- und Fußwegen.

Als Fußgänger sollte man sich in dieser Zeit nicht nur Hundehaufen ausweichen, sondern immer auch einen Blick nach oben werfen. Das mag für Auswärtige leicht paranoid anmuten, gehört aber zu den bekannten Tücken der Berliner Weihnachts-Nachsaison. Nur so kann der aufmerksame Passant ein Drama wie den tiefen Fall einer Lametta-Queen aus dem dritten Stock erleben. Das Exempar auf dem Foto hat den Mülleimer knapp verfehlt. Manche andere enden als Kunstwerk mit konsumkritischen Touch – was für eine Karriere!

Hier sind alle Termine für die Weihnachtsbaum-Abholung für 2010 gelistet

Neue Kommentare

  • Thomas Feirer: echt coole Bilder …
  • Anonymous: achso hier meine email adresse zero88-denis@web.de
  • Anonymous: echt bei dir geht das noch? zu silvester wollen paar leute und ich schön gemütlich auf ein dach feiern ist...
  • Aileen: Ich hab mal ne frage: wo genau ist der Markt und hat der auch sonntags auf? lg
  • Ilse Fuehrhoff: Es gibt in Berlin tatsächlich noch sehr viele, eigentlich ungeahnt viele Hausfassaden oder auch...

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