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Monatsarchiv für Dezember 2007

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Berliner Seitenblicke: Wozu nach Asien?

Berlin-Neukölln - Foto: Henning Onken

Im dritten Stock haust ein Tiger. Er setzt zum Sprung an, zumindest auf der Kuscheldecke, die gewöhnlich auf dem Fernsehsofa einer Neuköllner Etagenwohnung liegt. In der Glotze laufen Tierfilme auf drei Kanälen. Wozu nach Afrika? Die Satellitenschüssel ist gut ausgerichtet und bei RTL flieht eine Herde Gnus vor einem Löwen. Man sieht es aus dem Hubschrauber, der aufgewühlte Staub der Steppe lässt sich fast riechen.

Die Antenne vor dem Fenster nimmt dem Zimmer ein wenig das Licht, aber da draußen gibt es ohnehin nicht viel zu sehen. Gefahren lauern in Berlin im Straßenverkehr oder vielleicht in der Dönerbude, falls die Sache mit dem Gammelfleisch Folgen hat.

Asien ist ziemlich weit weg an einem verregneten Dezembertag im Neuköllner Schillerkiez. Viele hier sind zu Hause im Block für immer, fahren vielleicht im Sommer mal mit der Regionalbahn in die Uckermark. Anderswo steigt man in den Flieger, hier hängt die Tigerdecken-Weltflucht zum Fenster heraus. Asien für alle!

Fotostrecke: Berliner Seitenblicke

Winterdepressie, halb so schlimm

Nicht nur Hanfplantagen brauchen Licht. “Schau mal, die Sonne kommt raus.” Eine Frau springt von ihrem Stuhl auf, kämpft sich zum Fenster durch, will es öffnen. “Ach, lass mal lieber zu, viel zu kalt”, hindert sie ihr Begleiter. Er hat Tee mit Grog bestellt, seine Augen sehen verquollen aus, die Nase rot. Er grummelt unverständliches Zeug vor sich hin. “Ich will nicht, dass Winter ist”, bricht es plötzlich aus ihm heraus, “es soll nur drei Jahreszeiten geben.”

Lichttherapie gegen Winterdepressionen, gab es nicht so etwas? In den Niederlanden, aber auch in skandinavischen Ländern ist dieser Therapie-Ansatz weit verbreitet. Wintermonate sind dort besonders ungemütlich und das Sonnenlicht sehr schwach. Licht regt die Ausschüttung von Hormonen aus den Nebennieren an, die den Stoffwechsel und die Reaktion des Körpers auf Stress regulieren. Eine Therapie mit Licht erscheint daher plausibel, wenn auch etwas gewöhnungsbedürftig. Die Behandlung erfolgt meist durch einen Psychiater, Patienten werden einem hellen Kunstlicht ausgesetzt. 20-60 Minuten blickt der Patient täglich in eine Speziallampe, meist zu Hause vor dem Aufstehen.

Wem das Ganze zu esoterisch anmutet: Die Zitty hat in ihrer neusten Ausgabe 77 Gründe zusammengetragen, warum Berlin auch im Winter liebenswert ist. Leider hat die Redaktion den Text nicht online gestellt. Also weitergrummeln…

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Foto: Wikipedia

Internet für alle Berliner – umsonst und überall

Man könnte meinen, dass Rainer* Yoga macht. Der hagere Mittvierziger sitzt im Schneidersitz auf einem Friedrichshainer Dach und vollführt seltsame Verrenkungen. Mit einem Arm bewegt er eine Richtantenne hin und her, mit den Fingern der anderen Seite bearbeitet er das Notebook auf seinem Schoß. Das Gerät piepst ähnlich wie eine Sonde, mit der Münzsucher Strände absuchen. Je höher die Tonlage, desto besser der Empfang.

Netstumbler hat 16 Netze gefunden”, sagt er und deutet triumphierend auf den Bildschirm. Drei davon weist das Programm als offen aus – eine Verbindung ist also erlaubt. Die anderen sind passwortgeschützt und tragen Namen wie Susanne, Captain Kirk oder Fritzbox.

