An diesem schönen Tag sind wir aufs Dach geklettert und spielen Schach, als unten langsam eine “Wanne” vorbeirattert. “Früher haben die noch ihre Dachluken zugemacht, als sie durch den Kiez fuhren”, erzählt ein Freund nachdenklich. Und so zerbeult wie damals sind die neuen Mannschaftstransporter der Berliner Polizei auch nicht.
Eine Woche vor dem 1. Mai deutet wenig auf die anschwellende Wut hin, die fast jedes Jahr zusammen mit dem Frühling erwacht und – wie vor 20 Jahren – einen ganzen Stadtteil in ein Schlachtfeld aus brennenden Autos, geplünderten Geschäften und vermummten Kämpfern auf beiden Seiten verwandeln kann. Da wollen Leute leben, um etwas zu erleben, könnte man böse sagen, oder: sie wollen leben, um etwas zu verändern. Jedenfalls ist diese Art von Energie- und Ladungsaustausch zwischen Polizei und gewissen Menschenansammlungen seit dem Auftakt vor 20 Jahren auch in Friedrichshain zu einer Begleiterscheinung des “Kapuzenkarnevals” geworden. Auch im letzten Jahr flogen den Beamten wieder Steine und Flaschen um die Ohren, wenn auch weniger als an den Maydays der Vorjahre. Ein paar umgekippte Autos, eine zerstörte Bushaltestelle – die Bilanz-Pressekonferenzen des Senats wurden kürzer.
Okay, Genossen, und was geht an diesem 1. Mai? – Die Presse sieht die “Szene tief gespalten wie noch nie”, kleben doch mindestens drei Organisatoren von revolutionären Demos die Kieze mit ihren Plakaten zu. “Stimmt nicht” erzählt mir ein Teilnhehmer in spe, “das ging dieses Jahr einvernehmlich wie selten”. Trotzdem: Das Motiv Heuschrecken-Alarm ist offenbar nicht besonders beliebt und an vielen Stellen schnell wieder abgerissen.
Wer mag so etwas tun? Die Konkurrenz, die Konterrevolution oder die Polizei? “Eher Antideutsche”, wiegelt ein Bekannter ab, die hier Antiamerikanismus oder sogar Antisemitismus bekämpfen wollen. Die fiesen Heuschrecken haben nämlich aufgemalte Dollar-Zeichen und werden von einem tapferen Autonomen mit der Zwille beschossen.
Fotos: Plakate und andere gezettelte Botschaften
Eine andere Gruppierung hat offenbar eine fähige Werbeagentur beauftragt, die unsere prekären Verhältnisse grafisch und textlich schmissig in Szene setzt. Erst zur Demo und dann Latte Macchiato trinken, könnte man denken. Aber lassen wir das, vielleicht treffen sich dort wirklich interessante Leute, die etwas gemeinsam auf die Beine stellen. Ein Galerieprojekt mit 20 Künstlern zum Beispiel. Ein weiteres Plakat will unter dem Stichwort “Reduce to the maxx” einfach nur Kommunismus.
Wie ernst all diese Ankündigungen genommen werden, lässt sich vielleicht auch mit daran ablesen, ob in dieser Zeit wieder Gehsteige ausgebessert werden oder nicht. Dann ziehen Firmen im Auftrag der Stadtverwaltung durch “Problemkieze” und kitten lose Pflastersteine mit Asphalt. Es könnten ja Touristen auf die Idee kommen, sich einen Stein aus Berlin mit nach Übersee zu nehmen, jetzt da die Brocken der Berliner Mauer bei Souvenirhändlern immer seltener zu haben sind.
Interessanter Text von Burkhard Schröder zu Thema:
http://www.burks.de/forum/phpBB2/viewtopic.php?p=31864#31864
hey danke, der ist ziemlich witzig (-;
Kann man sich bei Euch im Kiez am 1.Mai überhaupt auf die Straße wagen? oder werden die Gemüter gleichgültiger?
Heike
nein, natürlich nicht, und wenn dann nur in kugelsicherer weste, säurefesten schuhen usw.