Wir bloggen Berlin – Blog News Bezirke

Monatsarchiv für September 2007

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Überfall aus Sibirien

“We are in Berlin. Now we in Alex. Plats.” Kurze Mitteilung per E-Mail, morgens um sieben. Der Autor offenbar ein Bekannter meiner Schwester aus Sibirien. Ich hatte zwei Frauen erwartet, aber egal. Wenig später saßen fünf erschöpfte russische Studenten am Küchentisch. Ob das Wasser teuer sei in Deutschland, fragte der eine. Sie hätten nämlich fünf Tage lang nicht duschen können. Nicht in Nowosibirsk, wo sie Zwischenstation gemacht hatten, um das Visum abzuholen und auch nicht in Moskau. Dort waren sie nach 5642 Kilometern Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn in einen Bus Richtung Warschau umstiegen.

Die drei Mädels hatten genug von der tagelangen Herumsitzerei und wollten Berlin zu Fuß erkunden. Die Fahrtkosten für die S-Bahn würden sie sich sparen. So bummelten sie durch Neuköllner Antiquitäten-Läden oberhalb der Sonnenallee und huldigten – very berlinerisch – dem Konsum im Alexa Shopping Center. Und sie aßen Döner. Als ich ihnen später erzählte, was sie da zu sich genommen hatten, machten sie nur große Augen: “We like Döner.” Am nächsten Tag berichteten sie über die Entdeckung einer ganz exzellenten Döner-Bude gleich in meiner Straße..

Die Männer mochten ebenfalls Döner, hatten aber andere Pläne: “We go to Madrid”, verkündete Erdeny, der Autor der E-Mail, noch ehe er seinen Kaffee ausgetrunken hatte. Mit den Frauen hier zu fünft zwei Tage lang ein Zimmer zu teilen, sei nichts. Wann denn ein Flugzeug nach Madrid gehe. Madrid war ausgebucht, Paris und Amsterdam zu teuer. Gegen Mittag bestiegen die beiden Jungs einen Zug nach Dresden.

“Berlin is a very friendly city”, sagte Tuyana, die für die anderen Frauen dolmetschte. Ob es denn in Berlin keine Skins gebe? In Moskau seien sie als Burjaten schlecht behandelt worden. “Die dachten, wir seien Chinesen und keine Russen.” Ich verzichtete darauf, ihnen von Freunden zu erzählen, die bestimmte Berliner Stadtteile wegen ihrer Hautfarbe nach Möglichkeit meiden und als Ausländer schlechte Erfahrungen gemacht haben. Mit Berlinern, mit dem Ausländeramt. Diese Besucher aus Sibirien waren so begeistert, dass ich ihnen die Freude an ihrem kurzen Berlin-Aufenthalt nicht nehmen wollte.

Letzter Aufruf für Strandbars

Space Beach

Fast hatten wir gedacht, der Sommer in Berlin wäre schon vorbei. Heute hat er sich nochmal blicken lassen. Hier ein paar Bilder vom Spreeufer und den Strandbars Space Beach und Oststrand, wo endlich wieder gefeiert werden konnte. Auch auf der Modersohnbrücke in Friedrichshain und am Boxhagener Platz trafen wir auf Sonnenanbeter.

Fotostrecke: Ein Sonntag im September

Wir gehen auf’s Dorf – mitten in Neukölln

Kleingärtner in Neukölln - Foto: Henning Onken

“Selbstgemachte Marmelade, Äpfel, Spielzeug für Ihre Kinder” – zwei Mädchen winken mit grünen Fähnchen Passanten zum Laubenpieperfest in der Neuköllner Pannierstraße heran. In der Kolonie Freie Stunde wird gefeiert und wir sind zurück auf dem Dorf, mitten in Neukölln. Rentner mähen das Gras um ihre Gartenzwerge herum, türkische Großfamilien pflücken ihre Äpfel und Hans mistet die Ställe seiner Karnickel aus. Die Stadt mag sich rund um dieses Gelände bis zur Unkenntlichkeit gewandelt haben, doch die Schrebergärten gibt es hier seit über hundert Jahren.

Keine vergleichbare Metropole verfügt über eine so große Zahl privat nutzbarer Gärten in der Innenstadt wie Berlin, so die Stadtverwaltung. Als Grünflächen mit “wichtiger Ausgleichs- und Erholungsfunktion” sollen Schrebergärten geschützt werden. Nach einem Senatsbeschluss ist ihr Bestand zumindest auf den landeseigenen Flächen bis 2014 gesichert. Danach dürfte es etlichen Kolonien so ergehen, wie der Anlage am Olivaer Platz in Charlottenburg. Wenn sich in einigen Jahren ein Riesenrad in der Nähe vom Zoo drehen soll, scheint es unausweichlich, dass im Einzugsbereich Grünflächen für die Infrastruktur des Kommerzes geopfert werden.