Fon-Hotspots in Berlin - Screenshot von http://maps.fon.com/Die Berliner Luft ist voll von privaten Funknetzen, die in Wohngemeinschaften oder Single-Haushalten für mehr Bewegungsfreiheit mit dem Internet sorgen. Obwohl sich die Reichweite mit jeder Generation neuer Wlan-Geräte verbessert und die Verbindungen von immer mehr Nachbarn genutzt werden könnten, bleiben die meisten Netze nur wenigen Personen vorbehalten.

“Es könnte gigantisch sein, wenn Berliner endlich ihre Netze öffnen”, schwärmt Rainer. Abschottung ist etwas, das er genauso wenig versteht wie Ausgrenzung und die Ausdehnung von Zonen mit privaten Sicherheitsdiensten. “Die meisten zahlen einen Flatrate-Tarif, befunken mit ihren Wlan-Stationen die Nachbarschaft bis zur anderen Straßenseite und fragen dann doch nur einmal am Tag ihre E-Mails ab”.

Die Hauptstadt als ein Tümpel voller Wasserlilien

In der “Lily-Pods”-Theorie des Medienwissenschaftlers Nicholas Negroponte hüpfen Frösche zwischen den Blättern von Wasserlilien auf einem Tümpel hin und her. Wenn der Tümpel für Berlin steht, die Wasserlilien für Funknetze und die Frösche für Einwohner, dann wäre in Berlin ein nahezu flächendeckender Netzzugang in der Innenstadt im Bereich des Möglichen.

Die nach eigenen Angaben weltgrößte WiFi-Community Fon setzt hier an und bietet ihren Nutzern kostenlosen Netzzugang – mit gewissen Einschränkungen. Wer seine Station nicht für andere freigibt, muss zahlen. Auch andere Firmen versuchen sich mit ähnlichen Geschäftsmodellen.

Freifunk-Hotspots in Berlin - Screenshot: http://start.freifunk.net/Für den Freifunk-Aktivisten Rainer sind diese Angebote ein fauler Kompromiss, da sich dort noch immer eine Firma zwischen Nutzer schaltet und Gewinne abschöpft. Ein wirklich freier Austausch von Daten ist für ihn am ehesten mit einem sogenannten Mesh-Netzwerk möglich. Wer das OLSR-Protokoll auf seinem mit wlan ausgestatteten Rechner installiert, macht ihn auch zu einem Knotenpunkt für andere Netzteilnehmer. OLSR sucht sich dynamisch die günstigsten Wege zwischen den “Lilien” im Großstadtdschungel.

“Und was passiert, wenn sich ein Unbekannter illegal Musik herunterlädt, die durch die Vernetzung auf meinem Rechner zwischengespeichert wurde?” Netzaktivisten erwarten oft, dass sich die Haftungsfragen in offenen Netzen von selbst regulieren.

Auch Stadtverwaltungen und Firmen tragen inzwischen dazu bei, das Internet als kostenloses Grundrauschen überall verfügbar zu machen. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg.

* Name geändert

Screenshot 1: Fon-Hotspots in Berlin
Screenshot 2: Freifunk-Hotspots in Berlin

Deine Stirn als Werbefläche

An einer der S-Bahn-Haltestelle sitzen drei Halbwüchsige, auf ihrer Stirn prangt jeweils ein Sticker eines Mobilfunkanbieters. Sieht aus wie ein Tattoo, ist aber wasserlöslich und kann nach drei Wochen abgewaschen werden. So sieht es der Vertrag vor. Die Schüler verprostituieren sich für eine Marke, mit der sie wenig verbinden, verkaufen ihren Körper als Werbefläche gegen Geld. Zukunftsmusik, sicher, keine Begegnung im Dezember 2007.

Aber es könnte bald soweit sein. An Berliner Universitäten startet das Schweizer Start-Up-Unternehmen smaboo Anfang dieses Monats eine Werbekampagne für den Mobilfunkanbieter Debitel. Studierende bekleben ihr Notebook zwölf Wochen lang mit dem Werbespruch “Ich telefonier’ für nen Apple und ‘n Ei” und erhalten dafür etwa 150 Euro. “Embedded branding” heißt diese Marketing-Strategie im Fachjargon.