Übrigens dienten Lauben in den letzten Jahren zunehmend als Wohnraum für verarmte oder gestresste Großstädter. Zwar ist es verboten, dort Strom zu legen oder einen Anschluss an das Wasser- oder Gasnetz zu installieren. Doch ein Leben mit Strom von der Autobatterie, Campingdusche und Behelfsklo ist für Aussteiger immer noch besser als die Ein-Raum-Wohnung mit Fenster zum Hof. “Das Wohnen in Lauben wird von den Nachbarn toleriert, weil so weniger geklaut wird”, erzählt Kleingärtner aus Treptow.

Ich wünsche dem Kleingartenverein Freie Stunde in hundert Jahren einen fröhlichen 200. Geburtstag.

Ausgewählte Kleingartenanlagen – Standortkarte
Fotostrecke: Berliner Seitenblicke

McDonald’s eröffnet – Na und?

“Mann, wann machen die endlich auf – gleich ist die große Pause vorbei!” Die Eröffnung der Kreuzberger McDonald’s Filiale interessierte allenfalls die Schüler des benachbarten Oberstufenzentrums. Umsonst waren sie angereist, die Leute vom RBB, die Fotografen. Keine Blockaden, keine Farbbeutel-Attacken. “Nicht mal Transparente sind entrollt worden”, sagte ein bärtiger Mensch zu einem Kollegen und packte seine Kamera weg.

Derweil rätselten Schüler, ob McDonald’s eine Franchise-Kette sei oder nicht. Und ob es sich auszahle, in Kreuzberg so ein Schnellrestaurant zu eröffnen. “Ey, die machen hier bestimmt voll das Geschäft.” Die Pommesbude in unmittelbarer Nachbarschaft wird das zu spüren kriegen, sicher. Aber ob die erklärten McDonald’s Gegner wirklich traurig sein dürften, wenn dem Besitzer dieses Imbisses die Kunden weglaufen? Falls er überhaupt welche hat?

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Rezepte gegen den Kaufrausch

Waschmaschine in der Rigaer StraßeNach der irrwitzigen Shopping-Center-Eröffnung am Alexanderplatz muss die Frage erlaubt sein, ob es noch andere Wege gibt, sich seinen Hausrat zu beschaffen, als mitten in der Nacht wie eine Horde Vandalen ein Kaufhaus zu stürmen. Es gibt sie, aber einfach ist es nicht: “Wäscht noch, dreht langsam, bleibt manchmal im Programm stehen”, steht an einer verlassenen Waschmaschine in der Rigaer Straße. Ein alter Videorekorder ist auch noch zu haben. Wer in Friedrichshain seinen Müll loswerden will, stellt ihn einfach vor die Haustür – vorzugsweise nachts.

Eines späten Abends wäre mir dort beinahe ein Teppich auf den Kopf gefallen. Die Rolle knallte fünf Meter vor mir auf den Gehsteig und verbreitete eine beträchtliche Staubwolke. Dem Werfer war seine Aktion anscheinend peinlich, denn in dem geöffneten Fenster der dritten Etage rührte sich nichts. Da hatte sich wohl jemand neue Auslegware im Baumarkt geholt und keine Lust, mit dem alten Teppich die Treppen hinab zu laufen, ihn in kleine Stücke zu schneiden und damit die Hausmülltonnen dicht zu stopfen.

Zweite Chance beim Nachbarn

Vieles von dem, was auf der Straße landet, bekommt in der Nachbarschaft eine zweite Chance. Die halb kaputte Waschmaschine hat sich wahrscheinlich ein findiger Familienvater wieder funktionsfähig geschraubt und auch der vom Himmel gefallene Teppich entpuppte sich auf den zweiten Blick als fast ohne Fehl und Tadel. Wer weiß – vielleicht macht der Teppichwerfer bei Freunden eine überraschende Entdeckung auf dem Fußboden.
Doch was für die meisten ein Müllproblem darstellt, und für einige ein sinnvoller Austausch von Haushaltsgegenständen erscheint, ist in jedem Fall illegal. Kaputte Elektrogeräte wie Föhne, Rasierapparate dürfen nicht einmal in den Hausmüll geworfen werden. Die Stadtreinigung BSR nimmt aber bis zu 20 Geräte kostenlos an. Möglich ist das auf den 15 Recyclinghöfen in der Hauptstadt. Laut Umweltsenatorin Ingeborg Junge-Reyer werden in Berlin jedes Jahr 10.000 Tonnen verwertbare Elektrogeräte weggeworfen. ‘Rezepte gegen den Kaufrausch’ weiterlesen

Bethanien: Freiraum weggerechnet?

Besetzter Südflügel des Bethanien - Foto: Henning OnkenAbgebrochene Spritzen, Hundehaufen und Graffiti beklagte Christoph Tannert, Leiter des Künstlerhauses Bethanien, auf dem Gelände am Mariannenplatz und nannte im gleichen Atemzug die Hausbesetzer. Der Ruf des international renommierten Künstlerhauses stehe auf dem Spiel, wenn das Bethanien zu einer “Besetzerhochburg” werde, hatte Tannert bereits vor ein paar Tagen dem Tagesspiegel gesagt und mit dem Auszug des Künstlerhauses gedroht.

Die ungeliebten Nachbarn, die im Sommer 2005 den leerstehenden Südflügel des ehemaligen Diakonissen-Krankenhauses in Beschlag nahmen und das Bethanien vor allem als soziales und politisches Projekt begreifen, finden das weniger komisch. Die Vorwürfe seien “absurd”, der Leiter des Künstlerhauses unbeweglich. Die Schlammschlacht ist im vollem Gange.

Für das Projekt Bethanien insgesamt fatal, denn in den kommenden Monaten sollen die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Bis Ende des Jahres muss der Runde Tisch zur Zukunft des Bethanien, ein Gremium aus Politikern, Nutzern und Anwohnern, ein Nutzungs- und Finanzierungskonzept erarbeiten, das den Senat überzeugt. Der ist Besitzer des Gebäudes und will ab 2008 jährlich “kalkulatorische Kosten” in Höhe von 800.000 Euro, eine Summe, die der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg als Verwalter unmöglich aufbringen kann. Diese fiktive Kapitalverzinsung bemisst sich nach dem “Wiederbeschaffungswert” des Gebäudes – nach einer Berechnung des Senats rund 32 Millionen Euro.

“Schmuddelkinder” im Südflügel?

Neben der Diskussion um ein Finanzierungskonzept für das Gebäude stehen Verhandlungen der Besetzer mit dem Bezirk über einen Mietvertrag im Raum. Die Hausbesetzer bewohnten das Gebäude auf Kosten des Bezirks und damit gesponsort vom Steuerzahler, lautete der Hauptvorwurf gegen die Leute aus der früheren Yorck59. “Die Verhandlungen mit dem Bezirk über einen Mietvertrag sind ins Stocken geraten”, so ihre Version der Geschichte. Verträge würden schon deshalb angestrebt, um eine dauerhafte Grundlage für das Hausprojekt zu schaffen. In der Yorckstraße gab es Verträge und ein Konto, auf das die Bewohner ihre Miete überweisen konnten.

Dass der Bezirk keine Mietverträge mit den Besetzern abschließen will, bevor ein Gesamtkonzept für das Bethanien steht, erscheint wenig verwunderlich. Sollten das Künstlerhaus und die Druckwerkstatt ernst machen und sich tatsächlich einen anderen Standort suchen, brechen dem Bezirk weitere Mieteinnahmen weg, die dringend gebraucht werden. Es würden sich schnell neue Mieter finden, glauben die Besetzer. Aber ob sich der Bezirk mit der vorübergehend ungeklärten Situation arrangieren kann?

Das Horrorszenario einer Privatisierung erscheint durchaus real. In unmittelbarer Nachbarschaft, im Block 100 (auch “Penny Block”), hat sich eine Anwohner-Initiative formiert, nachdem bekannt wurde, dass der Block an der Naunyn-Straße verkauft werden soll. Wer der Privatinvestor ist, wissen die Bewohner bis heute nicht.

Website New Yorck 59 im Bethanien
Initiative Zukunft Bethanien

Neue Kommentare

  • Thomas Feirer: echt coole Bilder …
  • Anonymous: achso hier meine email adresse zero88-denis@web.de
  • Anonymous: echt bei dir geht das noch? zu silvester wollen paar leute und ich schön gemütlich auf ein dach feiern ist...
  • Aileen: Ich hab mal ne frage: wo genau ist der Markt und hat der auch sonntags auf? lg
  • Ilse Fuehrhoff: Es gibt in Berlin tatsächlich noch sehr viele, eigentlich ungeahnt viele Hausfassaden oder auch...

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