Ein attraktiver Nebenverdienst, zweifellos. 50 Euro – das sind mindestens 20 Milchkaffees. Man kann davon ausgehen, dass Studierende sehr wohl entscheiden können, ob sie ein bestimmtes Produkt bewerben wollen, oder nicht. Dass ihre Kommilitonen, die überall an der Universität mit Werbung bombardiert werden, nicht auf schlechte Angebote reinfallen. Wenn es aber dazu kommen sollte, dass Leute nicht nur ihre Fensterscheiben, Autotüren und so weiter vermarkten, sondern sogar ihren Kindern Namen von Unternehmen geben? Alea Toyota König und Maximilian Persil Uhu Schreiner?

Wie werden Eltern diese Entscheidung später erklären? “Sorry für den zweiten Namen, liebe Alea, aber uns fehlte zum Zeitpunkt deiner Geburt einfach das nötige Kleingeld…”?

Verbannt aus Berlin: Die Verlierer der Umweltzone

Alter Laster in einem Hinterhof - Foto: Henning Onken

Sie heißen Barkas, Hanomag oder Mercedes und werden demnächst aus der Berliner Innenstadt verbannt. Die ehemaligen Feuerwehr-Transporter, Kübelwagen der Nationalen Volksarmee und Mannschaftsbusse der Berliner Polizei sind oft seit Jahrzehnten ausgemustert – und für ihre jetzigen Besitzer ein “Traum auf Rädern.” Mit dem Start der Umweltzone innerhalb des S-Bahnrings ab Januar wird es jedoch eng für alte Autos wie diese. Selbst wenige Jahre alte Dieselfahrzeuge müssen für die Feinstaubplakette einen Rußpartikelfilter nachrüsten.

“Es gibt keine sauberen Autos – zumindest keine, die ich mir leisten kann”, ärgert sich Martin über die “Dummweltzone”. Der 27-jährige Kreuzberger sitzt im Heck seines geräumigen Mercedes-Transporters und wärmt sich an einem kleinen Ofen, den er mit Holz befeuert. Auf dem Gaskocher steht ein Teekessel. Wenn Martin in dem Auto schläft, kommt er von der Matratze aus noch bequem an das Regal mit Büchern und CDs. Sogar ein Sternenhimmel verschönert den kleinen Wohnraum. An die Rückseite seines Autos hat der handwerklich geschickte Hartz-IV-Empfänger einen Briefkasten geschweißt, aber das ist eher ein Witz, wie er einräumt. Mit Freundin und Kind fährt er im Sommer nach Frankreich und Spanien.

Fahrzeuge wie Martins “rollendes Wohnzimmer” gehören besonders in Friedrichshain und Kreuzberg zum Straßenbild. Viele Anwohner dort dürfte es freuen, wenn den “großen Stinkern” künftig die Einfahrt in die Innenstadt verwehrt wird. Ob sich dadurch die Berliner Luft wesentlich verbessert, ist allerdings fraglich. Wenn gleichzeitig der Energiekonzern Vattenfall für rund eine Milliarde Euro ein Kohlekraftwerk in der Hauptstadt bauen lässt, dürften zumindest die CO2-Emissionen von alten “Freak-Autos” kaum ins Gewicht fallen.

Fotostrecke: Berliner Hinterhöfe

Neue Kommentare

  • Thomas Feirer: echt coole Bilder …
  • Anonymous: achso hier meine email adresse zero88-denis@web.de
  • Anonymous: echt bei dir geht das noch? zu silvester wollen paar leute und ich schön gemütlich auf ein dach feiern ist...
  • Aileen: Ich hab mal ne frage: wo genau ist der Markt und hat der auch sonntags auf? lg
  • Ilse Fuehrhoff: Es gibt in Berlin tatsächlich noch sehr viele, eigentlich ungeahnt viele Hausfassaden oder auch...

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